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# taz.de -- Doping in Deutschland: "Der war voll wie tausend Haubitzen"
> Vorkämpfer Werner Franke glaubt auch nach den Beichten ehemaliger Profis
> nicht an eine Reinigung des Radsports.
Bild: Doyen der Dopingaufklärung in Deutschland: Werner Franke aus Heidelberg
taz: Herr Franke, bricht im Radsport gerade das Kartell des Schweigens
auseinander?
Werner Franke: Natürlich nicht. Die Annahme, dass dies passieren würde, ist
nicht besonders intelligent. Es sprechen doch nur die, die nichts mehr zu
befürchten haben.
Der ehemalige Telekom-Profi Bert Dietz hat Doping bekannt, ihm folgten
Christian Henn und Dietrich Thurau.
Ich schätze, dass Dietz eine vierstellige Eurosumme für seinen Auftritt
bekommen hat.
Dass er sich offenbart hat, war dennoch couragiert.
Was ist daran couragiert? Was hat er denn zu befürchten?
Er hat immerhin das getan, was andere nicht tun: Er hat offen über Doping
gesprochen.
Aber er ist seit Jahren raus aus der Szene. Man kann ihm nichts mehr
wollen. Seine Erfolge können auch nicht mehr annulliert werden.
Christian Henn ist noch im Radsport aktiv, als Sportlicher Leiter des Teams
Gerolsteiner.
Der Manager des Teams, Hans-Michael Holczer, hat doch bereits gesagt, dass
ihm das Bekenntnis von Dauerdoper Henn überhaupt keine Probleme bereitet.
Er scheint generell keine Probleme damit zu haben, wenn junge Menschen
durch Doping gefährdet werden und das Volk verarscht wird. Er hatte ja auch
keine Berührungsängste mit russischen Stabsärzten - ich ziele auf den Fall
Hondo ab [Danilo Hondo wurde mit dem russischen Stimulans Phenotropil bzw.
Carphedon auffällig, er fuhr von 2003 bis 2005 Gerolsteiner und ist noch
immer wegen Dopings gesperrt; d. Red.]. Und was den Thurau anbelangt: Der
wurde doch damals schon mehrmals erwischt. Der war voll wie tausend
Haubitzen. Was für eine lächerliche Annahme, Didi Thurau hätte etwas Neues
mitgeteilt.
Wozu sind die Bekenntnisse gut?
Sie dienen dazu, eine neue Linie aufzubauen. Man tut so, als würde die
Vergangenheit aufgearbeitet und abgehakt - und als würde ab jetzt wie
verrückt kontrolliert. Aber es wird nichts wirklich Effektives passieren.
Das alles ist grobe Volksverdummung.
Es bleibt alles beim Alten?
Nur wer irrwitzig hoch dosiert hat, wird erwischt. Leider waren auch einige
Epo-Tests falsch. Die Labore haben ja auch dazu beigetragen, dass es
weniger Vertrauen in die Tests gibt. Das heißt natürlich nicht, dass
weniger mit Epo [Erythropoetin ist ein Hormon, das als Wachstumsfaktor für
die Bildung roter Blutkörperchen dient; d. Red.] gedopt wird. Es wird heute
eben Epo-Doping mit relativ geringem Risiko betrieben: Man dopt sich auf
einen Hämatokritwert von 45 bis 48 hoch und nimmt dann nur noch sehr
geringe Dosen, zum Teil auch körpereigenes Epo, gefiltert aus dem Urin oder
sogenannte Epo-Mimetika. Auch Wachstumshormone werden nicht nachgewiesen.
Oder man nimmt neuartiges Epo wie "Eposino", ein chinesisches Epo-Präparat.
Sie müssen doch zugeben, dass diese Dopingbeichten wenigstens zur
Aufklärung der Öffentlichkeit beitragen.
Das nützt doch auch nichts. Was wird denn beispielsweise mit den
Radsportübertragungen im Fernsehen passieren? Werden die verschwinden?
Radsport wird gern geschaut.
Diese kriminellen Veranstaltungen werden weiter übertragen. Derzeit ist ja
auch der Giro zu sehen. Die Werbewirksamkeit ist nach wie vor da und damit
auch die Bereitschaft zum Dopen. Es wird weiterhin viel Geld im Spiel sein.
Schauen Sie sich doch das damalige Basisgehalt von Jan Ullrich an: 2,5
Millionen.
Der Druck auf Ullrichs Mitstreiter steigt, auch auf Rolf Aldag, Sportchef
bei T-Mobile.
Aldag wird die gleiche Nummer abziehen wie Henn. Die Teamleitung dürfte
danach sagen: Er hat zur Wahrheit gefunden, ein reuiger Sünder, ganz toll,
wir behalten ihn im Team.
Halten Sie den Radsport grundsätzlich für nicht reformierbar?
Nein. Wenn der Rubel rollt, ist die Ethik im Arsch.
Ich nehme an, Sie haben sich bei der Beichte von Dietz köstlich amüsiert,
vor allem als er vorschlug, alle Betroffenen mögen sich outen, damit der
Radsport sauber wird?
Natürlich. Ich frage mich, was das für eine Einstellung ist: Zehn Jahre
habe ich euch alle beschissen, aber jetzt, da ich ein bisschen was
zugegeben habe, will ich von allen geliebt werden. Und kassieren will ich
auch noch!
SPD-Sportpolitiker Peter Danckert und der Deutsche Olympische Sportbund
sprechen jetzt von einer Amnestie für geständige Doper. Was halten Sie
davon?
Sie kommen mit den Fremdwörtern nicht klar. Die verwechseln Amnestie mit
Amnesie.
24 May 2007
## AUTOREN
Markus Völker
## TAGS
Antidopingkampf
Radsport
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