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# taz.de -- ICE-Fahren im Ruheabteil: Betrunkene Almans im Zug
> Während Almans im Ruheabteil saufen und quatschen dürfen, werden PoCs
> angemeckert, wenn sie reden. Auch im ICE formt Rassismus die Regeln.
Bild: Ich bin kein_e Mathematiker_in, doch ich kenne die Elendsformel: Almans +…
Bis ich Anfang 20 war, saß ich nur ein einziges Mal im ICE und dies war ein
Versehen, da ich nicht wusste, dass ich mit meinem Schülerferienticket
nicht mitfahren darf. Erst seitdem ich geschäftlich reise, bin auch ich
Teil dieser Gesellschaft, die in der ICE-Werbung abgebildet wird. Ich habe
dieses Jahr mehr Stunden im Zug als im Büro verbracht. Jede Zugfahrt
erinnert mich nicht nur an den [1][madigen Kommentar von Boris Palmer], der
gegen die Deutsche Bahn pöbelte, da auf deren Startseite vor allem PoC zu
sehen waren, sondern auch daran, wie Rassismus maßgeblich Regeln formt.
Meistens versuche ich, [2][einen Platz im Ruheabteil zu erwischen], um auf
dem Weg zur Arbeit noch andere Arbeit zu schaffen oder es mir zumindest
vorzunehmen, während ich Serien, Musik oder Bücher ballere.
Neulich so: Ich sitze gegenüber einer Freundin am Vierertisch im
Ruheabteil, beide von uns vertieft im Schreiben, um uns herum
ausschließlich Almans. Links von mir löst ein älteres Paar Kreuzworträtsel.
Am Vierertisch nebenan sitzen drei aufgedrehte Sekt-Renates und ein
Ich-quatsch-gern-mit-Fremden-Thomas, die lautstark schnacken, lachen und
socializen. Genervt überlege ich, passiv-aggressiv auf das Ruheschild
hinzuweisen, schäme mich aber direkt für meinen Gedanken und gebe auf.
Also unterhalten meine Freundin und ich uns leise. Bis eine
Funktionskleidungssabine vor uns steht und erklärt, dass wir uns in einem
Ruheabteil befinden. Vielleicht seien uns ja die Schilder aufgefallen. Auf
ihnen steht „Psst!“. „Warum haben Sie das nicht vor anderthalb Stunden dem
Tisch nebenan gesagt?“, frage ich Sabine. „Ich sage es jetzt in die Runde�…
behauptete sie und schaut weiterhin nur mich und meine Freundin an.
## Neue Fahrt, neues Elend
Diesmal bin ich allein unterwegs. Sobald ich sitze, dauert es nur wenige
Minuten, bis sich eine besoffene alman Männergruppe mit zischenden
Bierflaschen und Schlagermusik aus Lautsprecherboxen grölend bemerkbar
macht. „Oh nee“, seufze ich in mich hinein. Als ich umsteige, passiert das
Gleiche noch mal. Diese neue Typengruppe hat sogar Eiswürfel und eigene
Gläser dabei.
Als ich die Schaffnerin bitte, irgendwas zu sagen, entgegen diese nur, dass
sie nichts dagegen tun kann, schließlich seien „die“ betrunken. Man zahlt
ein halbes Vermögen für ein Bahnticket, nur um am Ende in einer
verspäteten, überfüllten Bahn zu landen, die sich, als würden die ersten
drei Punkte nicht schon ausreichen, als halber Ballermann herausstellt. Ich
bin kein_e Mathematiker_in, doch ich kenne die Elendsformel (Almans +
Alkohol). Sie macht jede ICE-Fahrt zum Ausflug in die Hölle. (Okay,
vielleicht ist es nur das Foyer der Hölle.)
Es ist offensichtlich: Wären in der Gruppe keine Almans, würde es nicht
lange dauern, bis laute Musik oder ausgiebiger Alkoholkonsum in solchen
Zügen verboten würde. Bei Almans drückt man gern ein Auge zu, [3][bei Kanax
die Kurzwahltaste zur Polizei.]
8 Dec 2019
## LINKS
[1] /Kommentar-Tuebinger-OB-Boris-Palmer/!5587804
[2] /Kolumne-Nach-Geburt/!5407638
[3] /Rassistischer-Vorfall-in-Frankfurt/M/!5056077
## AUTOREN
Hengameh Yaghoobifarah
## TAGS
Kolumne Habibitus
Schwerpunkt Rassismus
Deutsche Bahn
ICE
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