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# taz.de -- Coronainfektionen in Großbritannien: Zuversicht im Königreich
> Entgegen den Prognosen sinken die Infektionszahlen in Großbritannien
> deutlich. 92 Prozent der Erwachsenen haben Antikörper.
Bild: Schlange vor Londoner Club am „Freedom Day“: Nur wenige feierten am 1…
London taz | „Die Inzidenz geht runter wie Tom Daley, der
Olympiagoldgewinner im Turmspringen,“ behauptet ein BBC-Journalist zum
plötzlichen Fall der Covid-Infektionsraten im Vereinigten Königreich.
Nachdem die Zahl der täglichen Neuinfektionen von weniger als 3.000 im Mai
auf über 30.000 am 7. Juli und 54.675 am 17. Juli hochgeschnellt war, ist
sie seitdem genauso schnell wieder gesunken – auf 24.950 am Montag und
27.734 am Mittwoch, im Wochenvergleich ein signifikantes Minus von 36,1
Prozent. Die Sieben-Tage-Inzidenz ist in zehn Tagen von 490 auf 310
zurückgegangen.
Das widerspricht fast allen Prognosen. Der neue britische
Gesundheitsminister Sajid Javid hatte vor Kurzem erst aufgrund der
Deltavariante 100.000 Neuinfektionen täglich prophezeit, ebenso der
Epidemiologe Neil Ferguson, Chefberater der Regierung, der daher den Plan
der Regierung skeptisch sah, am 19. Juli [1][alle Coronarestriktionen zu
beenden].
So fiel der 19. Juli eher verhalten aus: Man solle weiter vorsichtig sein,
denn wir sind noch nicht aus dem Schlamassel raus, sagte Premier Johnson.
Zwar feierten manche laut in Londons Clubs deren Wiederöffnung, aber den
meisten verdrießten die schlechten Prognosen den lang erwarteten „Freedom
Day“. Und nun tritt das Gegenteil ein: Die Zahlen sinken beständig. Steht
das Vereinigte Königreich vielleicht doch am Ende der Pandemie?
Derartige Überlegungen sind nicht mehr nur unrealistisches Wunschdenken. 92
Prozent aller britischen Erwachsenen haben inzwischen Antikörper gegen
Sars-Cov-2, weil sie entweder [2][zu den 71,1 Prozent gehören, die komplett
durchgeimpft sind], oder zu denen mit erst einer Impfung oder Resistenzen
aufgrund einer vorherigen Infektion.
Die sogenannte Herdenimmunität, mit der eine ganze Bevölkerung gegen
zirkulierende Viren unempfindlich wird, erscheint in greifbarer Nähe.
Dennoch bleiben Wissenschaftler zurückhaltend, denn nach den Öffnungen
erwarteten sie eigentlich ein Ansteigen der Zahlen.
## Sommerferien und EM zeigen Wirkung
Inzwischen posaunt man aus 10 Downing Street wieder mehr Zuversicht. Ab
Montag können vollständig Geimpfte aus den USA und aus EU-Ländern mit
Ausnahme Frankreichs wieder ohne Quarantäneauflagen ins Vereinigte
Königreich einreisen. Benötigt wird dann nur noch ein PCR-Test, der nicht
älter als drei Tage sein darf, und ein weiterer PCR-Test innerhalb von zwei
Tagen nach der Ankunft. Darüber freut sich vor allen die britische
Tourismusbranche.
Hintergrund der sinkenden Zahlen ist nicht nur eine gestiegene kollektive
Immunität. Der Beginn der Sommerferien bedeutet, dass sich das Virus nun
weniger unter Schulkindern und deren Eltern verbreitet, ähnliches gilt auch
an den Universitäten. Ebenfalls wird unter den signifikanten Faktoren das
[3][Ende der Fußball-EM am 11. Juli] genannt. Bis dahin hatten die vollen
Stadien und feiernden Menschenmengen gerade in England, das bis ins
Endspiel gelangt war, stark zur Verbreitung der Viren beigetragen, vor
allem unter jungen Männern. Letztendlich ist auch das Sommerwetter ein
Faktor, weil Leute sich jetzt vor allem unter freiem Himmel treffen.
Hilfreich ist auch, dass viele Menschen weiterhin vorsichtig bleiben,
Masken tragen, ihre Hände waschen und desinfizieren und Distanz halten. In
vielen öffentlichen Verkehrsmitteln, etwa in der Londoner U-Bahn oder
Londoner Bussen, gilt weiterhin Maskenpflicht. Und die Corona-Warn-App, die
Kontaktpersonen von positiv Getesteten alarmiert, hat zuletzt wöchentlich
über eine halbe Million Menschen in die Selbstisolation geschickt.
Das senkt einerseits die Reproduktion des Virus – andererseits hätten wohl
viele die App schlicht abgeschaltet oder würden sich nicht mehr testen, um
sich nicht den Urlaub versauen zu lassen, meint Christl Donellly,
Professorin für statistische Epidemiologie an der Universität Oxford.
Medizinprofessor Paul Hunter von der Universität of East Anglia hielt die
Vorhersagen von 100.000 Infektionen pro Tag ohnehin für völlig übertrieben.
Andere Wissenschaftler*innen glauben, dass die Lage weiter beobachtet
werden müsse und eine Erhöhung durchaus noch möglich sei. „Aber“, wie Ja…
Naismith von der Universität Oxford eingestand, „wir lagen auch vorher
schon mal falsch und können auch in der Zukunft falsch liegen.“
29 Jul 2021
## LINKS
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[3] /Rueckblick-auf-Fussball-EM/!5781120
## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
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