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# taz.de -- Schutz von Wildtieren in Feuchtgebieten: Bleifrei ballern
> Die EU-Kommission will Bleimunition zur Jagd in Feuchtgebieten verbieten.
> Die Bundesregierung stimmt dagegen und argumentiert mit Tierwohl.
Bild: Immer wieder sterben Seeadler an Bleivergiftung, weil sie die Reste veren…
Berlin taz | Es gibt Jäger, die schwören auf Bleimunition. Sie halten die
Geschosse für optimal, weil sie Tieren, so sagen sie, ein schnelles,
gnädiges Ende bereiteten. Für Naturschützer, auch für Verbraucherschützer
sind sie indes allein eins: ein Übel, das längst verboten sein müsste.
Es ist ein ewiger Streit, dem die EU-Kommission nun ein Ende setzen will.
Zumindest will sie die Bleimunition für die Jagd in den ökologisch
besonders sensiblen Feuchtgebieten verbieten, in denen Enten, Gänse und
andere Wasservögel dümpeln.
Doch Deutschland hat dem am Dienstag bei der Vorabstimmung auf europäischer
Ebene nicht zugestimmt. Das Ressort der CDU-Bundesagrarministerin Julia
Klöckner hat sich gesperrt, die Bundesregierung enthielt sich.
Hintergrund: Immer wieder sterben Seeadler an Bleivergiftungen. In
Deutschland ist es ihre häufigste Todesursache, und zwar nicht, weil sie
geschossen werden. Offenbar vertilgen sie Geschosssplitter und -kügelchen,
wenn sie sich über Wildreste oder angeschossene und verendete Tiere
hermachen. Und Blei ist ein wirksames Gift.
## An Blei sterben jedes Jahr eine Million Wasservögel
Schon kleine Konzentrationen haben Folgen, sie schädigen zum Beispiel
Nerven, beeinträchtigen Reaktionsfähigkeit und Wahrnehmung. Die Reste der
Munition machen aber nicht allein dem Greifvogel zu schaffen, sondern
anderen Tieren und dem Menschen genauso. Das Bundesinstitut für
Risikobewertung rät zum Beispiel Schwangeren, Frauen mit Kinderwunsch und
Kindern bis 7 Jahre auf Wild aus der Bleigeschossjagd zu verzichten.
Jäger schießen in Europa in einem Jahr hunderte Millionen von
Schrotpatronen ab. Doch „nur ein sehr geringer Anteil der abgefeuerten
Bleimunition trifft ihr Ziel“, heißt es bei der Europäischen
Chemikalienagentur Echa. In einem Jahr landeten so etwa 14.000 Tonnen
Bleimunition in Wäldern, auf Feldern und Wiesen sowie rund 5000 Tonnen an
Ufern, Teichen, Seen.
Und schon allein wegen letzterer, der Bleilast in den Feuchtgebieten,
stürben jedes Jahr gut eine Million Wasservögel. Die Echa-Experten
erklären: „Die Aufnahme eines einzigen Stücks Bleimunition reicht aus, um
den Tod eines kleinen Wasservogels zu verursachen.“
Die Lieblingsmunition so manchen Jägers ist darum auch schon längst hier
und dort reglementiert. In Dänemark ist sie seit 1996 komplett verboten. So
weit ist Deutschland nicht. Doch in den deutschen Bundesforsten darf zum
Beispiel auch kein Blei abgefeuert werden. Und außer Hamburg und Bremen
haben alle Bundesländer dies für die Jagd an, auch über Gewässern schon
ausgeschlossen.
Die EU-Kommission strebt ein komplettes Verbot an, nimmt sich zunächst aber
auch nur die Jagd mit Blei in Feuchtgebieten vor. Für Torsten Reinwald, der
für den Deutschen Jagdverband spricht, ist aber bleihaltig oder bleifrei
gar nicht entscheidend. Für ihn zählt das „beste Verhältnis zwischen
Verbraucher-, Umwelt- und Tierschutz.“
## Ist Blei-Munition gut fürs Tierwohl?
Er sagt: „Wir müssen den Bleigehalt minimieren, aber die Tötungswirkung
maximieren.“ Daran werde auch geforscht. Das Bundesagrarministerium
argumentiert ähnlich. Der Entwurf der Kommission trage „noch nicht allen
Belangen vollumfänglich Rechnung“, heißt es.
Nimmt, wer bleifreie Geschosse will, also mehr Leid der Tiere in Kauf?
Jochen Flasbarth, Staatssekretär im SPD-geführten Bundesumweltministerium,
meint: „Das Tierwohl-Argument zieht überhaupt nicht. Selbstverständlich
kann mit anderer Munition und nötigenfalls auch mit anderem Kaliber eine
sichere Tötung erreicht werden.“
Und Magnus Wessel vom Umweltverband BUND sagt es so: „Umweltgerechte Jagd
geht auch ohne Blei. Wir können auf den Mars fliegen und auf dem Mond
spazieren gehen, aber keinen Ersatz für Blei finden? Das kann nicht sein.“
Trotz der Enthaltung Deutschlands sah es nach der Vorabstimmung so aus, als
käme eine Mehrheit für den EU-Vorstoß zustande. In einigen Tagen folgt nun
die schriftliche Abstimmung. Jeder Mitgliedstaat kann seine Position noch
einmal überdenken, auch Deutschland.
24 Jun 2020
## AUTOREN
Hanna Gersmann
## TAGS
Jagd
Munition
Julia Klöckner
Jagd
Spanien
Lesestück Recherche und Reportage
Julia Klöckner
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