Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Protest von Beachvolleyballerinnen: Popos for Future
> Die Veranstalter in Katar wollen sie in einen Ganzkörperanzug zwingen,
> doch Karla Borger und Julia Sude bestehen auf den Bikini.
Bild: Beargwöhntes Outfit: Karla Borger (r.) und Julia Sude im Bikini, ihrer A…
Auch im Beachvolleyball ist alles [1][fein säuberlich geregelt]. Unter
Punkt 4.3 hat der Internationale Volleyball-Verband (FIVB) fesgelegt, dass
Athletinnen und Athleten „Shorts“ und einen „Bathing Suit“, womit wohl …
erster Linie ein Bikini gemeint ist, tragen müssen.
Ein Hemd oder ein Tank-Top sind optional, heißt es im Regelwerk. Man hat
zuerst einmal barfuß zum Wettkampf zu erscheinen und mit einer Nummer (1
und 2; zehn Zentimeter hoch) auf der Hose oder am Oberkörper
beziehungsweise Shirt. Schirmmützen sind erlaubt, und wenn es der erste
Schiedsrichter gestattet, auch Socken, ein langes Shirt für drunter und
lange Trainingshosen. Brillen und Kontaktlinsen gehen auch, aber auf eigene
Gefahr.
Das deutsche Duo Karla Borger und Julia Sude will Anfang März beim
Beachvolleyballturnier in Katar antreten. Dort ist es warm, um nicht zu
sagen heiß; die Spielerinnen waren davon ausgegangen, im Bikini anzutreten.
Aber genau das ist das Problem. Die Veranstalter haben im [2][Vorfeld des
Events] festgelegt, dass Spielerinnen in Shirts und knielangen Hosen
starten sollen statt wie sonst üblich im knappen Teil, das Beine und Bauch
nicht verhüllt.
Borger und Sude verstehen das nicht. Sie pochen sozusagen auf ihr Recht auf
pragmatische Sexiness. Warum sollten sie sich umstellen, wenn ihnen die
neue Kluft das Sporteln schwerer macht? „Wir wollen das nicht mittragen“,
begründen Borger und Sude ihren Startverzicht. „Es geht gar nicht um wenig
anhaben oder nicht. Es geht darum, dass wir in unserer Arbeitskleidung
nicht unsere Arbeit machen können“, sagt Sude. Beachvolleyball sei
„verdammt anstrengend“, erklärt Borger: „Wir passen uns in jedem Land an,
wo wir können. Wir sind dazu auch bereit. Aber du bist da in der Hitze nur
am Triefen.“
## Baggern mit Hijab
Zum ersten Mal spielen Frauen auf diesem Niveau im Wüstenstaat am
Persischen Golf; nach Dubai 2008 findet überhaupt erst zum zweiten Mal ein
Frauenturnier auf der Arabischen Halbinsel statt. Es ist mit 300.000 Dollar
dotiert und dient auch als Olympiaqualifikation, was Borgers und Sudes
Protest eine zusätzliche Note verleiht. Katar ist muslimisch geprägt. Vor
allem Sportlerinnen müssen sich strengen Kleidervorschriften unterwerfen.
Was das im Beachvolleyball bedeutet, konnten Zuschauer beim Olympischen
Turnier in Rio de Janeiro beobachten. Dort trat das [3][ägyptische Duo Nada
Meawad und Doaa Elghobashy] an. Die Nordafrikanerinnen steckten in
Ganzkörperanzügen, die in der Szene der Sandhüpfer ebenso neuartig wie
ungewöhnlich waren. Elghobashy trug auch noch einen Hijab, um ihr Haar zu
bedecken. Die textilen Ausnahmegenehmigungen wurden erst in letzter Minute
vom internationalen Verband gewährt, auf Antrag der Ägypter. Den Hijab
trage sie schon seit zehn Jahren, sagte Elghobashy damals, und er habe sie
nie daran gehindert, Sport zu treiben.
Im Jahr 2012 wurde die Kleiderordnung letzmals neu festgelegt. Man
beschloss, dass Spielerinnen in Zukunft in allen Wettbewerben, also auch
bei Olympia, nicht mehr nur die Wahl zwischen einem einteiligen Badeanzug
und einem Bikini haben, der an den Seiten maximal sieben Zentimeter breit
sein darf, seitdem sind auch Shorts erlaubt, die im längsten Fall drei
Zentimeter über dem Knie enden, sowie Tops mit oder ohne Ärmel.
Es war eine Entscheidung, die beide Seiten bedienen sollte: die Fraktion
der Prüden, die im Beachvolleyball eine fast schon lasterhafte
Zurschaustellung von Popos sehen wollten oder eine Verdinglichung von
schönen Frauenkörpern – und jene Gruppe von Aktiven, die sich schlicht mehr
Flexibilität ausbedungen hatten.
Bei Karla Borgers und Julia Sudes Protest geht es freilich nicht nur um die
Größe von Textilien, es geht auch um die Durchsetzung von persönlichen
Freiheiten in einem Land, das Nicht-Kataris wie Menschen zweiter Klasse
behandelt und sie im Kafala-System in ein Verhältnis sklavischer
Abhängigkeit zwingt. Dass es in Katar um Frauenrechte nach westlichem
Maßstab nicht gut bestellt ist, muss nicht weiter erwähnt werden, weswegen
Sudes und Borgers Bestehen auf dem Bikini als ideales Arbeitsgerät auch als
Akt der Emanzipation zu verstehen ist: mit knackigen Popos und Sixpacks
gegen das Böse auf der Welt.
22 Feb 2021
## LINKS
[1] https://www.fivb.org/EN/Refereeing-Rules/Documents/FIVB-BeachVolleyball_Rul…
[2] https://www.fivb.com/en/media/news_pressrelease/fivb-beach-volleyball-world…
[3] http://www.fivb.org/viewHeadlines.asp?No=64190&Language=en
## AUTOREN
Markus Völker
## TAGS
Beachvolleyball
Katar
Burkini
Nike
Olympische Winterspiele 2022
Beachvolleyball
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
## ARTIKEL ZUM THEMA
Sexismus und die US-Leichtathletik: Das bisschen Höschen
Nike und das Team USA haben die Olympia-Dresses vorgestellt. Und fangen
sich Vorwürfe für diesen „halben Tanga“ ein.
Athletensprecherin Miller über Olympia: „Wir brauchen rote Linien“
Mareike Miller, Vorstandsmitglied vom Verein Athleten Deutschland, erklärt,
was Sportler an den Spielen in China besorgt und was getan werden muss.
Streit um Nominierung im Volleyball: Kein Platz für Willkür
Ihr Verband hat die Beachvolleyballerinnen Kim Behrens und Cinja Tillmann
nicht für Turniere nominiert. Nun haben sie vor Gericht gewonnen.
Beachvolleyballerin über Comeback: „Wieder mehr Energie“
Die Olympiasiegerin Kira Walkenhorst erzählt, wie sie nach langer Pause mit
neuer Partnerin in die Beachvolleyball-Elite zurückkehren will.
Kleiderordnung bei Olympia: Hidschab gegen Bauchansatz
Die olympische Kleiderordnung ist so rigide wie in Saudi-Arabien. Ausnahme:
Beachvolleyball. Da gilt: alles oder nichts.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.