Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Vorschau auf das Sportjahr 2020: Sitting Ovations down under
> 2020 kommt was auf uns zu: eine erfrischend chaotische Fußball-EM, der
> alte Fritz, der neue Jupp, Ten Pin Kegling, und kein Olympia-Gold im
> Mitsegeln.
Bild: Zerreißprobe Meisterschaft: Jürgen Klopp ist gewappnet gegen die Gefahr…
Oberstdorf, 23. Januar. Nach den bayerischen Gemeinden Poing, Wörthsee und
Zorneding, die schon 2019 den Klimanotstand ausgerufen haben, folgt der
Gemeinderat von Oberstdorf, „aus Respekt vor der Zukunft“, wie es
würdelastig heißt. Das wird Folgen haben.
Melbourne, 2. Februar. Der Seniorentrend im Tennis hält an: Die Champions
der Australian Open, Roger Federer und Serena Williams, zusammen 76 Jahre
alt, wollen altersgerecht „mit den Kräften haushalten“. Deshalb feiern sie
die Titel mit einem langsamen Walzer – sitztanzend in einem Rollstuhlkreis
mit den BewohnerInnen des Yarra River Retirement Centre. Die Sieger haben
jetzt 45 Grand-Slam-Titel. „50 geht noch“, sagt Federer. „Bis Melbourne
2021“, verspricht Williams. Die Aussie-Alten bedanken sich mit Sitting
Ovations.
Herzogenaurach, 3. März. Das abrupte Ende des Nike Oregon Project mit
langlaufenden Bindfäden wie [1][Konstanze Klosterhalfen] weckt die
Konkurrenz. Reebok setzt auf Wassersportler, die mit plötzlich gewachsenen
Schuppen und Schwimmhäuten unterwegs sind („eine feine Laune der Natur“).
Adidas widmet sich schieren Muskelmassen: Im Adi Bavaria Project trainieren
Gewichtheber und Kugelstoßer. Klosterhalfen will jetzt Tonnen stemmen: „Ich
habe schon drei Kilo zugenommen“, kichert sie, „pro Bizeps.“ Dabei hört
man, dass ihre Stimme in die Pubertät kommt.
St. Moritz, 8. März. Beim 42. Engadiner Skimarathon taucht unter den 15.000
Pistenflitzern erneut der Kölner Stunk-Karnevalist Didi Jünemann, 68, auf,
einst gefürchteter Alternativkicker bei Bunteligalegende Petermann
Stadtgarten. „Et rutsch, wie et rutsch“, kommentiert er nach seinem 5.
Zieleinlauf in Folge – wieder im klassischen Karnevalskostüm. Entzückt wird
er unter dröhnenden Alphornklängen zum „1. Engadiner
Ehren-Schweizergardisten“ ernannt.
Nyon, 1. April. Beim Nachjustieren des Spieletableaus für die Fußball-EM
wird das Duell Bosnien-Herzegowina gelost. „Wir gegen uns, so ein Quatsch“,
schimpft die Sarajevučko Times. „Unsere raffinierten Auslosungspfade
erlauben das“, rechtfertigt sich die Uefa.
Nyon, 3. April. Die Uefa knickt in der Causa Bosnien-Herzegowina ein.
„Vermutlich noch vor Beginn des Turniers“ soll es eine neue Auslosung
geben.
Zürich, 4. April. Weltverband Fifa kontert im Groteskenspiel der
Fußballfunktionäre mit„innovativer Marktkreativität“, so ihr Chef Gianni
Infantino: 2022 gibt es WM-Halbfinals mit Hin- und Rückspiel. „Und das
Finale wird im Modus Best of seven ausgetragen.“
Liverpool, 25. April. Die Reds werden vorzeitig Meister. Jürgen Klopp trägt
auf ärztlichen Rat eine Panzerweste, damit er nicht vor Glück platzt. Jogi
Löw erklärt „höggschten Reschpeckt“, dieser Titel sei „die Sané auf d…
Kuchen des Trainerlebens“.
München, 9. Mai. Endlich, auch in Deutschland gibt es einen neuen
Fußballmeister! Erstmals seit Menschengedenken (1969) holt der FC Bayern
(1:0 gegen Champions-Leagist SC Freiburg) den Titel ohne den großen
Steuermann und -nvermeider. Der neue Uli Hoeneß, Nachfolger Herbert Hainer,
verspricht weißbiernassforsch „eine große neue Serie“. Hainers postnatale
Energie hatte den Fußball schon früh beflügelt: Er kam in der Nacht zur
Welt, bevor Rahn aus dem Hintergrund schoss am 4. Juli 1954.
München, 11. Mai. Würstepensionär Hoeneß huldigt dem Erfolgstrainer Flick
per Maximallob: „Hansi ist unser neuer Jupp.“ Westfalenkalle Rummenigge
ergänzt gewohnt nüchtern: „Wir haben Hans I. vorigen Sommer nicht als Co,
sondern als Back-up für diese, wie hießen sie noch mal … also diese
Kovačevičkij-Brüder geholt. Damit wir vorsorgt sind, als die endlich
entsorgt waren.“ Die strategische Zukunft? „Herr Flick kann sich freuen,
dass er ab Juli mit Pep als Co-Trainer zusammenarbeiten kann.“
Tarnowo Podgórne, 23. Mai. Alle WM-Titel im Kegeln gehen nach
[2][Deutschland]. Die einheimischen Polen, auch die sonst starken
Tschechen, bleiben pudelstark auf den Plätzen. Der Deutsche Keglerbund will
darauf seine Sportart namentlich abschaffen: „Nine Pin Bowling, die
internationale Bezeichnung“, klinge doch „wie beschnitten. Als fehle
unserer Traditionssportart, schon in der Antike und von Turnvater Jahn
selig mit Hingabe betrieben, ein Kegel.“ Stattdessen solle sich Bowling,
diese „neumodische Plattholz-Disziplin“, umtaufen in Ten Pin Kegling.
Baku/Brüssel, 12. Juni. Beginn der Fußball-EM. Noch ahnen die Fans nicht,
was ihnen bevorsteht beim Dauerpendeln zwischen den paneuropäischen
Spielstätten wie St. Petersgow, Glasburg, Bilbakuo, Budarest und Bukapest:
Grenzschikanen, Alkoholverbote, Flugausfälle, Tunnelblockaden,
Fährenstreiks. Gestrandete englische und italienische Fans gucken im
zentraleuropäischen Aserbaidschan zwangsnüchtern das Finale Belgien –
Spanien im brexitanischen London. Die besten Schwimmer unter den belgischen
Finalzeugen sind schon drei Tage nach dem Titelgewinn wieder daheim.
Aachen, 27. Juni: Tierschutz auf dem CHIO-Gelände in der Aachener Soers:
Nicht gequälte Rösser hüpfen umher, sondern Punkgolfer schlagen bei ihrer
Crossgolf-WM um sich, ganz ohne Pferde. Der einheimische Sascha Bien pitcht
den Ball, in Führung liegend, mit Eleganz über einen Oxer – und landet im
Wassergraben: vier Strafschläge. „Immerhin habe ich nicht verweigert.“ Den
Titel holt der Spanier Hernán de los Hoyos.
Berlin, 1. August. Hertha BSC triumphiert zum Zweitligaauftakt 1:0 über
Aufsteiger Hallescher FC. „Unglaublich“, analysiert gewohnt begeistert der
frühere Trainer [3][Jürgen Klinsmann], „da entsteht wirklich irgendetwas
sehr, sehr Großes.“
Tokio, 7. August. Die 32. Olympischen Sommerspiele nähern sich dem Ende.
Während auch nicht neutrale Athleten durchaus Medaillen gewinnen, bleibt
unklar: warum Männer nicht über den Schwebebalken tänzeln dürfen. Was am
Modernen Fünfkampf modern ist. Wer Bantam und Welter waren. Oder wer auf
die Idee kam, in ein Leichtathletikrennen ein Wasserloch einzubauen.
Schwimmer haben ja auch keine Mauer im Becken. Und: Warum fehlt der bald
marsfliegenden Menschheit weiterhin eine Alternative zu flatternden
Startnummern mit Sicherheitsnadeln? Ringepate Thomas Bach dankt den
jubelnden Japanern für die neutralsten Spiele aller Zeiten.
Enoshima, 8. August. Zum Abschluss der olympischen Segelwettbewerbe bleibt
die neue Disziplin Mitsegeln leider ohne Wertung. Die einzige gemeldete
Teilnehmerin, eine junge Schwedin, verpasst den Start. „Wochenlang“, klagt
die engagierte Passivathletin bei der verspäteten Einfahrt in den
Yachthafen, „hatten wir bei der Anreise nur Flaute oder Gegenwind.“
Tokio, 9. August. Olympia endet. Tausende archivierte Dopingproben warten
auf Zer- oder Unterschlagung. Oder auf bessere Analysemöglichkeiten: Ein
Laborfachmann sagt der taz, in den Laborteams liefen Wetten, wie viele
Goldathleten bis Paris 2024 ihre Medaillen zurückgeben müssen. „Mein Tipp
von 42 liegt unten in der Skala.“
London, 11. August. Ladbrokes startet solche Wetten: 60 für 10 gibt es,
wenn bis 2024 weniger als 50 Golddopingfälle sanktioniert werden. In der
Szene spricht man nur noch von „vorläufigen Olympiasiegern“.
Whistling Straits, 25. September. Beim Ryder Cup triumphieren die Golfer
der USA mit 15:13 gegen Team Europa. Das entscheidende Einzel holt US-Profi
Xander Schauffele, der eben noch mit seinem deutschen Zweitpass für den DGV
in Tokio Olympiagold geholt hatte. „Germany ist gut for the career“, sagt
der schmächtige Mann mit schwäbischen Vorfahren fastdeutsch. Der frisch
impeachte Donald Trump findet das nachahmenswert und twittert seine
Ambitionen in die weite Welt, „Kanzler von Do Nothing Germany“ zu werden:
„Fantastic poor country für viele great new deals. Ein toller Job, zu
schade für women like #Moerkl and #AiKaiKai.“
Kaiserslautern, 31. Oktober. Am 100. Geburtstag von Fritz Walter zieht bei
angemessenem Fritz-Waldä-Weddä ein endloser, durchnässter Trauermarsch zum
Betzenberg. Anlass ist der Gedenkgottesdienst für Exchampion 1. FCK, der
soeben bei seiner finalen Insolvenz verstarb. „Fritz“, skandieren die Fans,
„als Leich sin ma äänes“, eine einig Leiche. Der Klub will in der Kreisli…
Mittelhinterpfalz neugegründet starten, Motto: „Die Ascheplätz wern
brenne.“ Das ehemalige WM-Stadion löst den Aachener Tivoli als größte
Investitionsruine ab.
Oberstdorf, 30. Dezember. Klimanotstand, fast 20 Grad am Alpenrand: Nach
einem Eilbeschluss des Königlich Bayerischen Amtsgerichts, Zweigstelle
Oberallgäu, muss das Neujahrsspringen abgesagt werden: „nicht klimaäquat“.
Der Jubel bei der Deutschen Umwelthilfe ist groß: „Der Irrsinn Wintersport
mit Kunstschnee, Rodungen und Landschaftsfolter endet bald.“
1 Jan 2020
## LINKS
[1] /Deutsches-Sporttalent/!5610864
[2] /Erfolgreichste-Kegler-Deutschlands/!5491323
[3] /Hertha-mit-Coach-Klinsmann/!5642689
## AUTOREN
Bernd Müllender
## TAGS
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Fußball-EM 2024
Jürgen Klopp
Prognosen
FC Bayern München
Niko Kovac
Champions League
Golf
## ARTIKEL ZUM THEMA
Sportlicher Ausblick für 2021: Die Löwin der Mannschaft
Mit Himbeerturnschuhen, Bayern München im freien Fall, Greta Thunberg bei
Olympia, Panter ohne Pucks und Inka Grings als Fußball-Bundestrainerin.
Objekte fürs Bayern-Museum: Die Tasche
Wie sich mit einem verstaubten Keller-Utensil Sportgeschichte dokumentieren
ließe. Es geht um die Größe von „One of the best team of the word“.
Interimscoach beim FC Bayern: Ob Flick den Hansi jetzt loswird?
Der Kovač-Nachfolger war stets der geborene Assistenztrainer. Er hat wenig
Zeit, aus seinem eigenen Schatten zu treten.
Finale der Champions League: Alles, bloß nicht Zweiter
Jürgen Klopp ist erneut dazu verdammt, mit dem FC Liverpool den Titel zu
gewinnen. Gegner Tottenham Hotspur will das verhindern.
Mannschaftsturnier Ryder Cup: Golfhooligans in Paris
In Zeiten des bröckelnden Europas ist der Ryder Cup politischer denn je.
Zumal es beim Kontinentalduell USA vs. Europa ungewöhnlich emotional
zugeht.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.