# taz.de -- Rassistische Übergriffe in Berlin: Immer enthemmter | |
> Die Berliner Opferberatungsstelle Reach Out hat ihre jährliche Statistik | |
> vorgelegt. Danach zeigt die Zahl der rassistisch motivierten Angriffe | |
> weiter. | |
Bild: Viele Übergriffe finden im öffentlichen Raum statt, etwa in U-Bahnhöfen | |
Berlin epd/dpa | Die Zahl der extrem rechten, rassistischen und | |
antisemitischen Angriffe in Berlin ist im vergangenen Jahr weiter | |
angestiegen. Insgesamt seien 390 Angriffe registriert worden. Das waren 91 | |
Gewalttaten und massive Bedrohungen mehr als 2018 (plus 26 Prozent), wie | |
die Opferberatungsstelle Reach Out am Mittwoch mitteilte. Mindestens 509 | |
Menschen wurden dabei verletzt und bedroht (2018: 423). Schwerpunkte waren | |
die Bezirke Mitte, Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg. | |
Mehr als die Hälfte der Angriffe (219) seien rassistisch motiviert gewesen | |
(2018: 167 von 309), sagte Sabine Seyb von Reach Out. Die Angriffe auf | |
Menschen aufgrund deren sexueller Neigung, sogenannte LGBTIQ*-feindliche | |
Angriffe, seien ebenfalls auf 105 Taten gestiegen (2018: 63). | |
Antisemitische Gewalttaten gingen den Angaben zufolge dagegen leicht | |
zurück, von 44 im Jahr 2018 auf 31. | |
Bei den meisten von ReachOut 2019 dokumentierten Angriffen handelte es sich | |
um Körperverletzungen (219), gefährliche Körperverletzungen (121) und | |
massive Bedrohungen (43). Außerdem erfuhr ReachOut von zehn Angriffen gegen | |
obdachlose Menschen. Unterm Strich habe ReachOut damit im vergangenen Jahr | |
die höchsten Angriffszahlen seit der Gründung des Projektes 2001 gezählt, | |
hieß es. | |
Seyb sprach von einer verstärkten Enttabuisierung und Enthemmung gegenüber | |
ausgegrenzten und diskriminierten Bevölkerungsgruppen. Die Polizei hatte am | |
Montag für 2019 von 153 politisch motivierten Gewaltdelikten von | |
Rechtsextremisten gesprochen. | |
## Mehr Fälle als die Polizei | |
Die Fallzahlen von Reach Out unterscheiden sich von den Angaben der | |
Polizei, da auch Meldungen von Opfern, Initiativen oder Zeugen aufgenommen | |
werden, die sich nicht an die Polizei wandten. Zudem würden auch solche | |
Vorfälle als Angriff eingestuft, die im Sinne des Strafgesetzbuches nicht | |
unbedingt als Gewalttat gewertet würden, etwa die traumatischen Folgen nach | |
einer Sachbeschädigung. | |
Seyb forderte für Berlin eine Enquete-Kommission gegen Rassismus, in der | |
Handlungsstrategien gemeinsam mit Vertretern der betroffenen Communities | |
entwickelt werden. Zugleich begrüßte sie die Ankündigung von Justizsenator | |
Dirk Behrendt (Grüne) und der Berliner Generalstaatsanwältin Margarete | |
Koppers, eine „Zentralstelle Hasskriminalität“ einzurichten. | |
Die Berliner Registerstellen aus den zwölf Bezirken meldeten am Mittwoch | |
für 2019 insgesamt 3.277 Vorfälle (2018: 3.405), die rechtsextrem, | |
rassistisch oder antisemitisch motiviert waren; darunter mehr als die | |
Hälfte sogenannte Propaganda-Delikte. Zwar habe sich die Gesamtzahl nur | |
unwesentlich verändert. | |
Allerdings hätten sich die Vorfälle gegen sexuelle Minderheiten verdoppelt, | |
antisemitische Online-Bedrohungen und Beleidigungen seien hingegen | |
zurückgegangen, sagte Kati Becker, Koordinatorin der Registerstellen. | |
Extrem rechte und rechtspopulistische Akteure agierten selbstbewusst auf | |
lokaler Ebene und erlebten zu selten entschiedenen Widerspruch, sagte | |
Becker. | |
Anders als ReachOut dokumentieren die Register neben gewalttätigen | |
Angriffen und massiven Bedrohungen auch Vorfälle wie zum Beispiel | |
Propaganda-Delikte, Beleidigungen und Sachbeschädigungen. Dadurch sind die | |
Deliktzahlen viel höher. | |
11 Mar 2020 | |
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