# taz.de -- taz.berlin-Adventskalender (12): Frankierte Liebe | |
> Es gibt diese Grummelspätiverkäufer, die sich kaum ein Wort entlocken | |
> lassen – und dann gibt es noch diese ganz anderen. | |
Bild: Muss ja nicht immer alles digital sein, schon gar nicht im Advent | |
Vorweihnachtshektik, unter coronabedingten Masken noch anonymer, | |
Begegnungen finden in Eile und mit Sicherheitsabstand statt. Und dann | |
öffnet sich plötzlich doch manchmal eine Tür: eine freundliche Geste, eine | |
Hilfeleistung, ein Gespräch. Die taz.berlin berichtet in ihrem | |
[1][Adventskalender 2021] von solchen Türchen, die die Anonymität einen | |
Moment vergessen lassen. | |
Jaja, 2021 können Briefe auch mit einem handgeschriebenen Code frankiert | |
und per paypal bezahlt werden, und ab damit in den Briefkasten. Aber Briefe | |
zur Post zu bringen hat immer etwas Erwachsenes, so wie Blusen zur | |
Reinigung bringen. | |
Da ich keine Blusen besitze und somit auch keine Stammreinigung, bringe ich | |
eben Briefe zur Post. Oder besser: zum Späti an der Ecke. Lieber dorthin | |
als zur Post, wo die Filialen doch immer heillos überlaufen sind in diesen | |
Zeiten, weil Pakete mit Keksen und Kuchen für die Adventszeit, so stelle | |
ich mir das zumindest vor, hin-und hergeschickt werden und zu langen | |
Schlangen führen. | |
Ich laufe also zum Späti an der Ecke, eine ältere Dame aus der | |
Nachbarschaft plaudert gerade mit dem Verkäufer, junger Kerl, ganz in | |
schwarz, mit einem adretten Vollbart, über Gott und die Welt. Eine Weile | |
warte ich und höre zu und finde es ganz entzückend, wie sich dieser | |
Smalltalk entwickelt. Sie fischt nach Komplimenten (ich bin doch schon sooo | |
alt), er antwortet mit sehr charmantem Abwiegeln und verabschiedet sie | |
überschwänglich. Jetzt bin ich dran. | |
Es soll ja diese Grummelspätiverkäufer geben, die sich kaum ein Wort | |
entlocken lassen, mit dem Kinn auf die Briefe zeigen und mit einer | |
Augenbraue wortlos grüßen. Mehr brauchen sie vielleicht auch nicht, wäre | |
also nachvollziehbar. Und dann gibt es diesen seltenen Typus | |
Spätimitarbeiter, der einfach warm vor sich hinleuchten kann, Komplimente | |
und Zeit und Wärme verteilt, an diejenigen, die sie brauchen. Nämlich auch | |
an mich. | |
## Vor Aufregung Schluckauf | |
Und das kommt so: Ich lege ihm die Briefe auf die Theke und krame nach | |
Kleingeld. Shit, mir fehlen 30 Cent. Ich kriege vor Aufregung Schluckauf, | |
keine Ahnung, warum. Warten Sie, sage ich, ich renn schnell zur Bank, dann | |
kriegen Sie Ihr Geld. Ich wette, dass er in diesem Moment innerlich mit den | |
Augen rollt, während ich solche Almandinge sage. Ich bin ja auch nicht | |
pingelig, wenn mir andere Pfennigbeträge schulden. | |
„Abla“, sagt er, „alles gut, kannst Du mir doch irgendwann geben.“ Ich … | |
ihm erleichtert und auch ein wenig gerührt die Münzen auf den Tresen und | |
verspreche, dass ich ihm das Geld bringe. „Brauchst Du nicht, alles gut.“ | |
Alles gut? Alles gut. | |
12 Dec 2021 | |
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## AUTOREN | |
Ebru Tasdemir | |
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