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# taz.de -- Kartoffelsalat-Fortsetzung im Kino: Ein Film für Follower
> Eine Fortsetzung unter den Bedingungen des Internets: „Kartoffelsalat 3 –
> Das Musical“ mit dem Youtube-Star Torge Oelrich feierte Weltpremiere.
Bild: Darauf kommt es im Film nicht an: Tanzen und Singen
Bremen taz | Der rote Teppich kann harte Arbeit sein. Nehmen wir Lea
Mirzanli und Marta Shkop: Bei Nieselregen und 4 Grad über Null posierten
die Hauptdarstellerinnen des Spielfilms „Kartoffelsalat 3 – Das Musical“ …
Samstag auf dem Heider Marktplatz für ihre jungen Fans, genauer: für deren
unzählige Selfies – in knapp geschnittenen Abendkleidern, mit ihrem
schönsten Fotolächeln.
Im Lichtblick-Kino gleich nebenan lief „Kartoffelsalat 3“ den ganzen Tag
lang in allen fünf Sälen: Weltpremiere. Und der Star der Region, der
Youtuber Torge Oelrich, alias Freshtorge, machte Faxen für seine
Follower*innen mal nicht viral online, sondern ebenfalls leibhaftig.
Für die Stadt in Dithmarschen wird es der mediale Höhepunkt des Jahres
gewesen sein – und doch nur ein Déjà-vu: Vor vier Jahren war derselbe
Marktplatz gefüllt gewesen mit mehr als 5.000 kreischenden und
hyperventilierenden Fans: [1][Es war die Premiere des ersten
„Kartoffelsalat“-Films]. Zugegeben: Damals war Sommer – und die Erwartung…
angesichts des ersten Kinofilms eines deutschen Youtube-Stars waren groß.
Diesmal dagegen, bei Teil drei, konnte auch eine Sechsjährige ohne großes
Gedränge auf die Absperrung gelangen und den festlich Gekleideten
schüchtern das Smartphone entgegenhalten. Presse und das Fernsehen
berichteten, und es liegt vielleicht in der Natur des Netzruhms, dass die
Produktionsfirma Take 25 Pictures statt mit den tatsächlich Anwesenden
lieber mit den fast 200.000 Follower*innen des „Kartoffelsalats“ auf
Instagram wirbt.
## Kartoffelsalat erntete Verrisse
Am heutigen 30. Januar startet der Film, und es gibt eine Kinotour mit
Torge und vielen Hauptdarsteller*innen. Ob „Kartoffelsalat 3“ gelungen ist
oder nicht, scheint dabei kein entscheidender Faktor zu sein: Torge
„Freshtorge“ Oelrich hat sich mit über 600 Youtube-Videos einen Namen
gemacht. Darin macht er Witze, über die kaum jemand anders als sein sehr
junges Zielpublikum lachen kann – sein Kanal hat mehr als drei Millionen
Abonnent*innen.
Als [2][sein Spielfilmdebüt „Kartoffelsalat“ nur Verrisse] erntete und eine
Zeitlang von der Online-Filmdatenbank IMDB als der „weltweit am
schlechtesten bewertete Film“ gehandelt wurde, feierten Oelrich und die
weiteren Macher*innen das „wie eine Oscar-Auszeichnung“, sagt Produzent
Michael Lütje von Take 25 Pictures. Bloß: Schon bald tauchte
„Kartoffelsalat“ auf keiner solchen „worst films“-Liste mehr auf. Ob Fa…
Hater oder die Macher*innen selbst mit vielen fingierten Klicks für die
zweifelhafte Auszeichnung gesorgt hatten? Egal.
Um die 500.000 Besucher*innen, ganz reale, hatte „Kartoffelsalat“ am Ende.
Deshalb nun die Fortsetzung. Die trägt gleich eine „3“ im Titel, so
Oelrich, „weil zweite Teile immer schlecht sind“. Eigentlich der Star des
Ganzen, spielt er im neuen Film eher nur eine Nebenrolle. Im ersten
„Kartoffelsalat“ verkörperte er den Schüler Leo Weiß, der dafür
verantwortlich war, dass an seiner Schule ein Virus ausbricht und die
meisten Mitschüler*innen und Lehrer*innen in Zombies verwandelt.
Diesmal nun gibt er – wenig plausibel – den Leiter der Schule, die von der
fiesen Kieler Kultusbürokratie mit Schließung bedroht wird. Einziger
Ausweg: eine Beliebtheitsoffensive. Dazu beitragen soll ein Musical, das
nun eingeübt und aufgeführt wird und die Geschichte aus Teil eins nochmal
erzählt. Der Rektor bekommt Gewissensbisse, denn er hat nie zugegeben,
damals die Zombie-Seuche ausgelöst zu haben.
Vor allem geht es aber um die Schüler*innen und Lehrer*innen, die das
Musical produzieren und dabei mit Problemen wie Mobbing, allerlei skurrilem
Personal sowie Sabotage durch eine konkurrierende Eliteschule zu kämpfen
haben. Ausgiebig plündert „Kartoffelsalat 3“ das Genre der Schulfilme und
auch, dass die offenbar unvermeidliche große Liebesgeschichte sich hier
zwischen zwei Schülerinnen entspinnt, ist keine ganz neue Idee.
## Die Lieder sind mittelmäßig
Stattdessen hat der aus Heide stammende Regisseur Michael David Pate erneut
eine solide Ironieebene eingezogen, wodurch er so gut wie alle
vorstellbaren kritischen Einwände vorwegnimmt. Als Musical etwa
funktioniert der Film nicht: Zwar wird darin viel gesungen und getanzt,
aber das wirkt denn auch wie eine Schulaufführung, und kein einziges Lied
hat auch nur ansatzweise Ohrwurmqualität. Aber es sagt eben auch jemand im
Film selbst, das es ja nur ein mittelmäßiges Musical sei, mit dem da die
Schule gerettet werden solle.
Bei einem Casting für das Musical hat Menderes – der ewige Verlierer des
Castingformats „Deutschland sucht den Superstar“ (DSDS) – einen kurzen,
schrillen Auftritt, und mit Nicole Cross sowie Lisa Küppers spielen gleich
noch zwei ehemalige DSDS-Teilnehmerinnen mit. Insgesamt ist die Besetzung
inspirierter und origineller, als sich das über Drehbuch und Inszenierung
sagen lässt.
## Ganz viel B-Prominenz
Das Schulkollegium etwa umfasst den einstigen Teeniestar Jasmin „Blümchen“
Wagner, Katy Karrenbauer, die durch die Fernsehserie „Hinter Gittern – Der
Frauenknast“ bekannt wurde, sowie Jens Knossalla, bekannt geworden durch
Pokershows im Fernsehen, der sich heute selbst als König bezeichnet und
konsequenterweise in der Öffentlichkeit mit einer Krone auftritt.
Außerdem spielen Influencer*innen und Teenieserien-Schauspieler*innen mit,
sodass es kaum ein Gesicht gibt auf der Leinwand, das dem Zielpublikum
nicht aus einem anderen Kontext vertraut ist. Da ist es dann nicht
entscheidend, ob jemand spielen, singen oder tanzen kann – der Auftritt an
sich zählt.
Mit den Maßstäben der traditionellen Filmkritik ist „Kartoffelsalat 3“ ka…
beizukommen. Aber im Kino war das Spektakel eigentlich immer schon ebenso
wichtig wie die Filmkunst, und dass viele von Torge Oelrichs Follower*innen
den Film, statt auf dem Smartphone, auf einer Leinwand ansehen werden: das
erzählt doch auch etwas über die immer noch große Kraft des einstigen
Leitmediums Kino.
Kartoffelsalat 3 – Das Musical Regie: Michael David Pate. Mit Lea Mirzanli,
Marta Shkop und Nicole Cross. Deutschland 2020, 93 Minuten. Internet:
[3][www.kartoffelsalat-film.com]
30 Jan 2020
## LINKS
[1] /Komoedie-mit-Einheimischen/!5214372/
[2] /Schlechte-Bewertung-fuer-Kartoffelsalat/!5230365/
[3] http://kartoffelsalat-film.de/
## AUTOREN
Wilfried Hippen
## TAGS
Coming-of-Age-Film
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