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# taz.de -- Finale in der Champions League: Kampf der Identitäten
> Ganz viel Geschichte schwingt mit, wenn der FC Liverpool auf Real Madrid
> trifft. Der Trainerklub aus England spielt gegen den spanischen
> Heldenverein.
Bild: Finales Kunstwerk: Streetartkünstler mit ihren Beitrag zum Endspiel am S…
Barcelona taz | Wenn zwei Klubs so alt und so groß sind, dann gibt es immer
eine offene Rechnung, dann spielen immer auch die alten Schlachten mit.
Gerade vier Jahre ist es außerdem erst her, dass Real Madrids damaliger
Kapitän Sergio Ramos dem Liverpooler Starstürmer Mohamed Salah bei einer –
geplanten? unglücklichen? – Wrestlingeinlage die Schulter auskugelte und
dann bei einem Zusammenstoß den Torwart Loris Karius derart hypnotisiert
haben soll, dass er danach zwei der drei Gegentore bei der 1:3-Niederlage
seiner Elf verschuldete
Ja, Ärzte des Massachusetts General Hospital in Boston, Heimatort der
Klubeigentümer Liverpools, wiesen Tage später tatsächlich eine
Gehirnerschütterung nach. Nun also die Rache? Von dem Konzept halte er
nichts, so Trainer Jürgen Klopp, aber: „Im Leben sieht man sich immer
zweimal.“
Carlo Ancelotti, sein Gegenüber von Real Madrid, ist noch etwas älter, 62,
und als er auf das Revanchethema angesprochen wurde, landete er deshalb im
Jahr 1981. Damals unterlag Real im Finale gegen Liverpool mit 0:1. Es war
das letzte europäische Endspiel, dass die Madrilenen überhaupt verloren
haben.
Madrid gegen Liverpool also – in Paris. Die historisch erfolgreichsten
Vereine der historisch erfolgreichsten Nationen in der Stadt, in der im
Dezember 1954 der Europapokal ins Leben gerufen wurde. 13 Titel des
Rekordsiegers gegen sechs des Dritten im Ranking. Zwei Vereine, die zwar
auch über das Geld kommen. Aber doch genauso über ihre Geschichte und ihren
Anhang. Die das Flirren des Flutlichts in europäischen Nächten
versinnbildlichen mit einem emotionalen, heroischen Spielstil und bisweilen
fast irrationalen Siegen.
## Meister des Spekatkels
Paris St. Germain, Chelsea, Manchester City, die neureichen
Petrodollarklubs – alle drei hat Madrid diese Saison aus dem Estadio
Santiago Bernabéu [1][spektakulär nach Hause geschickt], weil sie der
mentalen Kraft Reals nicht standhielten. Jetzt trifft man freilich auf
einen Klub, der sich genauso an sich selbst berauschen kann. Liverpool ist
kein Verein, der bei Widerstand in sich zusammenbricht.
Liverpool führt selbst solche Aufholjagden durch. [2][Unter Klopp etwa das
4:0 nach 0:3 in Barcelona] auf dem Weg zum Titel 2019. Die berühmteste aber
im Finale 2005 gegen den AC Mailand nach 0:3 zur Halbzeit. Trainer der
Italiener damals: Ancelotti – der mit einem Triumph als erster Coach zum
vierten Mal den wichtigsten Europapokal gewänne. Bisher teilt er sich die
Ehre bei je drei Titeln mit Bob Paisley und Zinédine Zidane. Der eine von
Liverpool, der andere von Real. Geschichte, wohin man nur blickt.
Und doch gibt es immense Unterschiede in den Identitäten beider Vereine.
Sie betreffen nicht nur die Soziologie: Hier die noblen Königlichen,
althergebrachte Lieblinge der spanischen Eliten – dort die von irischen
Einwandern und sozialistischen Ideen geprägten „Reds“ aus einer
Industriestadt, die sich gegen das englische Establishment definierte. Sie
betreffen vor allem den Weg zur Größe.
## Das weiße Ballett
Real Madrids Urknall war die Ankunft des argentinischen Stürmer-Regisseurs
Alfrédo Di Stefano im Jahr 1953. Um ihn formte sich mit Spielern wie
Ferenc Puskas oder Francisco Gento das „weiße Ballett“. Wer noch weiß,
wie die Trainer dieser Titel hießen – es waren drei verschiedene –, kann
jedes Nerd-Quiz gewinnen. Sie spielen in der Erinnerung keine Rolle. Madrid
wurde zum Verein der Stars, der Helden aus aller Welt, der Galaktischen.
Ambitionierte Konzepttrainer stieß er instinktiv ab. Hier muss einer die
Spieler verstehen – und machen lassen. [3][Ancelotti kann das ziemlich
gut].
Liverpools Geschichte teilt in Vorher und Nachher das Jahr 1959, als der
schottische Trainer Bill Shankly beim damaligen Zweitligisten anheuerte. Er
krempelte alles um, dozierte „passing game“ und integrierte die Massen zur
gemeinsamen Kommunion an der Anfield Road. Shankly blieb 15 Jahre, ehe
Paisley und weitere Assistenten aus dem „Boot room“ übernahmen, einem
Schuhkabuff neben den Umkleiden, in dem bei Whiskey und Zigarettenqualm
alles Wesentliche besprochen wurde.
Erst als die Linie abriss, begann der Abstieg. Wenn Klopp nach seinem
phänomenalen Wiederaufbau heute mit Shankly verglichen wird, ist das die
höchste aller Auszeichnungen. Seine Überfigur ist wie gemacht für einen
Trainerklub par excellence.
Nun treffen Madrid und Liverpool auf neutralem Terrain, ohne Bernabéu, ohne
Anfield aufeinander. Ihre Legenden spielen trotzdem mit. Mythos gegen
Mythos: Nur einer kann gewinnen.
28 May 2022
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## AUTOREN
Florian Haupt
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