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# taz.de -- Die Wahrheit: Sechs Pferdewagen …
> … voller Friedhofserde. Wo das Englische kreuzbrav und einfach ist, ist
> das Irische schön ausufernd. Besonders, wenn es ums Fluchen geht.
Im Nachhinein ergab alles einen Sinn. Vor einiger Zeit verfluchte mich ein
Autofahrer, den ich geschnitten hatte, auf Irisch: „Mullach do chinn fút!“
Ich verstand ihn nicht, doch vorvergangene Woche fiel ich von der Leiter
und zog mir dabei eine schwere Gehirnerschütterung zu. Im Krankenbett
erinnerte ich mich an den Satz des Autofahrers und schaute im Wörterbuch
nach. „Mögest du auf deinen Kopf fallen“, stand da.
Im Irischen kann man wesentlich fantasievoller fluchen als im Englischen,
wo die meisten Beleidigungen sexueller Natur sind. Darauf beschränkt sich
auch der Wortschatz eines David Bellman, wie ein Gericht festgestellt hat.
Der damals 44-Jährige, der im Suff seinen Schnabel nicht halten kann, wurde
2016 dazu verurteilt, drei Jahre lang davon abzusehen, andere Menschen zu
beschimpfen. Das ging nur wenige Tage gut. Dann verfluchte er lauthals
Königin Elisabeth sowie eine Muslimin und musste für 56 Tage hinter Gitter.
Kaum entlassen, rastete er in einem Dorfpostamt im südwestenglischen
Cornwall aus, sodass die Beamtin aus lauter Angst rückwärts durch die
Hintertür auf die Straße kroch. Dafür wurde Bellman zu 60 Tagen Haft
verknackt. Weitere 20 Tage bekam er für die Beleidigung von Bauarbeitern in
einer Industriesiedlung. Kaum kam er neulich frei, fiel er verbal über die
Kunden einer Bank her – 60 Tage Gefängnis.
Der irische Satiriker Flann O’Brien (u. a. „Der dritte Polizist“)
behauptete einmal, dass ein durchschnittlicher englischsprachiger Mensch
sein Leben lang mit 400 Wörtern auskomme. Irisch Redende hingegen benutzten
4.000 Wörter, und in Donegal im Nordwesten der Grünen Insel sei der
Wortschatz so gewaltig, dass die Einheimischen kein Wort zwei Mal in ihrem
Leben benutzen.
Ein armseliger Englischsprecher unterscheide ein maritimes Fahrzeug
lediglich durch Größe, schrieb O’Brien: „Wenn es klein ist, heißt es Boo…
Ist es groß, so nennt er es Schiff.“ Tomás Ó Criomhthain, ein Fischer von
der Großen Blasket-Insel am äußersten Westrand Irlands, benutze in seinem
Buch „Die Boote fahren nicht mehr aus“ hingegen „wahrscheinlich ein Dutze…
Wörter, um das Konzept der verschiedensten maritimen Fortbewegungsmittel zu
verdeutlichen“.
## It's a curse
Und während man auf Englisch vulgär „piss off“ zu jemandem sagt, wenn man
möchte, dass er abhaut, so klingt es auf Irisch viel schöner: „Imeacht gan
teacht ort“ – man möge ohne Rückkehr von dannen ziehen. Sehr hübsch ist
auch: „Ualach sé chapall de chré na h-úire ort.“ Sechs Pferdewagen voller
Friedhofserde auf dich!
Offenbar funktionieren irische Flüche sogar, wie der Autofahrer an meinem
Beispiel bewiesen hat. Ich werde demnächst ein Experiment machen und dem
britischen Premierminister Boris Johnson wünschen: „Go ndéana an diabhal
dréimire do chnámh do dhroma“ – möge der Teufel eine Leiter aus deinem
Rückgrat machen.
2 Dec 2019
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Irisch
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Boris Johnson
Irland
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