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# taz.de -- Saudi-Arabien reagiert auf Corona: Dieses Jahr nur Hadsch light
> Die Pilgerfahrt nach Mekka wird wegen Corona radikal begrenzt. Es ist
> nicht das erste Mal, dass der Hadsch eine Seuche in die Quere kommt.
Bild: Große Leere: Mekka während des Ramadan
Kairo taz Das saudische Hadsch-Ministerium, zuständig für die jährliche
muslimische Pilgerschaft nach Mekka, hat eine lang erwartete Entscheidung
verkündet: Angesichts der [1][Coronapandemie] wird es dieses Jahr eine
stark verkleinerte Version der Hadsch geben. Zugelassen für die
Pilgerfahrt, die Ende Juli beginnen wird, werden nur Muslime, die in
Saudi-Arabien leben.
Aber nicht nur das: Auch die Zahl der Pilger wird stark begrenzt.
Hadsch-Minister Mohammed Saleh bin Taher Benten erklärte am Dienstag, die
Zahl der Pilger werde im vierstelligen Bereich liegen, aber nicht die
10.000-Marke überschreiten. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr pilgerten
2,5 Millionen Menschen nach Mekka.
Man habe die Entscheidung im Interesse der globalen öffentlichen Gesundheit
getroffen, „angesichts des fortdauernden Pandemie und des Risikos, dass
sich das Coronavirus vor allem in überfüllten Plätzen und bei großen
Versammlungen ausbreitet“, hieß es.
Der saudische Gesundheitsminister Tawfik al-Rabiah verkündete, dass die
diesjährigen Teilnehmer unter 65 Jahre alt sein müssen und keine
chronischen Krankheiten haben dürfen. Alle Pilger sollen bei der Ankunft in
Mekka auf das Virus getestet werden.
## Hadsch als globaler Superspreader
Nachdem sie ihre mehrtägigen Rituale vollzogen haben, müssen sie sich in
eine 14-tägige Quarantäne begeben. In den sozialen Medien in Saudi-Arabien
wird inzwischen auch die Möglichkeit diskutiert, dass die Pilger nicht wie
sonst üblich mit Bussen, sondern mit dem eigenen Auto anreisen könnten.
Es ist eine Entscheidung, die von der Sorge getragen ist, dass eine
Pilgerschaft von Millionen Menschen, die aus allen Teilen der Welt kommen
und wieder zurückfahren, ein globaler Superspreader wäre. Auch
Saudi-Arabien selbst kämpft derzeit mit einem starken Anstieg der
Sars-CoV-2-Fälle. Inzwischen gibt es dort rund 165.000 registrierte
positive Fälle, mehr als 1.300 mit dem Virus infizierte Menschen in
Saudi-Arabien sind verstorben.
Aber die Entscheidung hat [2][schwerwiegende wirtschaftliche Folgen] für
das Land, das bereits schwer mit der Talfahrt des Ölpreises zu kämpfen hat.
Die üblichen jährlichen Einnahmen aus den Pilgerfahrten und dem religiösen
Tourismus belaufen sich auf 20 Milliarden US-Dollar – ungefähr 20 Prozent
der Einnahmen des Landes jenseits des Ölsektors.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Hadsch von äußeren Einflüssen wie
Seuchen, bewaffneten Konflikten oder politischen Streitigkeiten gestört
wird. Im Jahr 930 griff die messianische und radikale Sekte der Qarmaten
mit 1.500 Kämpfern Mekka an, weil sie die Hadsch als heidnisches Ritual
ansahen. Sie sollen tausende Pilger umgebracht und acht Tage lang ihr
Unwesen in Mekka getrieben haben.
Auch vor der Kaaba, dem würfelförmigen Gebäude im Innenhof der Großen
Moschee von Mekka, machten die Qarmaten nicht halt. Sie rissen eine
vergoldete Tür aus ihr heraus, brachten den schwarzen Stein heraus, der an
der östlichen Seite der Kaaba eingemauert ist, und nahmen die Kisba mit,
den verzierten Umhang, der die Kaaba umhüllt. Mit einer Beute von angeblich
50 Kamelladungen machten sie sich wieder auf den Weg nach Bahrain. Später
brachten sie den schwarzen Stein für ein horrend hohes Lösegeld zurück.
Oft kamen der Pilgerfahrt auch Differenzen der Herrscher in den Weg. So
etwa führten Spannungen zwischen dem Abbasiden-Kalifat in Bagdad und den
Fatimiden in Kairo 983 dazu, dass die Pilger acht Jahre lang Mekka
fernblieben. Später dann wurde die Pilgerschaft durch den Sturz der
Fatimiden und die Belagerung Bagdads durch die Mongolen gestört.
## Mekka der Seuchen
Aber auch [3][Seuchen und Epidemien unterbrachen immer wieder den
Pilgerfluss]. 967 fiel die Hadsch wegen eines Pestausbruchs aus. Später, im
19. Jahrhundert, war es vor allem die Cholera, die den Pilgern zu schaffen
machte. 1821 starben 20.000 Pilger infolge von Cholera, die in Indien
ausgebrochen war und nach Mekka eingeschleppt wurde.
Es war vor allem das Aufkommen der Dampfschifffahrt im 19. Jahrhundert, das
es einer wesentlich größeren Zahl von Muslimen erschwinglich und sicher
ermöglichte, aus allen Ecken der Welt nach Mekka zu kommen. Mit dieser
neuen Art von Massen-Hadsch stieg allerdings auch die Seuchengefahr.
1865 erlagen 30.000 Pilger der Cholera in der ihnen heiligen Stadt. Die
ägyptischen Pilger, die von der heute saudischen Hafenstadt Dschidda über
das Rote Meer zurückkehrten, hatten bei ihrer Ankunft im ägyptischen Suez
verschwiegen, dass zuvor über hundert Leichen über Bord geworfen werden
mussten. Einen Monat später kostete die von ihnen eingeschleppte Cholera in
Alexandria 60.000 Menschen das Leben. Die Seuche verbreite sich bis nach
Marseille und in andere Teile Europas.
Mit der Verbesserung von Hygienemaßnahmen und Pilgerunterkünften war das
der letzte Cholera-Ausbruch in Mekka, obwohl es bei der Hadsch 2017 noch
einmal die Sorge gab, dass jemenitische Pilger die in ihrem Land im Krieg
ausgebrochene Cholera wieder nach Mekka einschleppen könnten.
Die Pilgerfahrt nach Mekka ist eine der fünf Säulen des Islam, die jeder
gesunde und erwachsene Muslim einmal im Leben unternehmen sollte. Aber was
Epidemien angeht, zitieren islamische Rechtgelehrte immer einen Hadith,
also eine Überlieferung der Worte und Taten des islamischen Propheten
Mohammed: „Wer über einen Ausbruch der Pest in einem Ort hört, sollte nicht
in dieses Land einreisen, und wenn die Pest in einem Land ausbricht, in dem
man sich bereits befindet, so sollte man nicht von diesem Land ausreisen,
um der Epidemie zu entfliehen.“
24 Jun 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Karim El-Gawhary
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