Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Fischhandel Rasmus in Stralsund: Aber hier geht es um Fisch
> Bei seinen Besuchen in Stralsund ist ein Fischgeschäft Fixpunkt für
> unseren Autoren. Daran ändert auch ein Besitzerwechsel nichts. Eine
> Rezension.
Bild: Die zarte, schwere Textur der Filets verrät gleich beim ersten Bissen ho…
Einige Tage verbringe ich im Haus meiner Eltern, welches nicht mein
Elternhaus ist. Es ist neu und fertig, aber dennoch unbewohnt, vier Wochen
wird es noch leer stehen, bis meine Eltern einziehen werden. Das Haus liegt
an der Ostsee, genauer gesagt am Sund, einem flachen Gewässer zwischen dem
Festland und der Insel Rügen, das die Einheimischen nicht als Ostsee
bezeichnen möchten, das aber ein Stückchen weiter nichts anderes als Ostsee
ist.
Meine Tage verlaufen gleichförmig. Ich stehe früh auf, esse Müsli mit
Milch, trinke Kaffee aus einer großen Bodum-Kanne und arbeitete dann am
Laptop. Mittags mache ich Pause von der Arbeit und fahre mit dem Fahrrad
meines Vaters zum Fischhandel Rasmus in der Altstadt, einem weiß gefliesten
Fischgeschäft, von dessen Produkten ich hier berichten möchte. Denn der
Hering von Rasmus schmeckt außergewöhnlich gut. Er ist mein Grund, noch
einige Tage hier zu bleiben.
## Currysild
## Kräutermatjes in Öl
## Matjes Natur
## Original Stralsunder Bismarckhering
## Original Hiddenseer Pfefferlappen
## Scheelehappen
## Stralsunder Gabelrollmöpse
## Zingster Strandräuber
Am liebsten kaufe ich Original Hiddenseer Pfefferlappen oder Original
Stralsunder Bismarckhering. Dessen Qualifizierung als Original beruht laut
Henry Rasmus auf dem Rezept der Stralsunder Fischkonservenfabrik Johann
Wiechmann. Deren Besitzer schickte zur Reichsgründung 1871 ein Fass
eingelegten Hering an Otto von Bismarck und ließ sich später von diesem
handschriftlich erlauben, den Fisch unter seinem Namen zu verkaufen.
Eine wirksam werbende Nachfolgerin Bismarcks fand der Laden in Angela
Merkel, die es sich zur Gewohnheit machte, die lokalen Fischspezialitäten
internationalen Staatsoberhäuptern schenken zu lassen, die sie in ihren
Wahlkreis, den Wahlkreis 15, nach Stralsund einlud. So posierten George W.
Bush und François Hollande an der Seite von Merkel und Rasmus mit einem
Fass voller Heringe vor dem gotischen Rathaus.
Der Fischhandel ist mein Fixpunkt in der mir noch fremden Stadt. Schon
während der Bauphase des Hauses steuerte ich ihn regelmäßig an in der
Straße, die ich als Stralsunder Deli-Meile ausgemacht hatte. Denn nebenan
liegt das Reformhaus und schräg gegenüber ein Weinladen, der auch eine
Auswahl mediterraner Lebensmittel führt.
Rasmus leistet sich anachronistisch knappe Öffnungszeiten und behält diese
sogar bei, seit das Geschäft mitsamt der wiederbelebten Originalrezepte
Anfang des Jahres an einen aufstrebenden Gastro-Unternehmer verkauft wurde,
der es nach seiner Übernahme – so war in der Ostsee-Zeitung zu lesen – ganz
und gar unverändert weiterführen wolle. In der Tat war zunächst das
Einzige, was mich neue Impulse vermuten ließ, eine kleine Schiefertafel auf
der Ladentheke, auf der stand: „Wir sind jetzt auch auf Instagram!
@fischhandelrasmus“.
Die Rezepte scheinen wirklich allesamt unverändert. Erst nach und nach
wurden mir die kleinen Revisionen bewusst, die der Verkauf der Rasmus GmbH
& Co. KG zur Folge hatte: Der Fisch wird statt in Plastik- nun in
Papiertüten verpackt – gut! Darauf findet sich ein gestempeltes Logo,
gesetzt in Times New Roman, einer Schrift, die sowohl das Hochwertige als
auch das Alltägliche des Ladens auf den Punkt zu verbringen vermag – sehr
gut! Das Naming der Fischbrötchen, auch auf einer Schiefertafel notiert,
wurde überarbeitet: Der Otto, Der Klassiker, Von Oma, Scharfer Käpt’n, Lax
de Dill, Scharfer Lax – nicht so gut, aber dennoch akzeptabel.
In Stralsund ist Rasmus nicht konkurrenzlos: Am Hafen gibt es neben der
soliden Fischhalle eine Reihe von Kuttern, die mit unterschiedlichen
Marketingkonzepten auf sich aufmerksam machen. Neben dem beliebten
„Fischkutter Milan“ liegen die professionell wirkenden Schiffe „Flipper �…
das Räucherschiff“, „Free Willy“ und „OCEAN – Der Backfischkönig“…
Ines, Nicole und Enrico Zabel gehören und im Netz gemeinsam unter der URL
www.fischkutter-stralsund24.de auftreten. Ein Stückchen weiter liegt der
„Fischbrötchenkutter Anja“, der durch ein familiäres Auftreten Vertrauen
aufzubauen versucht.
Die Produkte dieser Unternehmungen kann ich, obwohl sie teils respektable
Google-Reviews verzeichnen, nicht uneingeschränkt empfehlen. Die Einlagen
sind nicht selten ideenlos; insbesondere die Brötchen, in denen der Hering
to go serviert wird, sind am Hafen mitunter weich und geschmacklos, ganz im
Gegensatz zu den Muschelbrötchen bei Rasmus, deren Form ich zwar als etwas
over the top empfinde, deren Gewicht und Dichte aber an ostdeutsche
Schrippen erinnern. Eine der wenigen positiven Erinnerungen, die meine
Eltern an die DDR hegen.
Ich könnte an dieser Stelle viel über meine Eltern und die DDR berichten,
über ihre Rückkehr in die alte Heimat oder über meinen Stralsunder Onkel,
der als Matrose auf Frachtschiffen die Häfen von Veracruz und Daressalam
ansteuerte, bis er nach einem Fluchtversuch meiner Mutter von der Stasi zur
Binnenschifffahrt verdonnert wurde.
Aber hier geht es um Fisch. Um perfekt eingelegten Hering in einer
unprätentiösen Atmosphäre, die in Hamburg dem Hype zum Opfer gefallen wäre.
Um die zarte, schwere Textur der Filets, die gleich beim ersten Bissen hohe
Qualität verrät. Um die wunderbaren Farben und den edlen Geruch der
Einlagen. Der Fischhandel Rasmus bekommt von mir 5 von 5 Sternen.
29 May 2021
## AUTOREN
Norman Palm
## TAGS
Räucherfisch
Stralsund
Fische
Russland
Usedom
Fische
## ARTIKEL ZUM THEMA
Veganer Borsch: Was würde Oma dazu sagen?
Unsere Autorin liebt Borsch, die Rote-Bete-Suppe ihrer russischen
Großmutter. Aber schmeckt die auch vegan, ohne Rinderbrühe und Schmand?
Kolumne Aufgeschreckte Couchpotatoes: Fahr mit ans Meer!
Usedom, bürgerlich, gediegen, ganz die Tradition des ehemaligen
Kaiserbades. Inzwischen gibt es auch Industriedesign mit maritimem
Einschlag.
Fischereiwirt übers Räuchern: „Rauch versiegelt den Fisch“
Räuchern ist so einfach wie grillen, sagt der gelernte Fischereiwirt
Michael Wickert. Man braucht nur eine Tonne oder einen Kugelgrill.
Räucherei: Viel Rauch um Fisch
Im Bremerhavener Schaufenster Fischereihafen werden seit dem Zweiten
Weltkrieg Aale geräuchert. Früher in so genannten Altonaer Öfen, heute
elektronisch - eine Delikatesse
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.