| # taz.de -- Chefredakteurin über Transformation: „Ich möchte, dass die taz … | |
| > Chefredakteurin Ulrike Winkelmann spricht über die neue Wochenzeitung, | |
| > Kinderkrankheiten der App und die früher vollgequalmte Redaktion in | |
| > Hamburg. | |
| Bild: „Manchmal ein bisschen flau“: Ulrike Winkelmann, Chefredakteurin der … | |
| taz: Ulrike, wie geht es der taz? | |
| Ulrike Winkelmann: Der taz geht es gut. Wie viele andere Medien profitieren | |
| wir davon, dass die Leute durch die Coronakrise einfach mehr wissen und | |
| mehr lesen wollen. Die taz findet Zuspruch auf den digitalen Kanälen, | |
| insbesondere [1][die taz im Netz läuft gut]. Und wir gewinnen Genossinnen | |
| und Genossen dazu. | |
| Und wohin geht die taz? | |
| Die taz hat sich auf den Weg gemacht, in einer nicht so fernen Zukunft zwei | |
| digitale Produkte anzubieten und ein gedrucktes. Wir werden aus unserer taz | |
| am Wochenende eine Wochenzeitung machen. Für die werktägliche Orientierung | |
| werden wir kein bedrucktes Papier mehr anbieten, [2][sondern die taz-App]. | |
| Den taz-Gesamtauftritt liefert die [3][aufgemöbelte taz im Netz]. | |
| Und womit geht es los? | |
| [4][Die Wochenzeitung] wird jetzt, ab dem 9. Oktober, erst einmal | |
| politischer werden. Sie bekommt einen dickeren Politikteil, und auch der | |
| Kommentaranteil soll wachsen. Wir verschieben also innerhalb der Ausgabe | |
| die Gewichte. Das entspricht einem Wunsch, den wir vielfach bei unseren | |
| Leser:innen gemessen haben, aber auch in der Redaktion. Und gleichzeitig | |
| wollen wir, dass die Regionalteile ihren super Journalismus für die ganze | |
| Republik machen. | |
| Was bedeutet das? | |
| Die beiden Regionalteile Berlin und Nord werden für das neue Wochenende ein | |
| gemeinsames Regionalbuch erstellen, das „stadtland“ heißen wird und auch in | |
| Ulm, Freiburg und Köln gelesen werden soll. Was unsere Kolleg:innen in | |
| Nord und Berlin anbieten, soll überall genossen werden können. | |
| Das klingt so schön. Dennoch wird es für die Leser:innen im Norden ja | |
| auch weniger originäre regionale Inhalte geben. Was erwartet sie | |
| stattdessen? | |
| Ein neuartiges publizistisches Projekt: Am Wochenende tut sich der | |
| Regionalteil Nord mit dem Regionalteil Berlin zusammen und arbeitet die | |
| Themen heraus, die in den beiden Regionen für brisant und relevant gehalten | |
| werden. Heißt natürlich: Der neue Wochenendteil wird stärker auch auf | |
| überregionale Lesebedürfnisse ausgerichtet sein. | |
| Du hast ja selbst mal bei der taz hamburg angefangen. Inwiefern hat dich | |
| das geprägt? | |
| Die taz Hamburg war, als ich damals einstieg, ein sehr familiärer Betrieb. | |
| Das heißt, als politisch engagierte Studentin, die ich damals war, fand ich | |
| dort Aufnahme von Leuten, die es zuließen, dass ich mich mit meinen | |
| Interessen austobte, und die auch Verständnis dafür hatten, dass es etwas | |
| brauchte, bis ich zwischen Bericht und Kommentar unterscheiden konnte. | |
| Damals wurde noch in der Morgenkonferenz geraucht. Stimmt’ s? | |
| Es wurde, fürchte ich, den ganzen Tag geraucht. Ich glaube, die ganze Bude | |
| war allzeit vollgeschmökert und auch ansonsten, wenn man ehrlich ist, in | |
| keinem guten Zustand. Das machte mir aber überhaupt nichts aus. Viele Leute | |
| beklagten den Zustand der Räumlichkeiten und behaupteten auch, sie schämten | |
| sich, wenn Besuch käme. Ich dachte immer, wenn ich die angeschlagene Tasse | |
| für den Besuch noch mal extra ausspüle, muss das doch gut genug sein. | |
| Was findest du an der Nord-Berichterstattung heute wichtig? | |
| Was der Norden gelernt hat – und das macht er seit 15 Jahren – ist, Themen | |
| so aufzubereiten, dass sie auch Leute ansprechen, die nicht unmittelbar | |
| dort wohnen, von wo berichtet wird. Der Norden hat ja die besondere | |
| Herausforderung, zum Beispiel für Bremen und Hamburg gleichzeitig zu | |
| berichten, obwohl ich mir sagen lassen habe, dass sich Bremer:innen | |
| nicht unbedingt dafür interessieren, was in Hamburg passiert, und | |
| umgekehrt. | |
| Vor allem umgekehrt … | |
| Der Norden aber vermag die Themen so aufzubereiten, dass sie Interesse | |
| trotz solcher heimatlicher Eifersüchteleien wecken. Wenn die taz nord zum | |
| Beispiel über das AKW Emsland berichtet, dessen Existenz ich persönlich | |
| zwischenzeitlich vergessen hatte, dann ist es so aufgeschrieben, dass man | |
| im Norden denkt: Stimmt, das Ding steht da ja auch noch in der Gegend herum | |
| – und es ist gar nicht weit entfernt. | |
| Müssen die Nord-Leser:innen um ihren Regionalteil bangen? | |
| Nein. Die Nord-Leser:innen bekommen jetzt einen überarbeiteten Regionalteil | |
| am Wochenende und einen leicht veränderten regionalen Teil unter der Woche. | |
| Aber wir haben den Produktentwicklungsprozess so aufgesetzt, dass wir mit | |
| dem Norden und mit dem Berlin-Teil weiter in die Zukunft marschieren. | |
| Dennoch fallen ja auch die Lokalseiten in der Woche für Hamburg und Bremen | |
| weg. Was zeigt die taz an diesen Standorten Präsenz? | |
| Was die taz ja auch gelernt hat und was sie offensichtlich enorm gerne | |
| macht, ist, auch andere Kommunikationsformen als den Text zu nutzen. Die | |
| taz hat ihre eigene Stimme entdeckt: Sie macht Talks. Sie macht Podcasts. | |
| Sie bespielt Bühnen – auch im Norden. Die taz ist in der Stadt präsent, sie | |
| lässt sich blicken und hören, überall da, wo Politik und wo Interessantes | |
| passiert. | |
| Was kommt nach der Transformation des Wochenendes? | |
| Im kommenden Jahr wollen wir den Auftritt der taz im Netz auffrischen. Das | |
| ist vor allem auch eine große Programmieraufgabe, mit der wir viele | |
| IT-Fachleute beschäftigen. Denn es betrifft nicht nur die Oberfläche – also | |
| das, was man sieht, wenn man auf die taz im Netz klickt –, sondern auch all | |
| das, was dahinter stattfindet wie die Struktur der Seite. Und wir wollen | |
| die taz- App, die es ja bereits gibt, noch einmal besser machen. Diese | |
| beiden Zukunftsprodukte werden wir neu präsentieren – und dann am | |
| Jahresende einen weiteren Reformschritt fürs Wochenende machen: Dann soll | |
| das Wochenende zu der opulenten Wochenzeitung umgebaut werden, die | |
| gewichtig genug ist, dass sie eine ganze Woche am Kiosk verkauft werden | |
| kann. | |
| Die taz-App soll Nachfolgerin der täglich gedruckten Zeitung werden. Was | |
| soll sie können? | |
| Die App kann schon eine Menge. Sie hat zwar noch ein paar | |
| Kinderkrankheiten, aber die werden unablässig ausgebügelt. Künftig soll die | |
| App zum Beispiel eine Suchfunktion bekommen, über die ich weitere Texte zu | |
| meinem Thema finden kann. | |
| Warum sollten Leser:innen für die App zahlen, wenn die Inhalte im Netz | |
| weitgehend frei verfügbar sind? | |
| Die taz-App und die taz im Netz müssen und werden sich unterscheiden. Die | |
| taz im Netz zeigt das taz-Gesamtprogramm, also auch Verlags-Inhalte, die | |
| Podcasts und so weiter, Texte können sehr schnell ausgetauscht werden. Die | |
| taz-App dagegen bringt das, was die taz-Redaktion innerhalb eines Tages | |
| wichtig findet. Sie bietet den Überblick für einen Tag: Dies wollte die | |
| taz-Redaktion innerhalb von 24 Stunden berichten, analysieren und | |
| kommentieren. | |
| Wie zuvor die Printzeitung? | |
| Genau. Wir glauben, dass die treuen Leserinnen und Leser der gedruckten | |
| Tageszeitung für die taz-App auch gerne Geld bezahlen, weil ihnen die | |
| Orientierung gefällt, die die taz ihnen damit bietet. | |
| Dennoch ist es ja eine riskante Wette, dass die Leser:innen, die die | |
| Zeitung nicht mehr bekommen, alle in die App wechseln. Wird euch | |
| Leitungsmenschen in der taz manchmal ein bisschen mulmig bei der | |
| Vorstellung, wie das ausgeht? | |
| Ich betrachte mit sehr, sehr großem Respekt, was wir da vorhaben. Und ja, | |
| manchmal wird mir auch ein bisschen flau. | |
| Was ist dein persönliches Ziel als Chefredakteurin? | |
| Ich möchte, dass die taz glänzt – auf allen Kanälen. Und ich finde die taz | |
| ist am besten, wenn sie beides schafft: sowohl ganz warm zu sein, ganz | |
| menschlich, aber auch ganz kritisch und kalt analytisch. | |
| 18 Sep 2021 | |
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| Andrea Maestro | |
| Jan Kahlcke | |
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