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# taz.de -- Doping in Deutschland: Die Täter sind unter uns
> Doping? Das ist ein Problem der anderen, der Russen, sagt
> Sportdeutschland. Und verdrängt das Offensichtliche.
Bild: Doyen der Dopingaufklärung in Deutschland: Werner Franke aus Heidelberg
„Ich verachte nach wie vor den deutschen Sport.“ Wer den ruhelosen
Anti-Dopingkämpfer Werner Franke kennt, wird dieser Satz, den er kurz vor
seinem 80. Geburtstag am Freitag formulierte, nicht wirklich überraschen.
Franke hat sich stets auf die Begebenheiten vor Ort konzentriert.
Bemerkenswert ist der Satz jedoch insofern, weil der Dopingdiskurs
hierzulande in den letzten Jahren häufig um ferne Länder kreiste.
Sorgenvoll verfolgte man die Entwicklungen in China, Jamaika, Kenia,
Äthopien und ganz besonders in Russland.
Seltsam unterbeleuchtet dagegen bleibt bislang die Rolle des deutschen
Sports im Erfurter Dopingskandal, der im vergangenen Jahr aufflog. Es ist
zwar von einem kriminellen Netzwerk die Rede, in dem der deutsche Sportarzt
Mark Schmidt mit der Methode des Eigenblutdopings eine herausgehobene Rolle
spielte. Als Kunden sind namentlich jedoch vornehmlich ausländische
Sportler bekannt und an den Pranger gestellt worden. Die nach
ARD-Recherchen involvierten zwei deutschen Radfahrer genießen dagegen noch
den Schutz der Anonymität.
Ebenfalls fern von Russland und China wurde am Donnerstag ein
[1][spektakulärer Dopingfund] vermeldet. 850 Epo-Spritzen hat die Guardia
Civil in Spanien sichergestellt. Dazu anabole Steroide und Hormone.
Insgesamt die größte Menge an Dopingmitteln, die jemals in Europa
beschlagnahmt wurde. Die gut 250 Abnehmer sollen spanische und
internationale Sportler gewesen sein – in Frankreich, Italien und
Deutschland beispielsweise. Viele unbekannte Amateursportler und
insbesondere Radfahrer seien darunter, aber auch Fußballer und
Profisportler.
Die Ware stammt aus einem kriminellen Ring spanischer und serbischer
Staatsbürger, die bereits seit knapp zehn Jahren mit dem Blutdopingmittel
ihre Geschäfte machen. Vom südspanischen Cadiz aus sollen sie agiert haben,
wo eine Krankenschwester über das örtliche Hospital Epo bestellte.
## Epo in Mini-Dosen
Weil Epo in Minidosierungen kaum nachweisbar ist und dennoch enorm wirksam
die Sauerstofftransportkapazität im Blut erhöht, erfreut es sich nach wie
vor einer großen Beliebtheit. Werner Franke hat diese Woche für die
Olympischen Sommerspiele in Tokio prognostiziert, dass die Betrugsversuche
nicht abnehmen werden. Nur die Dosierungen würden sich eben ändern.
Wieso sollten deutsche Sportler vor solchen Versuchungen gefeit sein? Die
Opfererzählungen im deutschen Sport, nach denen man sich international
einem unfairen Wettbewerb stellen muss, weil in anderen Ländern so lax oder
gar nicht kontrolliert wird, lassen die nach wie vor mannigfaltigen
Täteroptionen außer Acht.
Die Kontrollsysteme werden auch hierzulande unterlaufen. Vielleicht können
dies die Ermittler des Erfurter Dopingnetzwerkes bald doch noch
illustrieren. Oder möglicherweise sind die spanischen Behörden dabei im
jüngsten Fall behilflich.
Vieles wird im deutschen Sport verdrängt. Die Dressurreiterin Isabell Werth
landete im vergangenen Dezember bei der Wahl zur Sportlerin des Jahres auf
Platz vier. Dass sie einst ihrem Pferd Whisper ein verbotenes
Beruhigungsmittel verabreichen ließ und 2009 dafür eine sechsmonatige
Dopingsperre erhielt, ist längst vergessen.
Mit dem für Pferde nicht zugelassene Psychopharmaka Fluphenazin, so
verteidigte sich damals Werth, habe sie nur den Alltag von [2][Whisper],
der unter der Zitterkrankheit leide, erleichtern wollen. Wobei im
Zweifelsfall diese Geschichte sogar Werner Franke egal sein dürfte. Für ihn
stand im Kampf gegen Doping stets die perverse Ausbeutung menschlicher
Körper im Mittelpunkt.
31 Jan 2020
## LINKS
[1] https://www.deutschlandfunk.de/epo-in-spanien-polizei-hebt-dopingring-aus.8…
[2] /Pferd-von-Dressurreiterin-Werth-gedopt/!5160908
## AUTOREN
Johannes Kopp
## TAGS
Antidopingkampf
Epo
Doping
Italien
Olympische Winterspiele 2022
Kolumne Kulturbeutel
Doping
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