# taz.de -- Hamburg richtet Telefonhotline ein: Feindeslisten werden öffentlich | |
> Hamburg hat eine Hotline eingerichtet, unter der Anrufer erfahren, ob sie | |
> auf einer Feindesliste von Rechtsextremen stehen. Die Idee ist | |
> umstritten. | |
Bild: Er hat vermutlich ein klares Freund-Feind-Schema | |
Hamburg taz | „Stehe ich auf einer Liste von rechtsextremen und werde dort | |
als politischer Gegner erfasst?“ Mit dieser Frage können sich | |
Hamburger*innen jetzt telefonisch an das LKA wenden. | |
[1][Insgesamt 364 Datensätze „mit Bezug auf Hamburg“ befinden sich auf | |
Feindeslisten] von zum Teil an der Waffe ausgebildeten Neonazis und | |
Preppern der rechtsextremen Szene. Jetzt ermöglicht die Hamburger | |
Innenbehörde den Betroffenen, sich zu erkundigen, ob und mit welchen | |
Informationen sie auf einer dieser Listen geführt werden (040 4286 77 055). | |
Zwar gebe es laut der Behörde keine Anhaltspunkte für eine konkrete | |
Gefahrenlage. „Wir verstehen aber, wenn jemand sagt, dass er gerne wissen | |
würde, ob er auf so einer Liste steht“, sagte Innensenator Andy Grote (SPD) | |
[2][dem NDR]. | |
2018 hatte das Bundeskriminalamt (BKA) die Herausgabe der Liste mit der | |
Begründung abgelehnt, dass dies Ermittlungen gefährden könne. „Die | |
alleinige Tatsache, dass eine Person auf einer solchen ‚Liste‘ steht, führt | |
nicht zwangsläufig zu einer Gefährdung“, schreibt das BKA auf seiner | |
Internetseite. Weitergehenden Bewertungen überlässt es den Ländern. | |
Hessen, Thüringen und Bayern haben alle betroffenen Personen postalisch | |
informiert. So weit möchte man in Hamburg nicht gehen. „Wir wollen nicht | |
als Werkzeug der Rechten dienen und Verunsicherung und Hass schüren“, sagte | |
der Sprecher der Innenbehörde, Frank Reschreiter, der taz. Hamburg | |
beschreitet damit einen Mittelweg, denn in allen restlichen Bundesländern | |
werden Betroffene überhaupt nicht benachrichtigt. | |
## „Nordkreuz“ wartet auf den Tag X | |
[3][Die rechte Prepper-Gruppe „Nordkreuz“] aus Mecklenburg-Vorpommern, | |
deren Akteure überwiegend aus der Polizei und Bundeswehr kommen, hat | |
Datensätze zu 25.000 Personen gesammelt. Der Großteil davon stammt aus | |
einem Hack eines Onlineversandhandels für Punk-Rock-Artikel, ein weiterer | |
Teil aus eigener Recherche der Rechtsextremen. Nach taz-Informationen sind | |
darin mehrere Adressen und in einem Fall der Grundriss einer Wohnung | |
gesammelt. | |
An einem Tag X wollen die Rechten politische Gegner beseitigen. Ätzkalk und | |
Leichensäcke wollte die Gruppe bestellen. Sie hortete Waffen und Munition. | |
2017 fand die Polizei bei einer Razzia die Liste. Bereits bei den | |
Ermittlungen gegen den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) 2011 waren | |
ähnliche Datensätze gefunden worden. | |
„Es gibt auf das Problem der Feindeslisten keine gute Antwort“, sagt | |
Linkenabgeordnete Christiane Schneider. Das jetzt eingerichtete | |
Kontakttelefon sei lediglich der weniger schlechte Weg. „Es wird niemand | |
gezwungen, dort anzurufen und wir treiben nicht das Spiel der Rechten, | |
indem wir Menschen grundlos verunsichern“, sagt sie. | |
In einer Kleinen Anfrage hatte Schneider zur „Feindesliste“ des rechten | |
Geheimbundes „Nordkreuz“ erfragt, ob und wie viele Personen aus Hamburg | |
darin erfasst sind. Von den 364 Personen „mit Bezug zu Hamburg“ sind nur | |
236 aktuell in Hamburg gemeldet. Über die Hotline werde man auch beratend | |
zu Seite stehen, um Verunsicherungen entgegenzuwirken, sagte | |
Innenbehördensprecher Reschreiter. | |
Wer sich erkundigen möchte, muss dem LKA Name, Geburtsdatum und | |
Meldeadresse nennen. Nach einer Überprüfung wird der Anrufer anschließend | |
darüber informiert, ob und mit welchen Informationen er oder sie auf einer | |
der Listen steht. Auf Nachfrage teilte ein Polizeisprecher mit, | |
personenbezogene Daten würden nach Beantwortung der Anfrage umgehend | |
gelöscht. | |
Bei einigen Nutzern sozialer Netzwerke ruft das Kontakttelefon trotzdem | |
Skepsis hervor. Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter äußerten User den | |
Verdacht, es könne sich um einen Honeypot handeln, also eine Falle des LKA, | |
um selbst Dateien von anrufenden Antifas zu sammeln. Christiane Schneider | |
argumentierte dagegen: „Es ist eine Fehlannahme, dass vor allem Linke auf | |
den Listen stehen. Auf der von Nordkreuz angelegten Liste stehen etliche | |
Kommunalpolitiker*innen verschiedener Parteien.“ | |
Dem Journalisten und Leiter des Tranzparenzportals „Frag den Staat“ Arne | |
Semsrott geht die Hamburger Hotline nicht weit genug. „Wenn nur diejenigen | |
informiert werden, die ohnehin schon den Verdacht haben, dass sie auf den | |
Listen stehen, wird ein großer Teil der Betroffenen weiterhin in | |
Unwissenheit gelassen“, sagte Semsrott der taz. Er fordert: „Alle | |
Betroffenen sollten zusätzlich postalisch informiert werden.“ | |
Semsrott hatte das BKA auf Herausgabe der gesamten Daten verklagt – ohne | |
Erfolg. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden [4][stellte das Verfahren in der | |
vergangenen Woche ein]. Semsrott will nun beim Generalbundesanwalt | |
erwirken, die Listen nach dem Presserecht einsehen zu dürfen. | |
Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) hatte im Juli | |
auf Kritik reagiert und [5][1.200 Betroffene informiert]. Ergebnisse der | |
Prepper-Kommission, die sich seit zwei Jahren mit der Szene um „Nordkreuz“ | |
befasst, hält die Behörde hingegen geheim. Ein Zwischenbericht war | |
ursprünglich für 2018 geplant. Semsrott verklagt deshalb jetzt das | |
Innenministerium. | |
25 Aug 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Feindesliste-der-rechten-Szene/!5614177&s=Feindeslisten/ | |
[2] https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Feindeslisten-LKA-richtet-Info-Telef… | |
[3] /Rechte-in-Mecklenburg-Vorpommern/!5602749/ | |
[4] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/rechtsextreme-feindeslisten-bka-… | |
[5] /Prepper-Netzwerk-mit-Feindesliste/!5604104/ | |
## AUTOREN | |
Till Wimmer | |
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nicht. |