Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Duette gegen das Erlebnisdefizit: I Got You Babe
> Samstagabend und ich will zu Hause manipuliert werden, hier sofort was
> erleben. „Dann hör John Travolta und Olivia Newton-John“, sagte eine
> Freundin.
Bild: Wie Liebe auf Süßigkeiten: John Travolta im September 1983
„Mach mal die Musik aus, man versteht dich so schlecht!“, sagt eine
Freundin beim Video-Treffen.
„Es ist Samstagabend, ich brauche Klang.“
„Der Volkskörper muss tanzen.“
„Ist das nicht so ein Nazi-Wort?“
„Auch ein Virologen-Wort, dadurch wurde es reingewaschen oder so.“
„Was hörst du da eigentlich? Ist das dieses grauenvolle Duett von David
Bowie und Mick Jagger?“
„Genau, ‚Dancing in the Street‘, es klingt wie das Gegenteil von
Quarantäne.“
„Das Lied bringt auf den Punkt, warum ich Duette hasse.“
„Ja, erzwungene Zweisamkeit verhunzt Marvin Gayes Genie zur Maximierung von
Profit.“
„Das schlimmste Duett jemals war von Michael und Janet Jackson: ‚Scream‘!…
„Das Grauen! Ich weiß noch, wie ich jugendlich verkrampft versucht hab, das
irgendwie gut zu finden.“
„Aber es gibt brillante Duette!“
„Nenn mir eins!“
„Michael Jackson und die Frau, die keiner kannte: ‚I just can’t stop lovi…
you‘!“
„Schlimmer Kitsch!“
„Perfekt kitschiger Popsong, davon kriegst du sogar Liebeskummer, wenn du
überhaupt niemanden liebst.“
„Genau wie bei ‚Endless Love‘ von Lionel Richie und Diana Ross!“
„Der manipulative Killer, du hörst das und verliebst dich in die Person, an
die du gerade zufällig aus Versehen denkst.“
„Musik ist immer manipulativ.“
„Ich will zu Hause manipuliert werden, jetzt hier sofort was erleben, den
Anfang oder das Ende einer großen Liebe, egal.“
„Dann hör ‚Guilty‘ von Barbara Streisand und Barry Gibb.“
„Ist das nicht eher so Fahrstuhlsound?“
„Nein, es ist perfekt ambivalent. Ein Lied wie eine laszive Paartherapie.“
„Ich will aber Euphorie, exaltierte verblödete Verliebtheit.“
„Dann hör Pia Zadora und Jermaine Jackson: ‚When the Rain Begins to Fall�…
„Das ist wie Liebe auf Koks und Champagner!“
„Oder John Travolta und Olivia Newton-John: ‚You’re the One that I want�…
„Das ist wie Liebe auf Süßigkeiten!“
„Duette funktionieren nur mit Liebesinhalten.“
„Warum gibt es nicht öfter Terzette oder Quintette?“
„Weil Polyamorie beknackt ist.“
„Und bei gesetzteren Inhalten nimmt man dann gleich einen Chor.“
„Wie USA for Africa damals.“
„Kein schöner Band-Name.“
„‚We are the World‘ war nur an den Stellen gut, wo Michael Jackson dran
war.“
„Und bei Bob Dylan.“
„Der hat da mitgemacht?!“
„Wieso gibt es eigentlich noch keinen Corona-Welthit?“
„Ein Lied für den Welt-Körper und das globale Wir-Gefühl!“
„Am besten ein Cover, dann geht es schnell.“
„Vielleicht ‚Dancing with Myself‘ von Billy Idol?“
„Perfekt.“
26 Dec 2020
## AUTOREN
Jasmin Ramadan
## TAGS
Kolumne Einfach gesagt
Lockdown
Popgeschichte
Popmusik
80er Jahre
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.