# taz.de -- Buch über berühmte Ökonomen: Die erste Million macht Spaß | |
> Sie haben die Welt verändert, auch wenn einige von ihnen eine Vollmeise | |
> hatten. Björn Frank erzählt vom Leben und Sterben großer Ökonomen. | |
Bild: Die zweite Million macht wahrscheinlich auch noch Spaß | |
Björn Frank ist Professor für Volkswirtschaftslehre und einer der Begründer | |
der empirischen Korruptionsforschung. So hat er unter anderem | |
herausgefunden, dass Studenten der Wirtschaftswissenschaft | |
korruptionsanfälliger sind als zum Beispiel ihre geisteswissenschaftlichen | |
Kommilitonen. Das liegt nicht in erster Linie am Stoff, der in diesem Fach | |
vermittelt wird, sondern an der Prädisposition der Menschen, die sich zu | |
einem Ökonomik-Studium entschließen. | |
Die haben offenbar von vornherein ein innigeres Verhältnis zum Geld, lassen | |
sich also leichter um den Finger wickeln, wenn man es ihnen offeriert. Es | |
ist immer schön, wenn einem die hehre Wissenschaft die eigenen Vorurteile | |
bestätigt. | |
Abgesehen von seiner Hardcore-VWL-Forschung bemüht sich Frank schon eine | |
Weile darum, wirtschaftstheoretische Basics einer breiten Öffentlichkeit zu | |
vermitteln. Zusammen mit Johann Graf Lambsdorff hat er vor zwei Jahren den | |
Wirtschaftskrimi „Geldgerinnung“ geschrieben, von dem der Wirtschaftsweise | |
Peter Bofinger meint, er zeige, „wie aktuell, relevant und mörderisch | |
unterhaltsam Volkswirtschaftslehre sein kann“. Das hätte man nicht | |
unbedingt erwartet, stimmt aber auch für Franks aktuelles Buch „Zu Keynes | |
passt das nicht. Vom Leben und Sterben großer Ökonomen“. | |
## Staubtrocken? Stimmt nicht! | |
In einem guten Dutzend literarischer Porträts illuminiert er hier einige | |
berühmte und auch einige nicht ganz so berühmte Köpfe seiner Profession. | |
Wirtschaftswissenschaftlern eilt der Ruf voraus, staubtrocken zu sein. | |
Frank jedoch zeigt: Stimmt gar nicht. | |
Da gibt es zum Beispiel den genialen Spieltheoretiker John von Neumann | |
(1903–1957), der schon früh zum Kommunistenfresser avanciert und als | |
Berater der US-Regierung für den atomaren Erstschlag plädiert, um das | |
Problem des Kommunismus ein für allemal aus der Welt zu schaffen. | |
„Von Neumann liebte die Arbeit für das Militär, was sich nicht nur | |
patriotischer Verbundenheit mit der neuen Heimat verdankte, sondern auch | |
seinem manchmal kindischen, manchmal pennälerhaften Wesen. Mit ungeniertem | |
Interesse versuchte er, einen Blick unter die Röcke der Sekretärinnen am | |
Atomforschungszentrum in Los Alamos zu erheischen. | |
Technisches Spielzeug begeisterte ihn genauso wie Uniformen und der | |
Armeehubschrauber, der ihn gelegentlich vom Institut abholte. Wie hätte | |
dieser Mann das Angebot ausschlagen sollen, sich 1946 einen Atomwaffentest | |
auf dem Bikini-Atoll anzusehen?“ Er stirbt dann entsprechend früh an | |
Knochenkrebs. | |
## Das Strahlungsrisiko | |
„Man kann nicht wissen“, konstatiert Frank, „ob von Neumann länger gelebt | |
hätte, wenn er der erhöhten Strahlung nicht ausgesetzt gewesen wäre. Man | |
weiß aber, dass er das Strahlungsrisiko atomarer Technologien genau kannte | |
und fand, man solle es in Kauf nehmen und zu den 30.000 bis 40.000 | |
tödlichen Unfällen pro Jahr ins Verhältnis setzen, mit denen die | |
Annehmlichkeiten des Autoverkehrs in den USA erkauft würden.“ | |
Als intellektueller Gegenspieler könnte Jeremy Bentham (1748–1832) | |
durchgehen, der als Aufklärer und Utilitarist das Leiden möglichst vieler | |
Menschen verringern will und der sogar seinen Körper der Medizin vermacht, | |
damit er noch nach seinem Tod zu etwas nütze ist. Bentham formuliert | |
erstmals die menschenfreundliche Vorstellung, dass sich das „Wohlergehen | |
einer Gesellschaft“ aus der „Summe des Wohlergehens ihrer Mitglieder“ | |
errechnen müsse. | |
Damit ist so etwas wie ein Krieg schon mal nicht mehr so einfach zu | |
rechtfertigen. Und er beschreibt auch früh das, was heutige Ökonomen als | |
„abnehmenden Grenznutzen des Geldes“ nennen, nämlich die Erfahrung, dass | |
die erste Million noch mehr Spaß macht als die zweite, das Glück nämlich | |
nicht proportional wächst mit dem monetären Gewinn. Ein fast 200 Jahre | |
alter Gedanke, trotzdem immer noch schwer zu begreifen für viele Menschen | |
mit viel Geld. | |
Spannend sind die persönlichen Widersprüche und Ungereimtheiten der | |
Protagonisten. Etwa bei Joseph Alois Schumpeter(1883–1950), der einerseits | |
versucht die Volkswirtschaftslehre als Naturwissenschaft zu betreiben, | |
dessen ironischer Stil aber einer Mehrdeutigkeit Vorschub leistet, die man | |
eher bei literarischen Texten erwartet. | |
## Sich an die Hasen wenden | |
Dass er überdies privat eine Vollmeise hatte und sich in den Tagebüchern | |
regelmäßig an die „Hasen“ wendet, seine verstorbene Mutter und erste Frau, | |
um von ihnen Hilfe zu erbitten, macht dieses Leben noch ein bisschen | |
kurioser. | |
Frank hat ein gutes Gespür dafür, wie tief er einsteigen darf in die | |
ökonomische Theorie und wann er besser einen Witz macht oder eine Anekdote | |
erzählt. Vor allem überhöht er sein Fach nicht. | |
Wenn er ein Standardwerk wie John Maynard Keynes’ „General Theory“ als | |
unlesbares Buch abstempelt, um das die meisten Ökonomen einen großen Bogen | |
machen, und zugleich zugibt, dass gerade darin einer der Gründe für die | |
Popularität seiner Theorie, des „Keynesianismus“, zu suchen ist – man ka… | |
da eben auch eine Menge hineingeheimnissen –, dann verrät das eine | |
Souveränität dem eigenen Fach gegenüber, die man Wissenschaftlern nur | |
wünschen kann. | |
3 Jun 2019 | |
## AUTOREN | |
Frank Schäfer | |
## TAGS | |
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Spieltheorie | |
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