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# taz.de -- Urteil wegen besonders schwerer Untreue: Nur eine Version der Gesch…
> Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der EWE AG wurde wegen Untreue
> verurteilt. Doch seine Rolle im Energiekonzern kann auch anders erzählt
> werden.
Bild: Verurteilt: Matthias Brückmann führte den Oldenburger Energiekonzern EW…
Oldenburg taz | Ein Urteil bringt eine Entscheidung in einem
Strafverfahren. Andere Versionen darüber, wie es sich auch zugetragen haben
könnte, treten zurück, sobald Kammer, Staatsanwaltschaft, Angeklagte,
Verteidigung und Zuschauer sich erheben, „im Namen des Volkes“. Dann ist da
nur noch das Urteil mit seiner Herleitung.
Im Falle des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der EWE AG, Matthias
Brückmann, der den Oldenburger Energiekonzern von 2015 bis zu seiner
Entlassung 2017 führte, lautet es zehn Monate auf Bewährung wegen Untreue
und besonders schwerer Untreue. 18.000 Euro muss er zudem an den Deutschen
Kinderschutzbund zahlen. Der ebenfalls angeklagte und weiterhin bei der EWE
tätige Vorstand Michael Heidkamp hingegen wurde von den gleichen
Tatvorwürfen freigesprochen.
Kern des Strafverfahrens war eine Spende an die Stiftung der Boxbrüder
Klitschko in Höhe von 253.000 Euro, die Brückmann bei einer Gala zum 40.
Geburtstag Wladimir Klitschkos am 25. März 2016 in einem Kiewer Hotel
zugesagt hatte – schwierig angesichts der Spendenrichtlinie des Konzerns.
Zu hoch, zu eigenmächtig und zu tölpelhaft, da es ja Brückmann selbst war,
der die Richtlinie kurz zuvor geändert hatte. Im Gegensatz zu seinem
Vorgänger Werner Brinker sollten dem Chef nun nur noch 50.000 – nicht
500.000 – Euro frei Hand zur Verfügung stehen. Der Aufsichtsrat hätte der
Spende an die Klitschkos zustimmen müssen.
## Es mag auch Eitelkeit mit ihm Spiel gewesen sein
Brückmann trug das einige Wochen mit sich herum; als wäre ihm die Zusage –
bei klarem Kopf nach der Gala – selbst nicht geheuer. Er beschrieb vor
Gericht, wie ihn die Präsentation der Klitschko-Stiftung und deren Arbeit
für arme Kinder so sehr berührt hatte, dass er spontan zugesagt habe, so
viel zu spenden, dass die von den Klitschkos erhoffte Gesamtsumme von drei
Millionen US-Dollar erreicht wird – umgerechnet 253.000 Euro.
Es mag, so verstand man ihn bei seiner Einlassung, auch Eitelkeit mit ihm
Spiel gewesen sein. Matthias Brückmann, der Chef eines in Oldenburg
weltberühmten Energiekonzerns, macht in einem Saal voller Wichtigs und
Sich-für-wichtig-Haltenden die drei Millionen voll.
Als er den Vorstandskollegen – darunter auch der Mitangeklagte Heidkamp –
Wochen später bei einem Italiener in Heidelberg davon erzählte, muss allen
klar gewesen sein: Nein, eine Spende kriegen wir nicht durch; aber lasst
uns eine Sponsoringvereinbarung daraus machen, dann gäbe es wenigstens eine
Gegenleistung. Eine Werbekampagne für die EWE-Telefontochter mit Fotos von
Klitschko (Slogan „Ein unschlagbares Angebot“), Imagefilmchen, Eintrag ins
Goldene Buch der Stadt.
Das ging hin und her, Skeptiker aus Brückmanns EWE wurden abgekanzelt, die
Klitschko-Stiftung wollte nicht länger auf das Geld warten, distanzierte
sich von dem Sponsoringgerede und drängelte – da ließ Brückmann, Monate
nach der Gala, eine Zahlungsanweisung ausstellen und bat „überfallartig“,
wie es der Vorsitzende Richter sagte, den Vorstandskollegen Heidkamp darum,
ebenfalls zu unterschreiben. Solche Beträge benötigen immer zwei
Unterschriften. Heidkamp will sich versichert haben, dass die Spende nun
klar gehe, Brückmann bejahte.
„Auf Teufel komm raus“ und „gegen alle Widerstände“ habe Brückmann da…
endlich überweisen wollen, sagte der Vorsitzende Richter. Und das nicht, um
mildtätig zu wirken, sondern um sein Gesicht vor den Klitschkos und einem
Freund, der ihn mit den Boxern zusammengebracht hatte, nicht zu verlieren.
## Er reduzierte überbordende Spendenaktivitäten
Besonders schwere Untreue also bei Brückmann, Freispruch für Heidkamp, der
mit dem zweiten Vorwurf nichts zu tun hatte: Brückmanns Sause mit mehreren
Männern des Vereins „Mannheimer Kochschürze“. Gemeinsam ließen sie es si…
in Oldenburg gut gehen, die Rechnung über knapp 12.000 Euro lud Brückmann
der EWE auf.
Das Gericht wertete seinen Erklärungsversuch, den Glanz dieses Vereins auf
Oldenburg abstrahlen zu lassen, als „lebensfremd“. Er habe in die
Unternehmenskasse gegriffen, um sein Privatvergnügen zu finanzieren –
Untreue, ganz klar.
Ein Urteil erledigt alle anderen Versionen. Eine davon kleidete Brückmanns
Strafverteidiger Alfred Dierlamm, Wiesbaden, in sein Plädoyer. Sein Mandant
sei erfolgreich gewesen, 2016 das beste Konzernergebnis der EWE-Geschichte.
Sein Fehler: Er habe einen Kulturwechsel eingeleitet und mit dem „System
Brinker“ – Brückmanns schillerndem Vorgänger – aufgeräumt: Er reduzier…
überbordende und undurchsichtige Spenden- und Sponsoringaktivitäten von 25
auf 12,6 Millionen Euro, strich dem teuren „EWE-Sailingteam“, Werder Bremen
und den Oldenburger Handballerinnen das Geld und – eventuell das denkbar
Schlimmste – einem örtlichen Tennisverein. Brückmann habe auch eine
Dienstwagenrichtlinie eingeführt; Schluss war nun mit Sportwagen nach Gusto
und getunten Autos höchster Preisklassen.
## Man habe ihn „regelrecht bekämpft“
„Wer so agiert, tritt vielen auf die Füße“, sagte Dierlamm. Die
Klitschko-Spende sei gerade recht gekommen, um Brückmann loszuwerden. Man
habe ihn „regelrecht bekämpft“, im Februar 2017 wurde er fristlos
entlassen.
Wie viel aber hätten Aufsichtsrat und auch die Staatsanwaltschaft zuvor
EWE-Chef Brinker durchgehen lassen? Die an Führungskräfte weit unter
Marktwert vermietete Ferienwohnung auf Juist, [1][Schmiergeldzahlungen] an
den Bürgermeister von Eberswalde, Überweisungen an die [2][dubiose
Präventionsagentur Preven]t („Sign“) in Millionenhöhe.
Vielleicht stimmt es, vielleicht störte Brückmann zu sehr ein System, das
so gut funktionierte mit einem Unternehmen, das Landschaftspflege betrieb,
Netzwerke stabil hielt. Der Aufsichtsrat galt lange Zeit als brinkertreu,
man hatte sich so gut eingerichtet – und dann kommt einer aus Mannheim und
macht alles kaputt. Kann sein. Vor Gericht spielte diese Version und das
„System Brinker“ aber keine große Rolle.
Zehn Monate auf Bewährung, 18.000 Euro. Dierlamm kündigte Revision an. Man
werde das Urteil durch den Bundesgerichtshof überprüfen lassen.
4 Apr 2022
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## AUTOREN
Felix Zimmermann
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