Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Tod eines Alligators im Moskauer Zoo: Endstation Museum
> Alligator Saturn überlebte 1943 einen Bombenangriff in Berlin, er soll
> Hitler gekannt haben, lebte sich später in Moskau ein. Nun ist er tot.
Bild: Dieser Mississippi-Alligator ist vielleicht nicht Saturn, aber so ähnlic…
taz | Moskau „Wie viele Kinder hat Saturn in seinem Leben wohl glücklich
machen können?“, fragte ein russischer Twitterer kurz nach der Nachricht
des Moskauer Zoos, dass Alligator Saturn friedlich entschlafen sei.
Herpetologen gehen davon aus, Saturn sei mindestens 84 Jahre alt geworden.
Eine Minderheit unter den Veterinären vermutet gar, das gebürtige
Mississippi-Reptil könnte noch in den 1920ern die Welt erblickt haben.
Zumindest legt auch das spätere Geburtsjahr 1936 nahe, dass Adolf Hitler
und Saturn sich gekannt haben müssen. Oft suchte Hitler den Berliner Zoo
damals auf. Die russischen Betreuer streiten indes eine engere Bindung
zwischen beiden ab: Saturn sei nie Haustier Hitlers gewesen, meinen sie.
Das Gerücht hat wohl etwas mit der Führermanie der Briten zu tun, in dessen
Sektor der Alligator aufgegriffen wurde.
Saturn hat einiges von der Welt gesehen. Von seiner amerikanischen Heimat
wurde er 1936 dem [1][Berliner Zoo] übergeben. 1943, in der Bombennacht am
22. November, wurde das Aquarium zerstört und Saturn irrte durch die
Ruinenlandschaft der Reichshauptstadt auf Nahrungssuche. 1946 entdeckte ihn
ein britischer Besatzungssoldat und überführte das Tier an eine
Sammelstelle in der Sowjetischen Besatzungszone in Leipzig. Von hier trat
er im Juli zusammen mit einer Python die Reise nach Moskau an.
Saturn fühlte sich in Russland bald wie zu Hause, auch wenn einige in ihm
eine „Trophäe“ oder Beutegut sahen, mit denen die Kriegsverluste aufgewogen
werden sollten. Saturn war eine echte Attraktion, es gab nur noch zwei
Exemplare aus der Familie der Krokodile in der Hauptstadt. Er lebte sich
gut ein und „verrusste“ schnell, schrieb Erfolgsautor Boris Akunin über
ihn.
## Liaison mit einer 30 Jahre jüngeren Partnerin
Der Alligator hatte sich schnell an landesübliche
Nomenklatura-Gepflogenheiten angepasst. Er ließ sich auf eine Liaison mit
einer 30 Jahre jüngeren Partnerin ein. Die Beziehung blieb aber kinderlos.
„Schipka“ hieß das Weibchen, das auch aus den USA stammte. Nach ihrem Tod
litt Saturn unter einem schweren Trauma. Monatelang verweigerte er jede
Nahrung. Weder Fisch, Kaninchen noch Ratten konnten ihn locken. Saturn sei
nur noch „Haut und Knochen“, meinte ein Besucher damals. Erst nach langer
Zeit verliebte er sich wieder in eine Jüngere und überwand die
Fressstörung. Ein gutmütiger Charakter wird ihm bescheinigt.
Auch das Leben im Aquarium verlangte Vorsicht. In den 1980er Jahren löste
sich ein Betonblock aus der Decke, aber Saturn brachte sich frühzeitig in
Sicherheit. Später bemühten sich Ärzte monatelang um den Alligator, nachdem
ein Betrunkener versucht hatte, ihn mit einem Feldstein zu wecken. Im
Herbst 1993 soll er gar gewimmert haben. Panzer rollten in Moskau ein und
brachten die Erde zum Beben. Wurden Erinnerungen an die Schlacht um Berlin
wach? Die letzten Jahre hat er viel geschlafen. Die Firma Lacoste mit dem
Krokodilslabel übernahm ihn in ein Sponsorenprogramm. Das zweite Leben
beginnt nun als Ausstellungsstück im Moskauer Naturkundemuseum.
24 May 2020
## LINKS
[1] /Zoo-und-Tierpark-wieder-offen/!5680034
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
## TAGS
Moskau
Zoo
Reptilien
Schwerpunkt Coronavirus
Zoo
2050 – die, die überleben wollen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Coronafall im New Yorker Zoo: Tigerdame Nadia infiziert
Die Malaysia-Tigerin aus dem Bronx Zoo ist das erste Tier in den USA, bei
dem das Coronavirus nachgewiesen wurde. Angesteckt hat sie wohl ihr Wärter.
Seltene Schildkröte in Zoo geschlüpft: Die Rückkehr der Spinnen-Turtle
Der Lebensraum der madagassischen Spinnenschildkröte ist bedroht. In
Hannover sorgt ein frisch geschlüpftes Exemplar daher für große Freude.
Klimawandel und Biodiversität: Ohne Zoos nichts los
Selbst wenn wir das Klima bis 2050 retten, könnten wir dann ganz schön
allein dastehen: Für Tausende von Tier- und Pflanzenarten ist das zu spät.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.