| # taz.de -- Staatliche Sportförderung: Karriere in Uniform | |
| > Josefin Eder ist Sportschützin und Polizistin. Ihr Traum von Olympia in | |
| > Tokio wäre ohne die Förderung der Landespolizei Brandenburg kaum möglich. | |
| Bild: Nach dem Seminar ist vor dem Training: Sportschützin Josefin Eder | |
| Was Josefin Eder am Schießen am meisten liebt, ist der Wille zur | |
| Perfektion. Den braucht man, um als Sportschützin erfolgreich zu sein. | |
| Jeder Tag ist anders und jeden Tag gibt es etwas Neues, das nicht | |
| funktioniert. Da braucht es Disziplin und Ausdauer, um trotzdem hohe | |
| Punktzahlen zu schießen – außerdem Kraft, um die Pistole so ruhig wie | |
| möglich zu halten. „Schießen ist der Sport mit der höchsten psychischen | |
| Belastung“, sagt sie. „Ohne mentale Stärke kommst du da nicht weit.“ | |
| Es sind Charaktereigenschaften wie diese, die ihr auch später bei der | |
| Polizei einmal von Nutzen sein sollen. Die 24-Jährige sitzt uniformiert in | |
| einem kahlen Klassenzimmer – bis eben hat sie noch Klausur geschrieben. Auf | |
| den Tischen liegen schwere Polizei-Fachhandbücher. Sie wirkt gelassen und | |
| bodenständig, auf Fragen antwortet sie schnell und ohne zu zögern. | |
| Die mehrfache deutsche Meisterin an der Luftpistole ist eine von zehn | |
| Nachwuchssportler:innen in der Sportfördergruppe der Landespolizei | |
| Brandenburg. Innerhalb von fünf Jahren absolviert sie hier ein gestrecktes | |
| Bachelorstudium zur Polizeikommissarin und trainiert gleichzeitig für | |
| Olympia. In Frankfurt (Oder) zu Hause, pendelt sie regelmäßig zum | |
| Olympiastützpunkt in Potsdam, wo die Landespolizei Brandenburg seit 2012 | |
| diese Möglichkeit der dualen Karriere anbietet. | |
| Um sich bewerben zu können, müssen die Sportler:innen bereits im | |
| Spitzensport angekommen sein: Nur wer in einem Bundeskader des Deutschen | |
| Olympischen Sportbundes (DOSB) trainiert, kann gefördert werden. Josefin | |
| Eder ist derzeit im sogenannten Perspektivkader, bereits seit 2011 ist sie | |
| Kaderschützin. | |
| ## Frühe Berufswahl | |
| Das Sportschießen entdeckte sie schon im Grundschulalter für sich, besuchte | |
| im Anschluss eine Sportschule, machte 2015 ihr Sportabitur. Später einmal | |
| zur Polizei zu gehen – das kam für sie bereits da in Frage. „Als Sportlerin | |
| muss man früh anfangen, sich mit der Berufswahl zu beschäftigen“, sagt sie | |
| achselzuckend. „Sicherheit spielt für mich eine große Rolle.“ | |
| Für Nachwuchssportler:innen wie Josefin Eder, die seit ihrer Jugend auf | |
| eine WM- oder Olympiateilnahme hin trainieren, ist die begleitende | |
| Berufswahl und der Weg dorthin eine große Herausforderung: Durch das | |
| tägliche Training bleibt wenig Zeit für ein reguläres Studium, geschweige | |
| denn für einen Nebenjob. Mit jeder Wettkampfsaison verlängert sich das | |
| Studium um ein Semester. Um während einer Ausbildung oder fest im Beruf | |
| stehend Spitzensport betreiben zu können, sind verständnisvolle | |
| Arbeitgeber:innen gefragt. | |
| „Die werden niemals von ihrem Sport leben können“, sagt Beate Pezold. Die | |
| 53-Jährige sitzt in ihrem Büro am Olympiastützpunkt (OSP) Brandenburg in | |
| Potsdam. „Olympischer Weg“ ist die Adresse – und genau bei diesem Weg | |
| unterstützt Pezold die Sportler:innen. Sie ist Laufbahnberaterin: Von der | |
| Schule über die Berufswahl bis hin zur nachsportlichen Karriere berät und | |
| unterstützt sie rund 100 Sportler:innen. Seit zwölf Jahren ist sie am OSP | |
| in Potsdam – „das war auch ungefähr der Zeitpunkt, wo das zunahm mit der | |
| dualen Karriere“, sagt sie. „Wir können es uns als Gesellschaft nicht | |
| leisten, unsere Sportler:innen erst Medaillen abräumen und dann im Regen | |
| stehen zu lassen.“ | |
| Pezold war an der Einrichtung der Sportfördergruppe der Landespolizei | |
| beteiligt. Es dauerte allerdings ein paar Jahre, bis das Programm angeboten | |
| werden konnte, erzählt sie. „Wir haben uns das lange gewünscht und es hat | |
| mehr als einen Innenminister dafür gebraucht.“ Unter Dietmar Woidke | |
| schließlich traten 2012 die ersten zehn Sportler:innen ihr Studium an. | |
| Seitdem gibt es alle zwei Jahre einen neuen Jahrgang – Josefin Eder ist im | |
| dritten. | |
| ## Millionen für Medaillen | |
| Brandenburg ist eines von elf Bundesländern, die eine eigene | |
| Sportfördergruppe anbieten. Die Bundespolizei verfügt schon seit 1978 über | |
| ein solches Programm in Bad Endorf, seit 1999 in Kienbaum. 160 | |
| Förderstellen für Sportler:innen, die für den Mittleren Dienst ausgebildet | |
| werden. Wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der | |
| Linken im August 2018 hervorging, investiert die Bundespolizei jährlich | |
| rund 10 Millionen Euro in die Sportfördergruppen. | |
| Ab 2005 gründeten zunehmend auch die Bundesländer Fördergruppen in | |
| Kooperation mit den jeweiligen Olympiastützpunkten. So ergaben sich | |
| insgesamt noch einmal 250 bis 300 Förderstellen. Damit ist die Polizei in | |
| Deutschland nach der [1][Bundeswehr], die rund 750 Stellen und 35 Millionen | |
| Euro zur Verfügung stellt, der zweitgrößte Sportförderer. | |
| „Die Spitzensportförderung der Polizei ist seit vielen Jahren ein fester | |
| Bestandteil im deutschen Leistungssportsystem“, heißt es beim DOSB. Die | |
| Fördergruppen der Landespolizei ergänzen dabei die Bemühungen um eine | |
| Leistungssportreform auf Bundesebene: Erst 2016 hatten DOSB und | |
| Bundesinnenministerium [2][ein neues Konzept] beschlossen, um deutschen | |
| Spitzensport international erfolgreicher zu machen. | |
| Die Olympischen Winterspiele in Sotschi 2014 seien ein „Weckruf“ gewesen, | |
| heißt es im Sportbericht der Bundesregierung. Seit dieser | |
| Leistungssportreform hat sich die Spitzensportförderung des | |
| Bundesinnenministeriums auf aktuell 265 Millionen Euro verdoppelt. 2019 | |
| genehmigte der Haushaltsausschuss des Bundestags noch einmal zusätzliche | |
| Fördermittel in Höhe von 30 Millionen Euro. Es sind Investitionen für | |
| Medaillen. | |
| ## Werbung für die Polizei | |
| Für die Polizei, die gerade verstärkt Nachwuchskräfte sucht, geht es jedoch | |
| nicht allein um Deutschlands Medaillenbilanz. „Wir machen | |
| Öffentlichkeitsarbeit“, formuliert es Miriam Welte. Die ehemalige | |
| Bahnradsportlerin sitzt in der Lobby eines Hotels am Berliner Velodrom. Sie | |
| ist für die Bahnrad-Weltmeisterschaft Ende Februar nach Berlin gekommen, | |
| nachdem sie im September vergangenen Jahres ihre Sportkarriere mit 33 | |
| Jahren beendet hat. | |
| Seitdem arbeitet sie als Kommissarin bei der Landespolizei Rheinland-Pfalz, | |
| wo sie 2008 das Studium in der Sportfördergruppe begann. „In einem | |
| Unternehmen würde man sagen, wir sind Werbepartner“, sagt Welte zum | |
| Verhältnis zwischen Spitzensport und Polizei. Als mehrfache Weltmeisterin | |
| und Olympiasiegerin von 2012 weiß sie, wovon sie spricht. | |
| Die Gegenleistung für ihren Werbeeinsatz ist für die Sportler:innen neben | |
| Geld vor allem die nötige Zeit zum Trainieren. In Josefin Eders Kader sind | |
| es höchstens 3 von 17 Schütz:innen, die ihren Leistungssport neben einem | |
| regulären Studium machen, wie die 24-Jährige meint. Laut DOSB versuchen es | |
| in Deutschland rund 600 Kaderathlet:innen mit einem solchen Karriereweg. | |
| Wer bereits im Perspektiv- oder Olympiakader ist, wird durch ein Stipendium | |
| der Stiftung Deutsche Sporthilfe, der größten privaten | |
| Sportförderinitiative, unterstützt. Wer diesen Weg gehe, habe dennoch | |
| ständig finanzielle Probleme. So hat es Josefin Eder beobachtet. „Einige | |
| haben auch schon mit dem Sport aufgehört“, sagt sie. Der Großteil | |
| entscheide sich deshalb für die Bundeswehr: Hier sei die finanzielle | |
| Absicherung für zwei bis drei Jahre garantiert und danach könne man immer | |
| noch ein Studium anschließen. | |
| Doch nach der Sportkarriere bleibt kaum eine Sportsoldatin oder ein | |
| Sportsoldat bei der Bundeswehr, wie Miriam Welte sagt. Die Olympiasiegerin | |
| war selbst zwei Jahre lang bei der Armee. Weil dort die Sportförderung zu | |
| jener Zeit noch keine Ausbildung beinhaltete, wechselte sie zur Polizei. | |
| Erst 2019 reagierte die Bundeswehr auf die hohe Nachfrage nach dualen | |
| Karrieremöglichkeiten, sagt Laufbahnberaterin Beate Pezold, und unterstützt | |
| seitdem ein begleitendes Studium. | |
| ## Sponsor Polizei | |
| „Ich wollte nach meiner Sportkarriere nicht in ein Loch fallen“, sagt | |
| jedenfalls Bahnsprinterin Welte. „Ich bin 33 Jahre alt – jetzt noch einmal | |
| eine Ausbildung oder ein Studium zu beginnen könnte ich mir nicht | |
| vorstellen.“ Mit ihrer Entscheidung für die Polizei ist sie immer noch | |
| zufrieden: ein sicherer Arbeitgeber, vernünftiges Geld und ein | |
| facettenreicher Beruf. „Die Polizei, das Land Rheinland-Pfalz: das ist mein | |
| Hauptsponsor, ohne den ich meinen Sport nicht hätte machen können.“ Ein | |
| ganzes Jahr hat Welte nach dem Ende ihrer Karriere Zeit bekommen, um | |
| langsam abzutrainieren und sich zu entscheiden, in welchem Bereich sie | |
| arbeiten will. | |
| Ein attraktiver Weg für Spitzensportlerinnen wie Miriam Welte und Josefin | |
| Eder – mit dem kaum eine andere duale Karrieremöglichkeit mithalten kann. | |
| „Es soll niemand Polizist:in werden, der oder die das nicht will“, meint | |
| Laufbahnberaterin Beate Pezold auf die Frage, ob sie | |
| Nachwuchssportler:innen deshalb eine Karriere bei der Polizei nahelegt. Es | |
| gebe von vornherein viele junge Leute, die sich vorstellen können, zur | |
| Polizei zu gehen. „Es ist vielleicht kein Kindheitstraum wie die | |
| Feuerwehr“, räumt sie ein. Aber bei Polizei und Sport gebe es eine deutlich | |
| größere „Schnittmenge Mensch“ als bei anderen Berufen. | |
| „Ich bin nicht zur Polizei gegangen, um Förderung zu bekommen, sondern um | |
| Polizistin zu werden“, sagt Josefin Eder. Im Herbst beendet sie ihr | |
| Studium. Auf lange Sicht kann sie sich vorstellen, als Einsatz- und | |
| Schießtrainerin bei der Polizei zu arbeiten, wenn die Sportkarriere vorbei | |
| ist. Jetzt aber steht erst einmal die Qualifikation für Olympia an. | |
| 7 Mar 2020 | |
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| Helena Weise | |
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