# taz.de -- Unentschieden gegen Hertha BSC: Wolfsburg sucht das Gute | |
> Der VfL Wolfsburg kämpft gegen den Abstieg aus der Fußballbundesliga. | |
> Langsam wird es auch für Trainer Florian Kohfeldt eng. | |
Bild: Trainer beim VfL Wolfsburg: Florian Kohfeldt | |
WOLFSBURG taz | Ein naheliegender Kerngedanke des Fußballs besteht darin, | |
dass der [1][Trainer schuld am Misserfolg] ist. Da ist was dran, aber es | |
ist auch oft weniger Gedanke als vielmehr Reflex oder schlicht Mangel an | |
alternativen Erklärungen. Im Falle des Wolfsburger Cheftrainers Florian | |
Kohfeldt, 39, drängt sich manchen zunehmend diese Erklärung auf, aber genau | |
weiß man es halt doch nicht. Jedenfalls ist das 0:0 gegen Hertha BSC Berlin | |
vom vergangenen Wochenende der erste Punkt nach acht | |
Pflichtspiel-Niederlagen, davon sechs in Folge in der Bundesliga. | |
Der VfL, gerade noch stolzer Champions-League-Teilnehmer, spielt gegen den | |
Abstieg, und je stärker man betont, dass so ein hochqualifizierter Kader | |
mit einem Abstieg nichts zu tun haben dürfte, desto wahrscheinlicher wird | |
er. | |
Die [2][Wolfsburger] haderten mit einem nicht gegebenen Strafstoß, die | |
Herthaner mit einem zurückgepfiffenen Kopfballtor, aber in der Summe hätte | |
der VfL das Spiel gegen die über weite Strecken noch mauere Hertha gewinnen | |
müssen. Wenn er seine Großchancen genutzt hätte. | |
Das betrifft speziell Luca Waldschmidt. Der von Benfica Lissabon gekommene | |
Flügelstürmer gilt als hoch veranlagt, war zwischenzeitlich auch mal | |
Nationalspieler, kommt aber beim VfL bisher nicht in Tritt. „Zwei bis drei | |
extremst klare Torchancen“, zählte Kohfeldt, „mit der Tendenz zu drei.“ | |
## Trommel sorgt für Atmosphäre | |
Immerhin spielte der VfL mit ein paar gelungenen Kombinationen, meist über | |
den linken Bahnenspieler Jérôme Roussillon, diese Chancen überhaupt heraus. | |
Das war zuletzt gar nicht mehr der Fall. Vom „dominanten Tempo- und | |
Kombinationsfußball“, den Kohfeldt anstrebt, kann man aber beim besten | |
Willen nicht sprechen. | |
Ein gern gemachter Scherz auf Kosten der Arbeiterinnen und Arbeiter von | |
Wolfsburg besagt, dass die fehlende Stadionatmosphäre hier keiner | |
pandemische Vorschrift geschuldet sei, sondern Normalzustand. Das ist üble | |
Nachrede und der dahinter stehende Vorwurf, es fehlten die Massen „wahrer“ | |
[3][Fans], ignoriert die Realität: Dass es einfach eine Vielfalt | |
unterschiedlicher Fußball- und Fankulturen gibt und nicht eine genetisch | |
oder kulturell determinierte Fußballfanidentität. | |
Mit 500 Leuten war es jedenfalls auch in der VW-Arena ein ganz anderes | |
Erlebnis, bei dem eine große Trommel auf der Gegengerade und die von ihr | |
erzeugten Halle den Rhythmus vorgaben. Wenn Kohfeldt in seiner | |
Coaching-Zone rumtigerte und dabei Anweisungen rief, dann hörten ihn die | |
Spieler wirklich; alle im Stadion hörten ihn. Es nutzte nur nichts. | |
Wie steht es nun also um den VfL? Nicht gut. Nach 2009 und 2015 könnte nach | |
einer mehrjährigen Aufbauphase direkt nach dem großen Erfolg alles wieder | |
zusammenfallen. Im Sommer noch schien es, als greifte langsam ein Rädchen | |
ins andere, hätte man endlich den zuvor fehlenden Speed im Team, die | |
Balance zwischen Offensive und Defensive und dank Transferinvestition von | |
50 Millionen Euro den notwendigen tiefen Kader für mehrere Wettbewerbe. | |
## Abstiegsreifer Punkteschnitt | |
Das Neue sollte – neben dem Liga-Standard Umschaltspiel – die zusätzliche | |
Variante Ballbesitzfußball sein, mit dem man gegen formierte Defensiven | |
Chancen herausspielen kann, ohne selbst in Konter zu laufen. Es ist die | |
Königsdisziplin des modernen Fußballs. Damit hat man sich, zumindest bis | |
auf Weiteres verhoben. | |
Wie immer kommt vieles zusammen und potenzieren sich die Kollateralschäden | |
von Misserfolg, aber vielleicht macht der langfristige Ausfall von Xaver | |
Schlager wirklich einen beträchtlichen Unterschied, weil der | |
österreichische Sechser in beide Richtungen der Schlüsselspieler ist. | |
Den richtigen Trainer zu erwischen, ist bei aller Sorgfalt immer auch | |
Glücksache. Und irgendwann ist auch der Richtige nicht mehr der Richtige. | |
Es sei denn, man hat Christian Streich. | |
Aber nachdem Geschäftsführer Jörg Schmadtke mit Mark van Bommel als | |
Nachfolger des supererfolgreichen Oliver Glasner auch aus eigener Sicht | |
schwer daneben lag, würde es sich für den Chef nicht gut machen, wenn er | |
mit einer Entlassung des erst Ende Oktober verpflichteten Kohfeldt | |
offiziell machen müsste, erneut daneben zu liegen. | |
Der Punkteschnitt des Neuen ist bisher abstiegsreif, aber man muss jetzt | |
das Gute sehen. Der Punkt vom Wochenende, sagt Teammanager Marcel Schäfer, | |
sei „ein winzig kleiner Schritt in die richtige Richtung“. Wie man in so | |
einer Lage immer sagt, kann Florian Kohfeldt die Bälle ja nicht selbst | |
reinschießen, die Waldschmidt und Weghorst hätten reinmachen müssen. Aber | |
eines Tages ist ein Trainer auch daran schuld. | |
16 Jan 2022 | |
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## AUTOREN | |
Peter Unfried | |
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