| # taz.de -- taz.berlin-Adventskalender (17): Schlagabtausch im Späti | |
| > Hach, Berlin: Spätiverkäufer, die kein Geld für Getränke nehmen. Einfach | |
| > so. | |
| Bild: Unverhofft kommt oft: Plötzlich wird einem im Späti Cider geschenkt | |
| Vorweihnachtshektik, unter coronabedingten Masken noch anonymer, | |
| Begegnungen finden in Eile und mit Sicherheitsabstand statt. Und dann | |
| öffnet sich plötzlich doch manchmal eine Tür: eine freundliche Geste, eine | |
| Hilfeleistung, ein Gespräch. Die taz.berlin berichtet in ihrem | |
| Adventskalender 2021 von solchen Türchen, die die Anonymität einen Moment | |
| vergessen lassen. | |
| Vor einer Woche verabredete ich mich mit einem Freund, der am Boxhagener | |
| Platz in Friedrichshain wohnt. Ich sollte ihn für einen Spaziergang von zu | |
| Hause abholen. Wegen des Schienenersatzverkehrs war ich spät dran. Mit | |
| leeren Händen aufzukreuzen war aber keine Option. Daher wollte ich | |
| zumindest ein Getränk mitbringen. [1][Ein Bier mildert schließlich jede | |
| Verärgerung ab.] | |
| Ich ging in einen Späti und stolperte in eine Runde von drei Männern, die | |
| mich perplex anschauten, als wäre ich in eine geheime Besprechung | |
| hineingeplatzt. „Habt ihr schon auf?“, war mein unbeholfener Code für | |
| „Störe ich?“ oder „Sollte ich nicht hier sein?“ – „Tut mir leid, w… | |
| noch nicht auf“, sagte einer der Männer. Der andere pflichtete bei: „Du | |
| bist ein wenig früh dran.“ Ich bedankte mich und rauschte wieder ab, als | |
| sie mich vor der Tür wieder hereinwinkten mit den Worten: „Ach, weißt du | |
| was, für dich machen wir jetzt auf. Komm wieder rein!“ Als ich vor dem | |
| Kühlschrank stand, sagte einer: „Weißt du, du bist der erste Kunde heute. | |
| Du bringst Glück. Nimm dir mit, was du willst, wir schenken dir das.“ | |
| Ich war mir nicht sicher, ob sie scherzten. Sein Gegenüber ergänzte: | |
| [2][„In unserer Kultur] bestimmt der erste Kunde, wie der Rest des Tages | |
| laufen wird. Also konnten wir dich nicht wegschicken, das hätte für uns | |
| auch Unglück gebracht.“ Mich überkam ein kurzer Impuls, gleich eine ganze | |
| Flasche Wodka mitzunehmen, wenn ich diese freundlichen Herren gerade in | |
| dieser spendablen Laune antraf. Stattdessen zog ich zwei Flaschen Cider aus | |
| dem Kühlschrank, die preislich nicht ausgeschildert waren, und hielt den | |
| Herren beharrlich einen 5-Euro-Schein hin. Alle schüttelten den Kopf: | |
| „Nein, nein, wirklich, wir schenken dir das, nimm mit.“ | |
| Zwei Aufbäumversuche meinerseits und einen Schlagabtausch später weigerten | |
| sie sich immer noch, mein Geld anzunehmen. Die Zeit drängte, also gab ich | |
| mich geschlagen und zog dankend von dannen. Der Freund zeigte nicht die | |
| geringste Spur von Verärgerung. Und der Cider schmeckte durch diese kleine | |
| warme Geste noch süßer als ohnehin schon. | |
| 17 Dec 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Bao-My Nguyen | |
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