Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Mit Wut gegen Hass
> In Bremen mehren sich rechtsextreme Anschläge und Drohungen. Nach dem
> Terror in Hanau üben sich Bremer in Solidarität – allerdings stärker im
> Viertel als vor der Moschee
Bild: Viele Bremer*innen wollen der rechten Szene etwas entgegensetzen: Tausend…
Von Eiken Bruhn und Lotta Drügemöller
Murat Çelik hat schöne Erinnerungen an Hanau. „Dort gibt es ein
Fastenbrechen mit Muslimen und Nichtmuslimen“, erzählt der Vorsitzende der
Bremer Schura, „etwas, das wir auch in Bremen machen sollten.“ Nun sei
dieses Bild durch den rassistischen Anschlag ins Hintertreffen geraten. „Es
wird nie wieder so sein wie vor Hanau“.
Dabei muss Çelik gar nicht bis nach Hanau schauen, um die Bedrohung gegen
Muslim*innen zu sehen: Am Tag des Anschlags hatte es eine Bombendrohung
gegen die Bremer Fatih-Moschee gegeben. Die Mahnwache, die nach dem
Freitagsgebet vor dieser größten und ältesten Bremer Moschee in Gröpelingen
stattfindet, steht unter Polizeischutz. „Die Zahl der rechtsextremen
Gefährder hat sich seit 2012 verfünffacht. Das alles erfüllt uns mit großer
Sorge“, sagt denn auch Çelik.
Zwischen zwei- und dreihundert Menschen sind gekommen und hören ihm zu,
viele Muslim*innen sind dabei, ein paar weitere Bürger*innen, die
Solidarität zeigen wollen und einige Politiker*innen inklusive
Bürgerschaftspräsident und Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD). „Zu
Bremen gehört der Islam selbstverständlich“, sagt er, und: „Kein Fußbreit
den Faschisten.“ Der Senat werde alles unternehmen, um die Sicherheit aller
zu gewährleisten. „Unseren Sicherheitsorganen können sie vertrauen“, wirbt
er.
Ernsthaft, aber auch sehr hilflos betroffen wirkt Bürgerschaftspräsident
Frank Imhoff (CDU). „In Deutschland sterben wieder Menschen durch
rechtsextreme, hasserfüllte Menschen. Wie traurig ist das? Wie müssen Sie
sich fühlen?“, fragt er in die Runde. Die 28-jährige Betül könnte diese
Frage beantworten. „Es ist ein Chaos der Gefühle, eine Mischung aus Trauer,
Angst und Frustration“, so die junge Frau am Rande der Mahnwache. „Immerhin
macht es Hoffnung, dass ein paar Menschen hier doch Gesicht zeigen.“
Auch Ridvan D. findet es gut, dass die Politiker*innen da sind, „auch wenn
es eine Selbstverständlichkeit ist.“ Er ist heute nach dem Freitagsgebet in
einer anderen Gemeinde noch mit ein paar Freunden herübergekommen. Die
Bombendrohung würde er gern als bösen Spaß einschätzen. „Aber in Tateinhe…
mit den Anschlägen in Christchurch und Hanau wirkt es eben doch sehr real
bedrohlich“, sagt D.
Trotz dieser realen Bedrohung vor Ort ist die Mahnwache vor der Moschee am
Freitag sehr viel kleiner als die Demonstration zum Anschlag in Hanau, die
am Abend zuvor vom Ziegenmarkt bis zum Marktplatz ging. Die Polizei sprach
von über 1.000 Teilnehmer*innen – tatsächlich dürften es über 2.000 gewes…
sein. Im dichten Zug schoben sich die Menschen durch die Straße; als die
ersten am Ulrichsplatz ankamen, waren die letzten noch 250 Meter weiter
hinten am Sielwalleck.
Ursprünglich hatten mehrere Gruppen zur Kundgebung aufgerufen, um ein
Zeichen gegen den mutmaßlichen rechten Brandanschlag auf das Jugendzentrum
„Friese“ zu setzen. Die Stimmung ist ernst, einzelne Redner*innen weinen
fast bei ihren Redebeiträgen, die sie nach dem Anschlag in Hanau
umgeschrieben haben. „Wir sind alle Muslime, wenn ihr gegen Muslime seid.
Wir sind alle Juden, wenn ihr gegen Juden seid“, ruft ein Redner. Die
Fraktionsvorsitzende der Linken, Sofia Leonidakis, zieht Hoffnung aus der
großen Teilnehmer*innenzahl auf der spontanen Demo. „Das, was heute anders
ist, ist die Solidarität, die sich hier zeigt“, ruft sie. „Laye Condé hat…
diese breite Unterstützung der Öffentlichkeit nicht.“
Solidarisch wollten sich auch die Bürgerschaftsabgeordneten zeigen. Auf der
Sitzung der Innendeputation am Donnerstag gedachten deren Mitglieder der
Toten von Hanau. Vertreter*innen der Fraktionen von Grünen, SPD, Linken,
CDU und FDP warben anschließend für ein gemeinsames Einstehen für die
Demokratie.
Björn Fecker, innenpolitischer Sprecher der Grünen, wies darauf hin, dass
es sich beim Täter in Hanau nicht um einen Einzeltäter handele. Der Chef
des Landeskriminalamtes, Daniel Heinke, ergänzte: „Das ist eine Strategie
von Rechtsextremisten, aber auch Islamisten, geistig nicht ganz gesunde
Personen dazu zu motivieren, solche Anschläge zu verüben.“
Der Grüne Fecker sagte, auch Angriffe auf Moscheen seien Angriffe auf die
Demokratie – „Das wird oft nicht so wahrgenommen.“ Und: Die Verrohung in
den Parlamenten sei der Nährboden für rechtsextremistische Taten.
Auffällig stumm waren die drei Mitglieder der Innendeputation, an die diese
Aussage gerichtet war. Doch weder die AfD noch die Bürger in Wut hatten
offenbar etwas zu den Vorfällen zu sagen.
Zu Wort meldete sich Polizeipräsident Lutz Müller. Er sagte, angesichts der
Berichte über rechtsextremistische Polizist*innen und Soldat*innen brauche
die Polizei eine klare Haltung, die sich von diesen distanziere. „Ich
erwarte das von allen Beamten und Beamtinnen.“
Am Abend bei der Demo gibt man sich skeptisch, was die klare Haltung der
Staatsbeamt*innen angeht. „Wir erleben die Polizei nicht als Schutz,
sondern als Bedrohung“, sagt ein Redner.
Samstag, 10.15 Uhr: Treffen am Infopoint im Bahnhof, um zur Demo nach Syke
anlässlich des rechten Brandanschlags auf das dortige Restaurant eines
Deutsch-Syrers zu fahren (siehe Infokasten)
22 Feb 2020
## AUTOREN
Eiken Bruhn
Lotta Drügemöller
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.