# taz.de -- Ausstellung der IG Metall Berlin: Viel Holz | |
> Ein Besuch in der „Holzweg“-Ausstellung im Haus der IG Metall, mit einem | |
> weiten Schwenk in die Geschichte der Holzverarbeitung. | |
Bild: Mischwesen: Skulpturen von Peter Kröning in der Ausstellung „Holzweg“ | |
Berlin taz | Das Hauptquartier der Berliner IG Metall in der Alten | |
Jakobstraße, das von den Nazis besetzt, von den Alliierten zerbombt, nach | |
dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut und 1970 denkmalpflegerisch | |
renoviert wurde, beherbergt seit der sogenannten Wiedervereinigung auch die | |
Gewerkschaft Holz und Kunststoff – und ist dadurch noch kämpferischer | |
geworden. | |
Dort in ihrer Berlin-Brandenburg-Sachsen-Zentrale gibt es einen | |
IG-Metall-Eventsaal mit einem Hofgarten. Und was lag da näher als nun eine | |
Ausstellung über Holz? | |
Leider sind die Waldarbeiter in der IG Bau organisiert, was einmal die | |
Bauarbeitergewerkschaft war, die aber 1994 mit den Landarbeitern und | |
Waldarbeitern zu einer IG BAU (Bauen Agrar Umwelt) expandierte, deren | |
Verbandsorgan Der Säemann ist, den ich nebenbei bemerkt abonniert habe. | |
In der Holzfraktion der IG Metall (die ihren Namen bei der Fusion nicht in | |
Holz-Metall änderte) sind eher die Holzveredler organisiert: die im | |
Sägewerk Beschäftigten, die Spanplatten-, Möbel- und Fertighaushersteller, | |
die Klavierbauer und Tischler … | |
In Brandenburg gehört das holzbearbeitende Gewerbe zu den vier wichtigsten | |
Wirtschaftszweigen. Die Holzbildhauer aber finden sich als Selbstausbeuter | |
nicht in der Arbeiterorganisation, obwohl sie auch Handarbeiter sind. Sie | |
sollten allerdings nun nach dem Willen des für Holz Zuständigen den | |
IG-Metall-Eventsaal bespielen. | |
Die Holzbearbeitung ging ja menschheitsgeschichtlich der Metallbearbeitung | |
voraus. Und an sich sind die Holzbildhauer schon länger organisiert als die | |
Holzarbeiter, zunächst in Zünften. | |
## Mal höher geschätzt als die Malerei | |
Im Mittelalter war die Holzkunst höher angesehen als die Malerei, dafür war | |
sie durchweg koloriert, erst der große Altarschnitzer Tilman | |
Riemenschneider ließ dem Holz seine Oberfläche. Mit der Gegenreformation | |
kam die Schnitzkunst noch einmal zu Ehren. In der Folgezeit verschwand ihre | |
Bedeutung mehrmals, entwickelte sich aber erneut. | |
Der Kurator der „Holzweg“-Schau Peter Funken, der sich zur Präsentation der | |
Holzobjekte von zwei weiteren Petern – Peter Pilz und Peter Kröning – | |
entschied, erwähnte in seiner Rede zur Ausstellung unter anderem die | |
Expressionisten, Barlach zum Beispiel, und zuletzt die neoexpressiven | |
Jungen Wilden. Eines ihrer Riesenholzkunststücke – 14 Meter lang, 5 Meter | |
hoch – bedeckt heute die Wand eines Restaurants am Gendarmenmarkt. | |
Diese modernen Holzkünstler arbeiten mit der Motorsäge. Ein solches | |
großtuerisches Grobwerkzeug lehnen die beiden bei der IG Metall | |
ausstellenden Holzbildhauer ab. | |
Meinen Titelvorschlag für seine Ausstellung lehnte der Kurator ab: „In | |
Memoriam Annelotte Höge“, meine Mutter, die eine Holzbildhauerin war. Weil, | |
wie Funken sagte, sie ja später als Tonbildhauerin gearbeitet hätte. | |
Stattdessen griff er tief in die Nazi-Philosophiegeschichte – und lässt | |
einen Heideggertitel von 1950 anklingen: „Holzwege“. | |
Das ist ein Nachkriegsräsonnement über die Kunst, die Wahrheit und das | |
Leben, das so beginnt: „Holz lautet ein alter Name für Wald. Im Holz sind | |
Wege, die meist verwachsen jäh im Unbegangenen aufhören. Sie heißen | |
Holzwege. Jeder verläuft gesondert, aber im selben Wald. Oft scheint es, | |
als gleiche einer dem anderen. Doch es scheint nur so. Holzmacher und | |
Waldhüter kennen die Wege. Sie wissen, was es heißt, auf einem Holzweg zu | |
sein.“ Ein deutscher Philosophieprofessor könnte da glatt eine | |
Vergangenheitsbewältigung rauslesen. Der Text steht im 5. Band der | |
Heideggerschen Gesamtausgabe 1914–1970, das aber nur nebenbei. | |
## Ausgestorbene Holzveredler | |
Interessanter ist das Buch „Holz. Wie ein Naturstoff Geschichte schreibt“ | |
des Historikers Joachim Radkau, das 2018 als Band 3 der „Stoffgeschichten“ | |
des Wissenschaftszentrums Umwelt der Universität Augsburg erschien und in | |
dem es unter anderem um die „Holzkultur par excellence Japan“ geht. | |
Uns interessieren jedoch eher die Kapitel über die ausgestorbenen | |
Holzveredler Pottaschesieder, Pechbrenner und Köhler. Das Dasein der | |
Letzteren, so heißt es darin, „sei durch Schlafmangel und dauernde | |
Angstzustände gekennzeichnet“, aber jeder habe „seine eigenen Maximen, nach | |
welcher er das Feuer dirigiert“. | |
Das kann man auch von den Holzkünstlern sagen. Um die Lebensbedingungen der | |
armen Rhönbauern und -köhler zu verbessern, die im Winter vom Löffel- und | |
Holzschuhschnitzen lebten, was dann in den Gefängnissen billiger geschah, | |
gründete man dort zwei Holzschnitzschulen, die eine befindet sich heute im | |
Osten (in der thüringischen Rhön) und die andere im Westen (in der | |
bayerischen Rhön), wo man nach dem Krieg keine Bauernsöhne, sondern eher | |
oft auch uneheliche Söhne etwa von Bardamen aufnahm. | |
Hier wie dort arbeitet man gerne für die katholische Kirche oder gleich den | |
Vatikan, einige Bildhauer haben sich mit einer computerisierten | |
Schnitzmaschine für ihre Heiligenstatuen selbstständig gemacht. Die | |
Studenten in den beiden Holzbildhauerschulen schnitzen aber am liebsten | |
Tiere mit ironischem Zusatz. Höchstens auf internationalen | |
Holzbildhauersymposien, die es auch in der Rhön schon gab, greifen sie zu | |
Motorsägen. | |
Peter Pilz kaufte in Ungarn die Stämme einer gefällten Apfelbaumplantage | |
und machte daraus im Burgenland eine unbegehbare Vollholzscheune – also | |
Kunst, in der „Holzweg“-Ausstellung ist davon ein aufgesockeltes Modell aus | |
Kirschholz zu sehen. Peter Kröning stellt gleich acht kindergroße | |
Skulpturen aus, die auf naturalistische Weise farbige Wesen, halb Mensch, | |
halb Tier, darstellen. Wenn eine Plastik „Der große Bruder“ heißt, dann | |
meint er das auch so. Er benutzt unter anderem Linde, Ahorn und Götterbaum. | |
24 Jul 2020 | |
## AUTOREN | |
Helmut Höge | |
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