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# taz.de -- Sexualisierte Gewalt bei den Behörden: Polizisten bestreiten Verge…
> Zwei Beamte der Thüringer Polizei sind wegen Vergewaltigung im Dienst
> angeklagt. Ein Bericht vom dritten Prozesstag.
Bild: Vor dem Landgericht Erfurt wird die Vergewaltigungsanklage gegen zwei Pol…
Erfurt taz | Bereits eine Stunde vor Prozessbeginn bildet sich am
Mittwochmorgen eine Schlange vor dem Landgericht Erfurt, doch nicht einmal
die Hälfte der Wartenden darf dem Prozess beiwohnen. Die
Corona-Schutzmaßnahmen lassen es nicht zu.
Der Prozess gegen zwei junge Polizisten der Polizeiinspektion Gotha, die
vergangen September [1][während ihres Dienstes] eine Frau vergewaltigt
haben sollen, erregt Aufmerksamkeit. Die Verhandlungen, die Ende März
beginnen sollten, wurden [2][aufgrund der Coronapandemie auf Mai vertagt].
Am Dienstag folgt nun der dritte Prozesstag.
Angeklagt sind der 28-jährige Maximilian O. und der 23-jährige Gurjan J.
Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen gemeinschaftlichen sexuellen Missbrauch
einer behördlich Verwahrten, sexuellen Missbrauch unter Ausnutzung einer
Amtsstellung und gemeinschaftliche Vergewaltigung im besonders schweren
Fall vor.
Nikola G.* und ihr Lebensgefährte gerieten am 28. September 2019 in der
Nähe von Gotha in eine Verkehrskontrolle. Da der Ausweis der gebürtigen
Polin den Beamten gefälscht erschien, fahren die Angeklagten und ein
weiterer Kollege mit dem Paar zu deren gemeinsamer Wohnung. Während die
Angeklagten mit Nikola G. in die Wohnung gehen, wird ihr Partner von einem
weiteren Beamten im Auto festgehalten. In der Wohnung sollen Maximilian O.
Und Gurjan J. die heute 33-Jährige nacheinander vergewaltigt haben. Nikola
G. erstattet am darauffolgenden Tag Anzeige.
Acht Zeug*innen geladen
In den vorangegangenen Prozesstagen behaupteten die Angeklagten, Nikola G.
habe den Sex initiiert und sie verführt. Eine Vergewaltigung leugnen sie.
Einer der Polizisten habe die Tat gefilmt, die Aufnahmen anschließend
jedoch gelöscht und das Handy in einen Bach geworfen. Expert*innen wollen
diese Dateien nun wiederherstellen. Der Prozess sei jedoch äußerst
kompliziert, begrenzt erfolgsvorsprechend und könne mehrere Wochen in
Anspruch nehmen, heißt es in einer Mitteilung der Expert*innen, die der
vorsitzende Richter Detlef Hampel am Mittwoch vorliest.
Am Mittwoch sind nun acht Zeug*innen vor Gericht geladen. Zu ihnen gehört
der Vater des Angeklagten Maximilian O., der sich jedoch auf sein
Aussageverweigerungsrecht beruft. Ein 62-jähriger Dolmetscher, der am
Tattag auf die Dienststelle nach Ilmenau gerufen wurde, berichtet, die
33-Jährige sei vor ihm in Tränen ausgebrochen.
Er sollte zwischen Nikola G. und den Beamt*innen die polnische Sprache
übersetzen – ursprünglich in einem Fall von Urkundenfälschung, bis sie am
Ende der Vernehmung von der Vergewaltigung erzählt. „Das erlebt man nicht
so oft“, erzählt der 62-Jährige im Zeugenstand. Er habe schon öfter im
Rahmen von Sexualstrafdelikten übersetzt. Zum ersten Mal handele es sich
jedoch bei den Tätern um Polizisten.
Während der Verhandlung wird immer wieder auf G.’s Sprachkenntnisse
verwiesen. Man wolle sicherstellen, dass es sich nicht um „interkulturelle
Missverständnisse“ handelte, so die Verteidigung. Aus den
Zeug*innenberichten wird indes nicht deutlich, inwiefern sie die
Beamt*innen, sowohl bei der Tat, als auch während der Vernehmung, verstehen
konnte.
Nikola G. nicht auffindbar
Die Polizistin, die am Tattag die erkennungsdienstliche Behandlung der
Angeklagten übernahm, erzählt im Zeug*innenstand, sie hätte zunächst nicht
verstanden, wieso Nikola G. plötzlich weinte und von der Vergewaltigung
berichtete. Dann habe sie sie belehrt und sie über die Konsequenzen einer
solchen Aussage aufgeklärt – ärztliche Untersuchungen, ein intensives
Gerichtsverfahren. Ob es üblich sei, dass man dieses Prozedere so genau
schildere, will der Vertreterin der Nebenklägerin wissen. „Bei mir schon“,
so die Beamtin.
Nikola G., die im Prozess selbst als Nebenklägerin auftritt, ist indes
nicht auffindbar. Zielfahnder*innen des Thüringer Landeskriminalamtes
sollen sie nun aufspüren. Die Forderung der Verteidiger, einen
Sachverständigen mit einem psychologischen Gutachten der Geschädigten zu
beauftragen, wies der vorsitzende Richter indes zurück.
Der nächste Prozesstag ist für den 8. Juni angesetzt. Dann sollen weitere
Zeug*innen verhört werden. Das Urteil wird voraussichtlich am 13. Juli
verkündet. Bis dahin sitzen die Angeklagten weiterhin in Untersuchungshaft.
Im Falle einer Verurteilung drohen ihnen bis zu 15 Jahre Haft.
*Name geändert
20 May 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Luisa Kuhn
## TAGS
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Sexualisierte Gewalt
Polizei Thüringen
Schwerpunkt #metoo
Journalismus
Polizei Thüringen
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