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# taz.de -- Vorschau auf das Sportjahr 2022: Peking, Katar und der VfL Vichttal
> Mit Glückskeksen in China und einem genesenen Impfling geht es in das
> neue Jahr. Das endet mit einer mörderischen Fußball-WM bei Glühwein.
Bild: Gut verpackte gute Laune: Maskottchen der Winterspiele in Peking warten a…
München, 10. Januar. [1][Spritzenskeptiker Joshua Kimmich] vom FC Mir san
Covid gilt nach seiner Infektion als genesen und ist auch wieder gesund.
Deshalb lässt er sich nun zusatzimpfen. „Ich war mir lange unsicher über
die Langzeitfolgen ständiger Quarantänen und Krankheitssymptome“, sagt er
entschieden. Der Impfausweis sehe „richtig gut aus“ und sei, beteuert
Kimmich durchaus glaubwürdig, „sogar untadelig echt“.
München/Berlin, 17. Januar. Immer noch kämpft Kimmich mit Nebenwirkungen
des Nadelgangs. Die Virologin Melanie Brinkmann aus dem ExpertInnenrat der
Bundesregierung erklärt, über Impfungen so schnell nach einer Infektion
(„Bayrisch Blitzboostern“) gebe es „noch keine Langzeitstudien“.
Peking, 4. Februar. Black Friday: Das traditionsreiche Wintersportreich der
Mitte bittet zu den Olympischen Spielen. „Beglückt wie ein chinesischer
Glückskeks“ begrüßt Staatspräsident [2][Xi Jinping] im Nationalstadion,
ehemals Vogelnest, „die ruhmreichen Sportler aus vielen Ländern“.
Ausdrücklich erwähnt er auch Staatengebilde wie Tonga, Klinggonia,
Neutral-Moresnet und Transnistrien, „die dieses Mal keine Athleten
geschickt haben, aber reinen Herzens im Geiste bei uns sind“. Dann bittet
er beseelt in die volkseigenen Kunstschneewelten und Eispaläste. Einzig im
Weltsport Curling finden an allen 19 Tagen Wettkämpfe statt.
Tokio, 5. Februar. Die japanische Regierung bestellt Chinas Botschafter ein
und protestiert gegen Xis Eröffnungsrede. „Glückskekse sind nachweislich
japanischen Ursprungs. Wir erwarten eine Richtigstellung.“ Xi will sich
indes die „Herkunft für Glücksgefühle nicht vorschreiben lassen“. Der
Botschafter wird abberufen.
Peking, 8. Februar. Bei der letzten Übertragung vor seiner Pensionierung
gibt ARD-Reporter Peter Grube alles. Und durch den Hundertstelsekunden-Sieg
von Rennrodlerin Natalie Geisenberger reicht es tatsächlich zu
Sprecher-Gold: „Damit habe ich einen neuen Weltrekord für die meisten
Live-Übertragungen von Siegen deutscher Olympioniken aufgestellt.“
Peking, 9. Februar. Eispisten-Veteranin Claudia Pechstein, 49, bringt bei
ihrer 8. Olympiateilnahme beide Schlittschuhe erfolgreich ins Ziel. „Jetzt
will ich 2026 nach Mailand“, sagt sie euphorisiert im Sauerstoffzelt, „das
wäre Weltrekord. Und 2030 würde mich für die 10. Teilnahme Katar reizen.“
Bremen, 1. März. Markus Anfang, früher [3][Fußballtrainer und
Impfpassinhaber], schult um. Bei Bild TV („Wir resozialisieren nachhaltig“)
analysiert er ab sofort statt Querpässen Querdenker und Inzidenzdynamiken
im kriminellen Milieu. „Der Mann weiß, wovon er spricht“, lobt
Springer-Chef Mathias Döpfner.
Hamilton, 17. März. Neuseeland bittet zur Frauen-Weltmeisterschaft im
Cricket, einem vorbildlich kontaktarmen Sport. Das heutige Spiel der Kiwis
gegen Südafrika fällt allerdings aus: „Unsere Gäste weilen leider noch beim
Indoor-Cricket im Quarantänehotel mit slow-mo steps statt runs“, so die
mitfühlende Premier Jacinda Ardern. „Sorry, walkbox.“
Istanbul, 28. März. Portugal oder Italien – wer der beiden Fußballriesen
verpasst die WM? Die Frage beantwortet die zweifach siegreiche Türkei:
beide. Staatspräsident Erdoğan ernennt Trainer Stefan Kuntz daraufhin zum
1. noblen Gazisultan, zum Neoosmanen des Jahres sowie zum
Halbmond-Kickereikalifen h.c. und spricht von „Seelenglück im Herzen des
großen türkischen Volkes so tief wie die Wässer des Bosporus“. Kuntz
wundert sich: „Das hier ist ja die Steigerung von Betzenberg.“
Augusta, 7. April. Bernhard Langer, 64, wird bei seiner 39. Teilnahme am
Golf Masters wegen massiver Rückenprobleme in einem Krankenwagen zum 1.
Abschlag gefahren. „Bücken ist die Hölle“, sagt der malade Mann. Spielen
kann er allein, die Bälle muss sein Caddie aus dem Loch holen. „Im November
beim Champions-Turnier kam ich auch nicht runter, habe aber den Cup
gewonnen.“ Die Huldigungen für seinen starken Platz 29 nimmt er lächelnd im
Rollstuhl entgegen.
Oslo, 18. Mai. BVB-Tornado Erling Haaland, 2021 als lautstarker
Spontaninterpret der Champions-League-Hymne auf dem Rasen auffällig
geworden, geht ins Tonstudio. Zehn Tage vor dem Endspiel singt er das Lied
ein – mit dem „Royal Norwegian Chambre Orchestra on the Fields“ und den
Fantastischen 4. Die bombastische HipHop-Nummer geht weltweit viral. Die
Uefa will ihre altbackene Kitschversion allerdings nicht ersetzen.
St. Petersburg, 28. Mai.Beim Finale übertönen die Fans von Liverpool und
Chelsea („Reclaim the music“) die Lautsprecher-Version der Hymne
minutenlang. Heldentenor Haaland schmettert auf der Tribüne lauthals mit
und nimmt hernach alle Ovationen mit tiefen Verbeugungen entgegen. Haaland
hatte erklärt, er wolle beim Sieger der heutigen Partie unterschreiben.
Entsprechend wüst geht es zur Sache – mit vier roten Karten, zwei
feldverwiesenen deutschen Trainern und zahlreichen Verletzten. Das Match
geht als „Erling-Schlacht“ in die Geschichtsbücher ein.
Saipan, 17. Juni. Mit SportlerInnen aus 24 Nationen, etwa Samoa, Palau und
Kiribati, beginnen auf den Nördlichen Marianen die 11. Pacific Mini Games.
Die Disziplinen reichen von Baseball über Gewichtheben (für die
traditionell sehr stark gebauten AthletInnen der Region) bis zu Va’a, dem
30-Kilometer-Rennen in hochseetauglichen Auslegerkanus. Überlegen wie stets
gewinnt Hawaii, das Bayern München des Va’a-Sports. Den ewigen
Medaillenspiegel führt Neukaledonien an mit 47 Gold-Triumphen.
Wimbledon, 9. Juli. Endlich schafft Serena Williams, 40, ihren 24. Sieg in
einem Grand-Slam-Turnier, egalisiert damit den Weltrekord von Margaret
Court und beendet noch auf dem Rasenteppich ihre Karriere: „Ich bin am Ende
einer langen Reise.“ Novak Djokovic scheitert am nächsten Tag bei seinem
Rekordversuch an Stefanos Tsitsipas und beendet seine Reise nicht. Mit je
20 Grand Slams bleibt das 111-jährige Betagten-Trio Novak Djokovic, Rafael
Nadal und Roger Federer einträchtig an der Spitze.
Hamburg, 15. Juli. Früh wie selten beginnt die 2. Fußballliga. Zum Auftakt
empfängt der langjährige Tabellenvierte HSV den Big City Zweitligaklub
Hertha BSC zum „Duell der aussterbenden Dinos“, so die prähistorisch
versierte Kicker-Prosa. Beim Bundesligastart am 7. August spielt St. Pauli
gegen den Meister der 17, Borussia Dortmund.
Aachen, 11. August. Alemannia Aachen, neulich noch Bundesligist und
Europapokal-Teilnehmer, ist gut in seine erste Fünftligasaison gestartet.
Die Region ist elektrisiert: Große Derbys stehen an mit dem SV 1914
Eilendorf, dem VfL Vichttal und dem SV Breinig Breinigerberg.
Tivoli-Sprecher Robert Moonen, 76, freut sich zu seinem 50-jährigen
Rekordjubiläum am Mikrofon „auf den Clash mit Borussia Freialdenhoven“.
Doha, 21. November. Die „erste Fußball-WM auf Massengräbern“ (New York
Times) beginnt. [4][Sanft ruhen die Menschenrechte], während laut über sie
gesprochen wird.
Zürich, 11. Dezember. Die angeblich so langsame Schweiz ist der Zeit immer
weiter voraus. Der Zürcher Silvesterlauf startet noch früher als sonst.
Veranstalterin Ava Öhrlishauser-Tellin wundert sich über die allgemeine
Verwunderung: „Das Münchner Oktoberfest ist doch auch immer im September.“
Als Ziellimit ist der 31. 12., Mitternacht angegeben. „So können wir auch
Lauflustige ohne Termindruck zur Teilnahme animieren.“
Doha, 18. Dezember. Bei der katarischen PR-Wüstenshow gibt es weniger
Hitzeopfer als befürchtet, auch unter zugedröhnten EngländerInnen durch
illegal importierte Alkoholgifte. Sogar die Zahl der verschollenen Fans in
den Weiten um Umm Lebrak und Al Shelaibdeenat ist überschaubar. „Vorher gab
es viel Kritik, aber jetzt stehen zwei Teams im Adventsfinale“, schreibt
die Fifa stolz. Eine Elf kann sogar gewinnen und in der Heimat
schwarz-gelb-rote Verzückung auslösen. Umgehend versanden die Debatten über
Menschenrechte wie auch die Stadien.
Doha/Berlin, 20. Dezember. Und die Fernsehquoten? „Einzelne Menschen haben
tatsächlich weniger geguckt als 2018“, sagt eine Sprecherin der
Landesmedienanstalten, „offenbar eine Folge der Kampagne ‚boycott-qatar‘ …
Näherliegend scheint der Rückgang an den menschenleeren WM-Grühwein-Events
im Schneesturm zu liegen und dem schwach besuchten Cold Air Rudelgucken,
vor allem nach dem Aus der deutschen Elf, diesmal sogar erst im
Achtelfinale.
Berlin, 31. Dezember. Die taz-Jahresvorschau 2023 erscheint und strebt eine
ähnlich hohe Trefferquote wie 2022 an. Angekündigt wird die Inhaftierung
von Ringefürst Thomas Bach und Fifa-Grande Gianni Infantino, wegen
„fortgesetzter korruptiver Üblichkeiten“. Per Eil-Verfügung versuchen die
beiden Ehrenmänner eine weitere Verbreitung zu verhindern: „Diese
rechtswidrigen Attacken auf die wohltätige Funktionärselite müssen wir der
Welt ersparen“, heißt es offiziell. Danach fallen sich die beiden nach
sicheren taz-Informationen weinend in die Arme: „Dieses undankbare
Menschengeschlecht will nicht verstehen, mit wie viel Herzblutströmen wir
uns für das geschmeidige Dasein der Leibesübungen auf unserem Planeten
aufopfern.“
30 Dec 2021
## LINKS
[1] /Nach-ueberstandener-Corona-Infektion/!5819080
[2] /Politische-Macht-in-China/!5813372
[3] /Corona-und-die-Fussballer-Bubble/!5814180
[4] /Menschenrechte-im-WM-Land/!5814345
## AUTOREN
Bernd Müllender
## TAGS
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Fußball-WM 2022
Claudia Pechstein
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FC Bayern München
Kolumne Press-Schlag
Fußball-WM 2022
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