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# taz.de -- Die Wahrheit: Wo das Runde hineinmuss
> Sensationelle Entdeckung im Ballsport: Immer mehr Fußballer wissen
> tatsächlich, wo das Tor steht. Eine Recherche zum Start der
> Bundesligasaison.
Bild: Statt aufs Tor schießt David Beckham auf eine Brücke
Wer wissen will, wo im Fußball das Tor steht, findet die Antwort zum
Beispiel bei Wikipedia: „Die Tore eines Fußballfeldes müssen in der Mitte
der jeweiligen Torlinie stehen.“
Die Tatsache, dass Wissen neuerdings frei verfügbar und niederschwellig zu
erhalten ist, zeitigt ihre Wirkung nun offenbar auch im Profifußball, wie
unser Wahrheit-Rechercheteam jetzt herausgefunden hat. Denn der gemeine
Balltreter verfügt in der Regel über einen Laptop und genügend Zeit
zwischen den Trainingseinheiten, um sich entsprechend weiterzubilden.
„Goretzka weiß, wo das Tor steht“, vermeldete kürzlich die Frankfurter
Rundschau. Leon Goretzka ist Mittelfeldspieler, wohlgemerkt, muss also gar
nicht unbedingt den genauen Standort des Tors wissen. Dass er es dennoch
tut, sagt viel aus über den veritablen Wissenssprung im modernen Fußball,
seitdem ein paar Klicks ausreichen, um jede erdenkliche Information „aus
dem Netz zu ziehen“. Deshalb weiß auch der ehemalige Stürmer und jetzige
Trainer Bruno Labbadia über den noch minderjährigen BVB-Stürmer Youssoufa
Moukoko zu berichten: „Er weiß, wo das Tor steht, da ist das Alter absolut
egal.“ Denn auch die Generation Z kann schon mit dem Internet umgehen.
Der eine Generation ältere Thomas Müller weiß nicht nur, wo das Tor steht,
sondern auch, was er in so einer Situation machen muss: „Ich weiß schon, wo
das Tor steht – und was ich in so einer Situation machen muss.“ Nämlich den
Ball in das Tor des Gegners hineinschießen, auch dies ist mit wenig Aufwand
recherchierbar: „Es ist das primäre Ziel der beiden Mannschaften, den Ball
in das jeweils gegnerische Tor zu schießen – die Mannschaft, die nach
Ablauf der Spielzeit die meisten Tore erzielt hat, gewinnt das Spiel“, wie
Wikipedia weiß.
## Ordnungsgemäß nach Regelwerk
Informationen, von deren Kenntnis auch der Kölner Effzeh-Stürmer Anthony
Modeste profitiert: „Weiß, wo das Tor steht: Kölns Modeste“, weiß wieder…
der Berliner Tagesspiegel und verschweigt, dass Modeste ebenso wie Müller
weiß, was er vor dem gegnerischen Tor stehend machen muss: den Ball rasch
ins Tor befördern. Unnötig zu erwähnen, dass Modeste darüber hinaus weiß,
dass der Ball nicht nur mit dem Fuß, sondern auch mit dem Kopf im Tor
versenkt werden darf, hat er doch in der vergangenen Saison mit seinem
eigenen Kopf nicht weniger als zehn Tore erzielt – ordnungsgemäß nach
Regelwerk, auch das ist nachzulesen bei Wikipedia.
Selbst Spieler aus unteren Ligen haben enorme Bildungserfolge und dadurch
Tore erzielt: „Wuppertaler Zugang Roman Prokoph: Er weiß, wo das Tor
steht“, hat die Westdeutsche Zeitung herausgefunden. „Ich weiß, wo das Tor
steht“, verrät Saarbrückens Neuzugang Felitciano Cedrick Zschusschen
zurecht stolz der Saarbrücker Zeitung.
Und selbst in Liga zwei haben nicht wenige Profis bereits eine
Standortbestimmung durchgeführt: „Simon Terodde kennt die Liga und hat
eindrucksvoll bewiesen, dass er sehr genau weiß, wo das Tor steht“,
informiert der HSV-Sportvorstand Jonas Boldt. Woraufhin der NDR
messerscharf schließt: „Der weiß, wo das Tor steht.“
Die Gemeinde der Wissenden wächst von Tag zu Tag, sogar Frauen, denen ja
bekanntermaßen eine gewisse räumliche Vorstellungsbehinderung eigen sein
soll, sind von den zuständigen Kräften in Kenntnis gesetzt: „Ein Treffer
von Fridolina Rolfö entscheidet das Spiel. Die Schwedin hat oft bewiesen,
dass sie weiß, wo das Tor steht“, jubelt die Deutsche Welle. Und Die
Oberbadische nimmt den Pass auf und schiebt ihn ins leere Phrasentor: „Die
1,71 Meter große Lörracherin Julia Glaser, die im kommenden Jahr am
Hans-Thoma-Gymnasium ihr Abitur macht, weiß, wo das Tor steht.“
## Kurvenlied voller Pracht
Gerade im aktuell so wundervollen Frauenfußball bricht offenbar eine neue
prächtige Epoche an, von der die Frankfurter Rundschau ein Kurvenlied
singen kann: „Dreisprachig parlierte Lotta Schelin im Pressekeller der
Stamford Bridge die Fragen und hob besonders Conny Pohlers hervor: ‚Sie ist
älter geworden, aber sie weiß, wo das Tor steht.‘“
Nie zu alt ist, wer wirklich das Wesentliche weiß, bekundet auch der Weser
Kurier: „Gleich bei ihrer ersten Aktion im Angriff bewies die Schwester von
Wallhöfens Goalgetterin Lisa Jacobs, dass auch sie weiß, wo das Tor steht.“
Und so geht es munter weiter, immer weiter durch die Ligen und Länder, in
denen das gar nicht mehr geheime Kernwissen wie ein großes Puzzle für das
wahre Geheimnis des ach so beliebten Fußballsports sich zusammenzusetzen
scheint. Oder wie die bereits zitierte Frankfurter Rundschau, die gar nicht
mehr lassen kann von der Torbinse, in einem besonders weisen Bericht die
Worte fein zusammenstückelt: „Ein Puzzlestück ist auch der aus Leverkusen
gekommene Torjäger Alario, ein kluger, feiner Kerl, der weiß, wo das Tor
steht.“
Und nach unserer kleinen Recherche wissen wir nun endgültig, wer der Tor im
Spiel ist.
3 Aug 2022
## AUTOREN
David Schuh
## TAGS
Sportreporter
Fußball
Fußball-Bundesliga
Sprache
Bundesligastart
Fußball
Sergej Lawrow
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Fußball
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