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# taz.de -- Ermittlungen gegen Kanadas Premier: Trudeau, der Familienmensch
> Zum dritten Mal wird gegen Kanadas Premier Justin Trudeau wegen
> mutmaßlicher Interessenkonflikte ermittelt. Es geht um die Corona-Krise.
Bild: Äußert sich bisher nur spärlich zu den Vorwürfen gegen ihn: Kanadas P…
Vancouver taz | Justin Trudeau steckt wieder einmal in Schwierigkeiten.
Bereits zum dritten Mal in seiner Amtszeit muss sich der kanadische
Premierminister jetzt Ermittlungen des Ethikbeauftragten des Landes
stellen. Der Grund: Trudeaus Regierung hat in der Corona-Krise einer
gemeinnützigen Organisation, die finanzielle Kontakte zu Mitgliedern seiner
Familie unterhält, einen Millionenauftrag gegeben.
Im Zentrum des Interessenkonflikts steht die der Trudeau-Familie
nahestehende Organisation WE Charity, die sich auf gemeinnützige
Schulprojekte spezialisiert hat. Ende Juni hatte Trudeaus Regierung die
Organisation mit einem staatlichen Förderprojekt für Studenten beauftragt,
die diesen Sommer freiwillige Dienste leisten wollen. Insgesamt hat das
Programm ein Volumen von 900 Millionen Dollar.
Brisant ist die Auftragsvergabe, weil mindestens zwei prominente
Familienmitglieder Trudeaus seit Jahren für die Organisation gegen
Bezahlung tätig sind. Wie der kanadische Sender CBC am Donnerstag
berichtete, sollen sowohl Trudeaus Mutter als auch sein Bruder zwischen
2016 und 2020 auf Veranstaltungen von WE Charity aufgetreten sein und über
eine Beraterfirma dafür üppige Vortragshonorare erhalten haben.
Laut kanadischen Medien hatte Margaret Trudeau, die Mutter des
Premierministers, insgesamt 28 Mal bei Veranstaltungen von WE Charity
gesprochen, wofür sie über eine Tochtergesellschaft der Organisation
insgesamt rund 250.000 Dollar erhielt. Trudeaus Bruder Alexandre soll auf
insgesamt acht Veranstaltungen von WE Charity Vorträge gehalten und dafür
insgesamt 32.000 Dollar kassiert haben.
## Die Oppositionsmehrheit könnte Neuwahlen erzwingen
Auch der Premierminister und seine Frau Grégoire Trudeau waren als Redner
bei Veranstaltungen von WE Charity aufgetreten. Lange hatte Trudeau betont,
dies sei ehrenamtlich geschehen und seine Frau habe lediglich Reisekosten
erstattet bekommen. Am Donnerstag räumte sein Büro allerdings erstmals ein,
dass auch seine Frau vor seiner Amtszeit als Premier einmalig 1.400 Dollar
von WE Charity erhalten hatte.
Der Ethikbeauftragte des kanadischen Parlaments, Mario Dion, sieht in den
Vorgängen genügend Anhaltspunkte für einen Interessenkonflikt und hat
Ermittlungen aufgenommen. Gemäß der Anti-Korruptionsgesetze Kanadas dürfen
Politiker an keinen Entscheidungen mitwirken, die ihre privaten Interessen
tangieren oder auf unlautere Weise die Interessen von dritten Personen
befördern.
Die konservative Opposition sprach von skandalösem Verhalten und forderte
die Parlamentsabgeordneten aus der Sommerpause zurückzurufen. Die
Oppositionspartei Bloc Québecois rief Trudeau dazu auf, das Amt vorläufig
ruhen zu lassen. WE Charity hat den Auftrag, der ihr rund 20 Millionen
Dollar Einnahmen gebracht hätte, wegen der Kritik mittlerweile
zurückgegeben.
Für Trudeau ist die Situation politisch prekär, denn der Premier steht
[1][seit 2019 nur noch einer Minderheitenregierung] vor, hat seitdem also
keine eigene Mehrheit mehr im Parlament in Ottawa. Sollten sich alle
Oppositionsparteien auf ein gemeinsames Vorgehen einigen, könnten sie
Trudeau im äußersten Fall bei einer Vertrauensabstimmung stürzen und damit
Neuwahlen in Kanada einleiten.
## Bislang kam Trudeau mit einer Rüge davon
Trudeau selbst hat sich bislang nur spärlich zu den Vorwürfen geäußert.
Eine Sprecherin betonte am Donnerstag, dem Premier sei es darum gegangen,
Studenten in einer schwierigen Zeit zu helfen. Zuvor hatte Trudeau
behauptet, WE Charity sei die einzige Organisation ihrer Art, die das
Programm umsetzen könne. Bei der Auftragsvergabe im Kabinett hatte sich der
Premier daher nicht für befangen erklärt.
Für Trudeau sind es bereits die dritten Ermittlungen wegen unsauberer
Regierungsgeschäfte. Letztes Jahr hatte der Premier eine Rüge des
Ethikbeauftragten einstecken müssen, weil er in der Affäre um den
Baukonzern [2][SNC-Lavalin] unzulässigen Druck auf seine damalige
Justizministerin ausgeübt hatte mit dem Ziel, den in seinem Wahlkreis
befindlichen Konzern vor einer Strafverfolgung zu schützen.
2017 war der Premier wegen eines [3][Familienurlaubs auf der Privatinsel
des Multimilliardärs Aga Khan] in der Karibik gerügt worden. In diesem Fall
hatte sich Trudeau eines Interessenkonflikts schuldig gemacht, weil die
Regierung die Stiftung des Milliardärs mit Steuergeldern subventioniert
hatte. Außerdem hatte Trudeau den Privatjet des Milliardärs genutzt, ohne
sich die erforderliche Genehmigung dafür einzuholen.
10 Jul 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Jörg Michel
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Kanada
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