| # taz.de -- Die Wahrheit: Die Gruselhand | |
| > Neues aus Neuseeland: Wenn es um Kunst geht, hört für manchen Kiwi der | |
| > Spaß auf. Derzeit hält ein Kunstwerk namens „Quasi“ Aotearoa in Atem. | |
| Kunst und Kiwis: Fortsetzung der brisanten Serie rund um | |
| Missinterpretationen, Obszönitäten, Aufruhr und Angst. Unsere aktuelle | |
| Folge spielt in Wellington, Aotearoas Hauptstadt und Kulturhochburg. Es ist | |
| mit Abstand das intellektuellste Citypflaster im Südpazifik, progressiv und | |
| funky. Und seit Ende August ein Gruselkabinett. Denn von einem der Dächer | |
| schaut eine Hand. | |
| Bildhauer Ronnie van Hout ist für neuseeländische Verhältnisse ein Enfant | |
| terrible. Dass er in Melbourne lebt, macht die Sache nicht besser. Vor drei | |
| Jahren bestellte das vom Erdbeben lädierte Christchurch bei ihm ein | |
| öffentliches Kunstwerk namens Quasi: eine fünf Meter große Hand, auf der | |
| das Gesicht des Künstlers sitzt. Sie steht auf zwei Fingern – ein | |
| grimmiges, monströses Handmännchen. | |
| Es wanderte aufs Dach der städtischen Kunstgalerie. Über 90.000 Dollar | |
| zahlte Christchurch damals für die Anfertigung. Schulkinder waren | |
| begeistert, Touristenbusse stoppten davor. Doch es gab auch Gegenstimmen, | |
| wie bei jeder Art von Kunst, die nicht nur brav Nikaupalmen und Tui-Vögel | |
| darstellt. Aber zum Skandal wurde van Houts Hand erst jetzt, als sie nach | |
| Wellington wanderte. | |
| Als Attraktion der verbauten Innenstadt thront sie dort ebenfalls auf der | |
| Kunstgalerie. Aber nicht nur die 74.000 Dollar, die der | |
| Hubschaubertransport der 400 Kilo schweren Skulptur und die windsichere | |
| Installation kosteten, stoßen den Hauptstädtern auf. Es ist das verkörperte | |
| Böse, was von oben auf sie herabschaut. „Creepy“ sei das, „furchterregen… | |
| „ekelhaft“ – ein Medien-Shitstorm, der sogar New York und London erreicht… | |
| Vielleicht liegt es an der Ähnlichkeit zum US-Präsidenten Donald Trump – | |
| eine der häufigsten Assoziationen. Ronnie van Hout vergleicht die | |
| Reaktionen mit dem Aufschrei über „entartete Kunst“ im letzten Jahrhundert. | |
| „Ich zeige meinen Studenten die Zeitungsartikel von damals, die besagten, | |
| dass Kubismus von Verrückten gemacht wird und nur Mist sei“, erklärte er | |
| Radio New Zealand. „Dann zeige ich ihnen die Reaktion auf Quasi, um zu | |
| zeigen, dass sich nichts verändert hat.“ | |
| Auf der Hitliste der hässlichsten Skulpturen im Lande liegt er jedoch nicht | |
| vorn. In einem Bahnhof in Auckland hängt ein phallisches Drahtgebilde, das | |
| „Wolke“ heißt und als höchst anstößig gilt. Ebenso penetrant penisförm… | |
| kommt die „Big Sausage“ daher, eine Riesenwurst auf einer Gabel in | |
| Tuatapere. Sie steht in der stolzen Tradition ebenso peinlicher Statuen wie | |
| die Riesenkiwi, das Riesenschaf, die Riesenkarotte. | |
| Und vor der Umweltbehörde in Christchurch steht ein überdimensionales | |
| Abbild eines konservativen Abgeordneten, mit heruntergelassener Hose über | |
| einem Trinkglas hockend – Künstler Sam Mahons Antwort auf die | |
| Wasserverschmutzung. Einen halbnackten Politiker als Muse hätte er sich nie | |
| träumen lassen. „Als Kunststudent dachte ich, ich würde mal Madonnen malen. | |
| Aber jetzt bearbeite ich Genitalien.“ | |
| 5 Sep 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Anke Richter | |
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