# taz.de -- Uli Hoeneß nicht mehr Bayern-Chef: Heiligsprechung nicht ausgeschl… | |
> Uli Hoeneß geht. Mal wieder. Es ist also Zeit für Rück- und Ausblicke und | |
> die besten Wünsche für den nächsten Lebensabschnitt. | |
Bild: Uli Hoeneß feiert mit Zigarre nach dem Gewinn der Deutschen Meisterschaf… | |
Paul Breitner sagt: „Wenn Uli jetzt aufhört, ist das die größte Zäsur in | |
der Geschichte der Bundesliga. Kein Manager hat die Liga so bestimmt wie er | |
– im Grunde war er die Bundesliga.“ Warme Worte von einem, der mit Uli | |
Hoeneß so viel erlebt hat wie sonst wohl kein anderer. Es sind jedoch keine | |
aktuellen Sätze, sondern bereits neun Jahre alte, gefallen zu Hoeneß’ | |
Wechsel vom Manager- auf den Präsidentenposten. Und so wenig wie Hoeneß | |
damals an Stimmkraft verloren hat, wird er auch nach seinem am Freitagabend | |
bei der Jahreshauptversammlung des FC Bayern anstehenden Rückzug vom | |
Präsidententhron nicht verstummen, warum auch? | |
Er ist Uli Hoeneß, und der Mensch, der ihm den Mund verbietet, muss wohl | |
erst noch geboren werden. Wobei: Breitner ist nun wirklich keiner, dem so | |
schnell die Worte ausgehen. Doch zum Servus des wundersamen Geldvermehrers | |
sagt er nur: „Das Einzige, das ich sagen möchte – unabhängig von allen | |
persönlichen Unstimmigkeiten –, ist: Er ist der einzige Fußballmacher, den | |
ich auf die Stufe mit Santiago Bernabéu stelle.“ Ende der Durchsage. Bevor | |
er sich den Mund verbrennt, sagt Breitner lieber nichts mehr. Ausgerechnet | |
er, der ansonsten jederzeit zu allem und jedem eine sehr dezidierte Meinung | |
hat. So eng, wie die beiden mal waren, so weit haben sie sich voneinander | |
entfernt. Zwei Superegos, viel verbrannte Erde – und davon hat Uli Hoeneß | |
in mehr als vier Jahrzehnten jede Menge hinterlassen. | |
Dabei können die ewigen Begleiter des Ulrich H. aus U. derzeit gar nicht | |
aufhören mit den Elogen auf „Uli Allmighty“. Bild-Kolumnist Raimund Hinko | |
weiß gar nicht, welche der abertausend Anekdoten er zuerst erzählen soll. | |
Fehlen darf natürlich nicht die Nacht am Krankenbett: „Vielleicht denkst Du | |
an 1982, als Du in Hannover als einziger Passagier einen Flugzeugabsturz | |
überlebt hast. Ich war damals nach Deiner Susi und nach Paul Breitner der | |
erste, der Dich am Krankenbett besuchten durfte. Ein Interview musste ich | |
schnell vergessen, Du konntest nur röcheln. Ich hatte Angst um Dich. Und | |
was machst Du Verrückter? Vier Tage später hast Du Dich nach München | |
verlegen lassen. Mit WAS? Mit einem FLIEGER! So stark kannst nur Du sein.“ | |
Das ist ganz großer Sport, kulminierend in einem Rat („Flieg Uli, flieg. | |
Hinein in die Freiheit!“) und dem Ausblick auf die Abschiedsmesse in der | |
Olympiahalle: „Sie müssen Dämme bauen, weil es ein Meer der Tränen geben | |
wird.“ Recht hat er, die Ehrenpräsidentschaft sollte mindestens noch drin | |
sein, Heiligsprechung nicht ausgeschlossen. | |
## Prägende Rolle | |
Ein knappes Dutzend Biografien gibt es zu Uli Hoeneß, keine einzige | |
Autobiografie. Die wäre wohl so dick wie die FC-Bayern-Chronik zum 111. | |
Vereinsgeburtstag 2011: 28 Kilo, 2.999 Euro. Drunter würde es Hoeneß nicht | |
machen. Manchmal hat der bekennende Bauchmensch innerhalb einer Woche Stoff | |
für einen veritablen Wälzer geliefert, sich immer wieder um Kopf und Kragen | |
geredet, einen Ausbruch an den nächsten gereiht, nach dem Motto: Alles muss | |
raus. | |
Waldemar Hartmann, auch so ein Unikum, hat mal über ihn gesagt: | |
„Faszinierend, wie in unserer rasenden Zeit ein Mensch über 30 Jahre in | |
wechselnder Rolle, mal als Abteilung Attacke, mal als Mutter Teresa, das | |
Bild des deutschen Fußballs geprägt hat. Uli Hoeneß könnte dem Papst ein | |
Doppelbett verkaufen.“ Vom Schalk Mehmet Scholl ist folgende Sentenz | |
überliefert: „Mein Traumberuf war immer: Spielerfrau oder Hund bei Uli | |
Hoeneß.“ | |
Es gibt ja so viel zu erzählen: 41 Jahre Manager, Präsident und Macher des | |
FC Bayern, zuvor acht Jahre Weltklassestürmer, dreifacher | |
Europapokalsieger, Welt- und Europameister, 11,0-Sprinter, gefeierter | |
Himmelsstürmer und Zauberlehrling, Anti-Held der „Nacht von Belgrad“ im | |
EM-Finale 1976, Knorpelschaden und Karriereende mit 27, jüngster Manager | |
der Bundesliga. Der Rest ist Geschichte. Eine höchst unterhaltsame | |
Geschichte. | |
Und das ist ja nur der Fußball-Hoeneß. Von seiner sozialen Ader haben wir | |
da noch gar nicht gesprochen. Der Mann hat kein Problem damit, den Coverboy | |
für ein Obdachlosen-Magazin zu geben oder per Benefizspiel marode Klubs vor | |
der Pleite zu bewahren. Reiner Calmund sagte mal: „Trotz der Daum-Affäre | |
ist er ein echter Freund. Wenn ich ein Problem hätte und nachts anrufen | |
würde, Uli Hoeneß stünde auf der Matte und würde mir wie auch immer sofort | |
helfen.“ | |
Werders Ex-Präsident Willi Lemke, in den 80ern ein Intimfeind von Hoeneß, | |
erzählte unlängst, er habe der Richterin geschrieben, die über die | |
vorzeitige Haftentlassung von Hoeneß zu entscheiden hatte und sich dafür | |
eigens von einem Juristen beraten lassen. Und Lothar Matthäus meinte: „Auch | |
wenn wir viele Kontroversen hatten: Bei Uli Hoeneß wusste man immer, woran | |
man ist. Er hat nie etwas hintenrum gemacht.“ Das Zitat stammt noch von vor | |
Hoeneß’ Zeit als Börsensüchtiger und Steuerhinterzieher, als ihn der | |
Spiegel zum „Schein-Heiligen vom Tegernsee“ taufte. | |
[1][Nun ersetzt also der eine Metzgersohn den anderen]: Herbert Hainer wird | |
der neue Präsident sein. Über diesen hageren, unscheinbaren Mann neben ihm | |
auf der Tribüne hat Hoeneß mal gesagt: „Der Herbert hat mich immer | |
öffentlich verteidigt. Es kann kommen, was mag: Zwischen uns kann nichts | |
mehr passieren. Unsere Freundschaft hält.“ Reinstes Hoeneß-Pathos. Hainer | |
hat das auch drauf: „Ein Freund, mit dem du weinen kannst, ist ein | |
Geschenk“, hat er mal gesagt. Hoeneß stand ihm bei, als 2006 seine Tochter | |
starb; umgekehrt war Hainer einer der Ersten, der [2][Hoeneß im Gefängnis] | |
besuchte: „Das macht Freundschaft aus: Man steht zu seinem Freund, | |
unabhängig von dem, was opportun ist.“ Brüder im Geiste. Da haben sich zwei | |
gefunden. | |
Was das für den FC Bayern heißt? Nun, es kommt ein 65-Jähriger für einen | |
67-Jährigen – ein Generationswechsel sieht anders aus. Wer glaubt, dass mit | |
der Demission von Hoeneß seine Ära zu Ende ist, der glaubt auch an den | |
Weihnachtsmann. Hoeneß’ Stimme wird bei Bayern so lange maßgeblich sein, | |
bis er die Augen zumacht, egal ob als Ehrenpräsident, Greenkeeper oder | |
Tegernsee-Rentner. Dass er bei der Bestallung des nächsten Trainers | |
mitreden wird, hat er schon angekündigt – von wegen einfaches Mitglied. Und | |
mit Hasan Salihamidžić hat er auf den letzten Drücker noch einen Mann in | |
den Vereinsvorstand gedrückt, der alles tun würde, nur nicht ihm | |
widersprechen. | |
Ob er seinem Klub damit einen Gefallen getan hat, ist fraglich. Max Eberl | |
oder Philipp Lahm wäre sicher mehr Expertise zuzuschreiben. Wie wenig | |
Reputation hat Salihamidžić, den sie früher Brazzo, das Bürschchen, riefen, | |
wenn sein Präsident sonntagmorgens beim Fernsehen anrufen muss, um ihn | |
gegen Häme in Schutz zu nehmen? Wie groß mit Hut wird er noch sein, wenn er | |
mit Oliver Kahn, dem neuen starken Mann in spe, am Tisch sitzt? | |
Uli Hoeneß wird all das verfolgen und begleiten, wird so präsent und | |
gefragt sein wie eh und je – anders als sein ewiger Antipode Karl-Heinz | |
Rummenigge, der 2021 aus dem Amt scheidet und den am Ende des Tages niemand | |
vermissen wird. Der kann dann in aller Ruhe seiner Rolex-Sammlung beim | |
Ticken zuhören, während Hoeneß für sein Lebenswerk weiterhin die Glucke | |
geben wird: keifen, giften, Druck machen, in Schutz nehmen. Weil er nicht | |
anders kann. Altersmilde? Unwahrscheinlich. Wenn Hoeneß sagt „Ich werde dem | |
Verein so lange dienen, bis ich nicht mehr atmen kann“, klingt er fast wie | |
dieser andere Sturschädel, Charlton Heston: „From my cold, dead hands …“ | |
15 Nov 2019 | |
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## AUTOREN | |
Thomas Becker | |
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