# taz.de -- Urwahl zur nächsten Kanzlerkandidatur: Einfach das Frauenstatut ab… | |
> Mit der geplanten Urwahl wird die Kanzlerkandidatur bei der nächsten Wahl | |
> unabhängig vom Geschlecht entschieden. Die Grünen haben dazu gelernt. | |
Bild: Die Basis wird künftig über die Kanzlerkandidatur entscheiden | |
Leise, nahezu geräuschlos, haben die Grünen diese Woche beschlossen, dass | |
das Frauenstatut bei der Wahl des nächsten Kanzlerkandidaten oder der | |
nächsten Kanzlerkandidatin keine Rolle mehr spielen wird. Die Basis soll | |
mit einer Urwahl über die Kandidaten bestimmen – unabhängig vom Geschlecht. | |
Auf diese Weise kann sich die unerquickliche Situation vor der | |
Bundestagswahl 2021 zum Glück nicht wiederholen: Robert Habeck und Annalena | |
Baerbock wollten beide an die Spitze, doch als Frau hatte Baerbock das | |
erste Zugriffsrecht und entschied somit im Prinzip allein über die | |
Kanzlerkandidatur. Habeck hätte nur dann eine Chance gehabt – und das | |
drohte auch für 2025 –, wenn Baerbock verzichtet. | |
Das hat für Frust in der Partei gesorgt. Es blieb das ungute Gefühl zurück, | |
dass es für eine Position, die nicht paritätisch besetzt werden kann, das | |
falsche Verfahren ist. Nach dem Frauenstatut wird der erste Platz – und | |
danach alle ungeraden Zahlen – immer weiblich besetzt. [1][Bei Joschka | |
Fischer wurde 2002 im Einvernehmen mit den grünen Spitzenfrauen eine | |
Ausnahme gemacht.] Danach ist man eilig zum gewohnten Verfahren | |
zurückgekehrt. | |
Gar nicht so wenige Funktionäre der Grünen würden lieber ein schlechteres | |
Wahlergebnis in Kauf nehmen, als noch einmal eine so übermächtige | |
(männliche) Figur wie Fischer zuzulassen. Eine Urwahl ist angesichts dieser | |
Gemengelage ein minimalinvasiver Eingriff in das Frauenstatut. Er hat kaum | |
geschmerzt und hinterlässt so gut wie keine Narben. Es ist dennoch eine | |
Weichenstellung für den nächsten Schritt, denn die Ambitionen, Volkspartei | |
zu werden, sind ja nicht aufgegeben, im Gegenteil. | |
Für Habeck ist es nicht ohne Risiko, offen gegen eine Frau anzutreten. | |
Normalerweise wird der direkte Konkurrenzkampf zwischen Männern und Frauen | |
ja gemieden. Doch die Urwahl eröffnet ihm mehr Chancen als vorher. An der | |
Basis ist er beliebter als bei den Funktionsträgern. Bei Baerbock ist es | |
umgekehrt. Die Außenministerin erfreut sich zwar auch insgesamt großer | |
Beliebtheit. [2][Doch Außenminister*innen sind immer beliebt, weil | |
sie über den Niederungen des politischen Alltags zu schweben scheinen.] Der | |
Nachteil am Auswärtigen Amt ist, dass es nur zum Teil um Kernthemen der | |
Partei geht. | |
Das Wirtschafts- und Klimaministerium hingegen ist das Herzstück der | |
klimapolitischen Wende und der Bewältigung der Energiekrise. Man kann viele | |
Fehler machen, aber auch gewaltig viel gewinnen. [3][Habeck hat zudem schon | |
immer weit in Gesellschaftsschichten hineingereicht], die keine | |
traditionellen Grünwähler*innen sind. | |
Das Rennen um die nächste Kanzlerkandidatur ist damit dieses Mal | |
tatsächlich offen und fair. Die Grünen haben dazugelernt. | |
25 Sep 2022 | |
## LINKS | |
[1] /!578854/ | |
[2] https://www.sueddeutsche.de/politik/maas-steinmeier-gabriel-1.4111004 | |
[3] /Feminismus-bei-gruener-K-Frage/!5760834 | |
## AUTOREN | |
Silke Mertins | |
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