Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Heikles Duell bei Schach-WM: Gegen den Helfer
> Bei der Schach-WM trifft Favorit Magnus Carlsen auf einen unberechenbaren
> Gegner. Remis-Schlachten sind gegen Jan Nepomnjaschtschi nicht zu
> erwarten.
Bild: Mit Lorbeeren in Kranzform geschmückt: Jan Nepomnjaschtschi fordert Welt…
Für Fußball findet Magnus Carlsen immer Zeit: Sei es zur eigenen
körperlichen Ertüchtigung vor der anstehenden Schach-Weltmeisterschaft, die
am Freitag mit dem ersten Zug in Dubai beginnt, oder zum Zuschauen. Am
Rande des Champions-League-Spiels zwischen Borussia Dortmund und Ajax
Amsterdam traf der begeisterte Fußballfan Erling Haaland. Der verletzte
Stürmerstar des BVB überreichte seinem norwegischen Landsmann ein
schwarz-gelbes Trikot mit dessen Namenszug Carlsen und der Nummer 09
darauf. Das Foto postete Carlsen, der ein Wikinger-Schach als Präsent
mitbrachte, noch in der Nacht bei Twitter.
Seit mehr als zehn Jahren führt Carlsen ununterbrochen die Weltrangliste
an, sorgte für Weltrekorde mit seiner Elo-Ratingzahl und blieb vor Corona
in 125 Partien ungeschlagen! Nun will ihn ein Russe vom Thron stoßen, der
ihm ausgerechnet 2013 als Sekundant half, diesen zu besteigen. Obwohl
[1][Jan Nepomnjaschtschi] keine so strahlende Vita wie der Weltmeister
vorweisen kann und „nur“ Platz fünf in der Weltrangliste einnimmt, trauen
ihm viele Experten den Sieg während der Expo in Dubai zu.
„Nepo“, wie alle den Zungenbrecher-Namen abkürzen, gewann nicht nur
überzeugend im März das Kandidatenturnier mit 8,5:5,5 Punkten vor dem
Franzosen Maxime Vachier-Lagrave (8:6). Der neue Herausforderer ist vor
allem der einzige Großmeister in der Weltspitze, der in klassischen
Turnierpartien eine positive Bilanz gegen Carlsen aufweist! Der 31-Jährige
profitierte noch mehr als Carlsen von der Zusammenarbeit vor acht Jahren.
So schlug er den nahezu gleichaltrigen Kontrahenten gleich viermal in elf
Partien! Nur eine konnte der Weltmeister für sich entscheiden, sechs
endeten Remis.
Nachdem sich die beiden letzten Weltmeisterschaften 2016 und 2018 als
farblose Remis-Orgien entpuppten, ehe sich Carlsen sowohl gegen Sergej
Karjakin (Russland) als auch Fabiano Caruana (USA) im Tiebreak auf seine
Schnellschach-Künste verlassen konnte, erhöhte der Schach-Weltverband Fide
die Zahl der Partien von 12 auf 14, um die Risikobereitschaft zu erhöhen.
Für den Weltranglistensiebten Alexander Gritschuk macht dies „keinen großen
Unterschied“. Im Ringen um die 1,2 Millionen Dollar Preisgeld für den
Sieger erwartet der Russe jedoch einen „offenen Kampf mit Carlsen als
leichtem Favoriten“. Sein Landsmann sei aber ein „unangenehmer Gegner für
Carlsen“.
## Verwirrendes Spiel
Der größte Trumpf von Nepomnjaschtschi ist seine Partieanlage. Sein Spiel
wirkt nicht so kristallklar wie jenes von Carlsen, eher ist es manchmal so
verwirrend wie sein Nachname für westliche Zungen. Weil der Weltmeister
nicht alles so präzise vorausberechnen kann wie sonst, glaubt er, dass es
im Dubai Exhibition Centre mehr „ein Auf und Ab gibt als eine ausremisierte
Schlacht wie die zwei letzten Weltmeisterschaften. Das ist meine Hoffnung
und mein Glauben“, [2][sagte Carlsen gegenüber der Spiele-Plattform
Chess24.com, an der er über seine Firma Play Magnus beteiligt ist.]
Entsprechend akribisch bereitete sich der Norweger im Trainingslager im
spanischen Cadiz vor. „Die Eröffnungstheorie und seine körperliche Fitness�…
standen dabei wie immer im Mittelpunkt, erzählte Carlsen. An seiner Physis
arbeitete auch sein Angstgegner. Der einst etwas pummelig wirkende „Nepo“
nahm „an die zehn Kilogramm“ ab, gestand er im Interview mit dem russischen
Match TV, obwohl die früheren sowjetischen Weltmeister „Tigran Petrosjan
und Boris Spasski einst empfahlen, vor schweren Zweikämpfen etwas an
Gewicht zuzulegen“.
Nervennahrung auf den Rippen braucht der Enkel eines bekannten Lyrikers aus
der 380 Kilometer von Moskau entfernten Großstadt Brjansk jedoch keine.
Seine Nervosität lege sich stets nach den ersten Zügen auf dem Brett,
betonte der Großmeister ungeachtet des Blicks auf sein bisher größtes
Preisgeld. Der Gesamtpreisfonds von 2 Millionen Dollar lockt
Nepomnjaschtschi weit weniger als der Titel: „Auch wenn das viel Geld ist,
zählt das Endresultat mehr!“
Ungeachtet aller sportlichen Rivalität hätte Carlsen sicher nichts dagegen,
wenn sich ein Wunsch seines ehemaligen Helfers erfüllt: Welchen
Prominenten, die in Dubai die Partien mit dem ersten Zug eröffnen, würde
sich Nepomnjaschtschi besonders wünschen? „Messi“, sagte der Russe und
dürfte darüber mit dem Norweger trotz Haaland einig sein.
26 Nov 2021
## LINKS
[1] /Schach-in-der-Coronapandemie/!5761085
[2] /Niederlage-fuer-Schach-Genie/!5720536
## AUTOREN
Hartmut Metz
## TAGS
Schach-WM
Magnus Carlsen
Norwegen
Kolumne Russisch Brot
Schach-WM
Schach-WM
Schach
Kolumne Erste Frauen
Schach
## ARTIKEL ZUM THEMA
Sport als Propagandavehikel in Russland: Politische Schachzüge
Großmeister Sergei Karjakin ist ein wichtiger Propagandist für die
russische Kriegserzählung. Dabei setzt er immer auch seine Biografie ein.
Schach-WM in Dubai: Nerven gegen Nerven
Weltmeister Magnus Carlsen verteidigt seinen Titel gegen Jan
Nepomnjaschtschi vorzeitig. Der Herausforderer scheitert an eigenen
Patzern.
Carlsen vor Schach-WM-Titelverteidigung: Verpatzter Bauernraub
Titelverteidiger Magnus Carlsen hat nach zwei Siegen beste Chancen auf den
Schach-WM-Titel. Jan Nepomnjaschtschi muss ins Risiko gehen.
Schachspielerin Pähtz im Männerzirkel: Großmeisterin wird Großmeister
Elisabeth Pähtz darf sich als erste deutsche Frau Schachgroßmeister nennen.
Weltweit haben das nur 40 Frauen geschafft.
Die erste Schachweltmeisterin: Meisterin im stillen Spiel
Die siebenmalige russische Schachweltmeisterin Vera Menchik siegte auch
gegen den Spott der Männer. Talent hatte sie noch für vieles andere.
Niederlage für Schach-Genie: Bär am Brett, Bulle an der Börse
Nach sagenhaften 125 Partien ohne Niederlage verliert Schachweltmeister
Magnus Carlsen gleich zwei Mal. An der Börse ist er erfolgreicher.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.