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# taz.de -- College-Football vor Saisonfinale: Chaos vor dem Ende
> Die College-Football-Saison ist ein Superspreader-Event mit geringem
> sportlichem Wert. Nun ist es an der Zeit, die veralteten Strukturen
> abzuschaffen.
Bild: Strittig: Justin Fields und die Ohio State Buckeyes sind trotz weniger Sp…
Schon in gewöhnlichen Jahren ist der College Football ein unübersichtliches
Vergnügen. Ein nicht unbeträchtlicher Teil des Spaßes besteht darin, jeden
Winter aufs Neue zu diskutieren, ob der Prozess, mit dem ermittelt wird,
welche Universität des großen Landes denn die beste Football-Mannschaft
besitzt, gar keinen oder wenigstens ein wenig Sinn ergibt.
Man kann sich vorstellen, dass ein System, das aus einem unübersichtlichen
und überaus fluiden Wirrwarr aus Umfragen und Komitees, reichen regionalen
Ligen und einem schwachen Dachverband, vielen altgedienten Traditionen und
wenigen verlässlichen Regeln besteht, einem anpassungsfähigen und ziemlich
ansteckenden Virus mehr oder weniger hilflos ausgeliefert ist.
Dass nun am Neujahrstag, also an dem Tag, an dem sie auch ursprünglich
geplant waren, die beiden Halbfinalspiele stattfinden sollen, bevor am 11.
Januar in Miami das Endspiel folgt, das darf man getrost als kleines Wunder
bezeichnen – nach einer Saison, in der viele Mannschaften am Freitag oft
nicht wussten, ob sie am Samstag tatsächlich auf dem Feld stehen würden.
Eine Saison, in der geldgierige Funktionäre die sogenannten
Student-Athletes (in der Mehrzahl schwarz) auf einen sonst oft
menschenleeren Campus beorderten, während die sonstige Studentenschaft (in
der Mehrzahl weiß) wegen des Infektionsrisikos lieber vor dem Laptop seine
Vorlesungen verfolgte.
[1][Eine Saison, in der sich prompt haufenweise Spieler infizierten,]
darunter mit Clemson-Quarterback Trevor Lawrence auch der größte Star des
Sports, und Spiele von einem Staat in den anderen verlegt wurden, weil dort
andere Hygienevorschriften galten. Eine Saison, die zum Superspreader-Event
mit überschaubarem sportlichem Wert wurde, aber aufgrund Milliarden Dollar
teurer TV-Verträge trotzdem durchgezogen wurde. Eine Saison, in der ein
gutes Dutzend jener sogenannten Bowl-Spiele, mit denen sich die
US-Amerikaner – analog zur Vierschanzentournee in Mitteleuropa – am
liebsten die Zeit zwischen den Jahren vertreiben, abgesagt werden mussten.
Gerechteres System gewünscht
Eine Saison also, die, so meinten viele Kommentatoren, besser gar nicht
stattgefunden hätte. Oder die, so andere Experten, auch dazu genutzt hätte
werden können, endlich einmal einen radikalen Schnitt zu machen, mit
überkommenen Traditionen zu brechen und ein völlig neues, gerechteres
System zu installieren.
Weil es dazu nicht kam, [2][diskutiert die Nation also mal wieder], ob die
vier Mannschaften, die ausgewählt wurden, um den Titel des „National
Champions“ zu spielen, ihren Platz im Halbfinale auch verdient haben. So
haben die Notre Dame Fighting Irish zwar zuletzt eine saftige
10:34-Niederlage gegen die Clemson Tigers kassiert, aber sollen nun gegen
die sogar noch besser eingeschätzte Alabama Crimson Tide eine Chance haben?
Noch umstrittener ist Clemsons Semifinalgegner Ohio State: Die Buckeyes
haben zwar kein einziges Spiel bislang verloren, haben aber auch nur sechs
absolviert, weil wegen Infektionen mehrere Begegnungen abgesagt werden
mussten – die Konkurrenz aber hat mindestens drei Mal öfter gespielt.
Kein Wunder, dass jemand wie Jimbo Fischer sauer ist. Fischer ist Trainer
von Texas A&M, die manche TV-Kommentatoren gern statt Ohio State im
Halbfinale gesehen hätten, und knurrte nach dem letzten Erfolg seiner
Mannschaft: „Wir haben sieben Spiele hintereinander gewonnen. Andere haben
nicht mal sieben Spiele gespielt.“
Auch Luke Fickell, Trainer der Cincinatti Bearcats, die zwar ungeschlagen
blieben, aber in einer als schwächer eingeschätzten Liga antreten, meinte:
„Meine Mannschaft hätte es verdient, aber mich fragt ja niemand.“ Der
Konter von Ryan Day ließ nicht lange auf sich warten. Als der Coach von
Ohio State gefragt wurde, ob er die Kollegen verstehen könne, antwortete
er: „Das ist deren Problem.“
Aber wenn diese chaotische Saison vorbei ist, warten weitere, noch größere
Probleme auf den College Football. Die ewige Diskussion, ob die Spieler
nicht mehr nur mit einem Stipendium abgespeist, sondern bezahlt werden
sollen, bekam unlängst neuen Aufwind, als sich Barack Obama auf die Seite
der Sportler stellte. Und nun, da sich die Washington Redskins im
Profi-Football und die Cleveland Indians im Baseball von ihren
rassistischen Klub-Namen getrennt haben, wächst auch der Druck auf
Colleges, sich von diskriminierenden Ritualen zu distanzieren. Noch immer
werden in vielen Stadien im Süden Schlachtgesänge angestimmt, die sich auf
die Sklavenhalterzeit beziehen.
30 Dec 2020
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## AUTOREN
Thomas Winkler
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