# taz.de -- Eine Welt ohne Heten: Besser als jede Aspirin | |
> Wie sähe eine Gesellschaft aus, in der sich cis Heten und Queers nicht | |
> begegnen würden? Der Stresspegel für Queers wäre deutlich niedriger. | |
Bild: Die Welt durch getönte Gläser: TeilnehmerIn beim „Marzahn Pride“ im… | |
Auf der [1][Dating-Plattform OkCupid] gibt es die Funktion „Don’t want to | |
see/be seen by straight people“. User:innen haben damit die Möglichkeit, | |
mit einem einzigen Häkchen zu deaktivieren, dass ihre Profile für | |
heterosexuelle Personen sichtbar sind – und vice versa. | |
Parallelgesellschaft per Mausklick sozusagen. Manchmal wünschte ich, es | |
gäbe ein Real-Life-Plugin. Für ein paar Stunden, Tage, Monate oder ein | |
Leben lang unsichtbar für Heten sein und keinen Heten begegnen zu müssen, | |
würde vieles leichter machen. Klar, einige von uns würden ihre Familien | |
nicht mehr sehen, und manche ihrer Freund:innen auch nicht, es gibt | |
schließlich auch okaye bis tolle Heteros. Aber die Mehrheit dieser | |
Demografie fickt einfach den Kopf. Wie würde sie aussehen, gegenseitige | |
Unsichtbarkeit zwischen Queers und cis Heten? | |
Auf jeden Fall weniger brutal. Einfach in der Öffentlichkeit | |
draufloszuknutschen wäre nicht mehr von der Angst begleitet, im nächsten | |
Moment angegriffen zu werden. Ein Thrill, auf den ich gerne verzichte. Wie | |
könnten Straßen aussehen, auf denen sich Menschen weniger verstellen, | |
verstecken, kleiner machen? | |
Hinsichtlich der Fashion würden Türen geöffnet: Endlich geile Outfits | |
ballern, ohne als Freak zu gelten, ohne von den falschen Leuten gegeiert zu | |
werden, und ohne die Tränen deiner local Anna-Lena, die sich neben dir | |
langweilig fühlt, als wäre es per Zwangsvorschrift auferlegt, dass sie von | |
Kopf bis Fuß in s.Oliver gekleidet ist. Der Nachteil: Ohne den permanenten | |
Anblick von Typen in Camp David und Frauen in Street One fehlt auf lange | |
Sicht [2][die Inspiration zum Camp]. | |
Dafür gäbe es seltener Missverständnisse wegen Codes. Und bessere Witze. | |
Verloren ginge jedoch einiges an Meme-Material. Zumindest eine ganze Sparte | |
an Comedy bliebe uns erspart. Der Karnevalsauftritt von Annegret | |
Kramp-Karrenbauer wäre keine Referenz mehr. Generell weniger Fasching: | |
Endlich wieder von Partys nach Hause kommen, ohne von Heteros auf der | |
Tanzfläche vollgeglitzert zu werden. | |
Vielleicht ist das auch ein Wunschdenken, das die Transfeindlichkeit, die | |
Misogynie, den Antisemitismus und den Rassismus unter Queers negiert. Was | |
sich aber auf jeden Fall verbessern könnte: die Kopfschmerzen. Denn laut | |
[3][einer neuen Studie der University of California in San Francisco] | |
stellte sich heraus, dass lesbische, schwule und bisexuelle Personen zu 58 | |
Prozent häufiger von Migräne betroffen sind als heterosexuelle. | |
Diskriminierung, Stigmatisierung und Vorurteile, so der Leiter der Studie, | |
erhöhten das Stresslevel. Das wiederum löse Migräne aus. Zusätzliche | |
Marginalisierungen könnten den Schmerzpegel erhöhen – eine Schwarze trans | |
Person kriegt im Vergleich zu einem weißen schwulen cis Mann mehrfach ab. | |
Worauf sich alle einigen können: Heten ficken einfach den Schädel. In der | |
Bekämpfung der Hetero- und Cisnormativität schlummert also ein Versprechen: | |
das vielleicht effektivste Mittel gegen Kopfschmerzen. | |
9 Oct 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Experimente-mit-Internet-Nutzern/!5036625 | |
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[3] https://medicalresearch.com/pain-research/higher-risk-of-migraine-in-lgbt-c… | |
## AUTOREN | |
Hengameh Yaghoobifarah | |
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