| # taz.de -- Medientour „Deutscher Islam“: Die „Pole der Moscheenlandschaf… | |
| > „Der Islam“ ist ein Reizthema in Deutschland. Aber muslimische Gemeinden | |
| > sind sehr verschieden. Zu Besuch in zwei Frankfurter Moscheen. | |
| Bild: Der Imam der Abu-Bakr-Moschee bereitet sich auf das Mittagsgebet vor | |
| FRANKFURT taz | „Was ist ein deutscher Islam?“ – unter dieser Fragestellu… | |
| hatte der Berliner [1][Mediendienst Integration] am Dienstag | |
| JournalistInnen in zwei der rund 50 Moscheen in Frankfurt am Main | |
| eingeladen. Der „deutsche Islam“; er war der rote Faden, der sich zuletzt | |
| etwa durch die vom Bundesinnenministerium veranstaltete [2][Deutsche | |
| Islamkonferenz] Ende 2018 gezogen hatte. Wie er aussehen könnte, war | |
| kontrovers diskutiert worden. | |
| Gleiches gilt für das Programm der Medientour. Die streitbare Bloggerin | |
| Sigrid Herrmann-Marschall hatte die Auswahl der Moscheen angegriffen: | |
| Vertreter beider Einrichtungen hätten Seminare des Europäischen Instituts | |
| für Humanwissenschaften besucht, laut hessischem Verfassungsschutzbericht | |
| 2017 eine „Kaderschmiede für Muslimbruderschaft-Funktionäre“, so ihre | |
| Kritik. | |
| Daniel Bax vom veranstalteten Mediendienst hatte dagegen argumentiert, die | |
| Moscheen seien wegen ihres sozialen Engagement ausgewählt worden, sie | |
| stünden „für die unterschiedlichen Pole der Moscheenlandschaft.“ | |
| Hohenstaufenstraße 8: Ein in die Jahre gekommener Zweckbau nahe dem | |
| Frankfurter Hauptbahnhof, die Adresse der [3][IIS-Moschee]. IIS steht für | |
| „Islamische Informations- und Serviceleistungen“. Über einen Hinterhof | |
| betritt man einen schmucklosen Gebetsraum im Erdgeschoss. Für die Schuhe | |
| ist im Windfang vor der Tür ein Regal aufgestellt. Im Innern erinnern nur | |
| der Teppich, ein an die Wand gelehntes Miniatur-Minarett aus Holz und eine | |
| hellgrüne, zinnenbewehrte Wand an ein Gotteshaus. | |
| ## Entstanden aus einer „Graswurzelbewegung“ | |
| Der Einrichtung ist anzusehen, dass sie weitgehend in Eigenarbeit | |
| entstanden ist. „Die Finanzen sind ein Problem“, sagt Mohammed Johari vom | |
| IIS-Vorstand ein. „Wir fühlen uns geehrt durch unsere Schwierigkeiten“, | |
| sagt er, „denn Unabhängigkeit ist unsere Glaubwürdigkeit.“ Johari ist | |
| Diplom-Sozialarbeiter und promovierter Islamwissenschaftler. | |
| Die IIS-Moschee gilt als eine der größten deutschsprachigen | |
| multikulturellen Moscheen. Sie sei 1995 aus einer „Graswurzelbewegung“ | |
| entstanden, zunächst vor allem für junge deutsche Muslime, welche in den an | |
| den Herkunftsländern orientierten Moscheen ihrer Väter keine Heimat | |
| gefunden hätten, berichtet Johari. Zum Freitagsgebet versammelten sich hier | |
| Menschen aus „50 bis 60 Ethnien“. Frauen seien in der Gemeinde in | |
| Verantwortung. | |
| Regelmäßig lädt die Gemeinde zu Obdachlosenspeisungen ein, sie hat 2015 die | |
| Stadt beim Flüchtlingsmanagement massiv entlastet und ihre Räume geöffnet, | |
| als jeden Tag Hunderte Menschen am nahegelegenen Frankfurter Hauptbahnhof | |
| gestrandet waren. 2016 wurde sie für ihre Gemeinwesenarbeit mit dem | |
| städtischen Nachbarschaftspreis ausgezeichnet. | |
| Zu Gast ist an diesem Tag Said Barkan, Landesvorsitzender des | |
| [4][Zentralrats der Muslime] in Hessen. Auch er war wegen seiner Teilnahme | |
| an einem Seminar verdächtigt worden, den Muslimbrüdern nahe zu stehen. | |
| „Warum beurteilt man die Moscheengemeinden nicht nach dem, was sie sagen | |
| und was sie tun, und nicht danach, mit wem sie ‚Kontakte‘ hatten?“, fragt | |
| er. Das umstrittene Seminar habe er besucht, weil er als Rechtsanwalt an | |
| den rechtswissenschaftlichen Fragestellungen interessiert gewesen sei, | |
| nicht an den Personen, die das Seminar ausgerichtet hätten. | |
| ## Kein Zwang zum Kopftuch | |
| Auch zur Debatte um das Kopftuch müssen die beiden Stellung beziehen. Am | |
| Mittwoch, dem Tag nach der Tour, wird das Reizthema an der Frankfurter | |
| Universität auf einem Podium diskutiert, das im Vorfeld [5][heftige | |
| Kontroversen ausgelöst hatte]. Die veranstaltende Professorin, Susanne | |
| Schröter, hatte sich anhören müssen, sie befördere „anti-muslimischen | |
| Rassismus“. | |
| Bei den Anwesenden in der IIS-Moschee ist die Position klar: Keine Frau sei | |
| gezwungen, Kopftuch zu tragen, erst recht kein Mädchen. „Dafür gibt es | |
| keine theologische Begründung“, so Barkan vom Zentralrat der Muslime. | |
| Auch Diether Heesemann vom Rat der Religionen der Stadt ist gekommen. Er | |
| war bis zu seiner Pensionierung Beauftragter der Evangelischen Kirche in | |
| Hessen und Nassau für interkulturelle Bildungsarbeit. Heesemann lobt den | |
| Beitrag dieser Moscheengemeinde zum interreligiösen Dialog in der Stadt. | |
| Persönlich habe er zu vermitteln versucht, als ISS Probleme mit Bewertungen | |
| des hessischen Verfassungsschutzes gehabt habe. Die Behörde habe aber | |
| „nicht ansatzweise Einblicke gewährt“, auf welche Fakten und Beobachtungen | |
| sie sich bei ihren Einschätzungen stütze, sagt Heesemann. Gastgeber Johari | |
| spricht von „Skandalisierungskaskaden“. | |
| ## Glanz statt Hinterhof | |
| Dann geht es zur zweiten Station der Medientour: In die | |
| [6][Abu-Bakr-Moschee] im Stadtteil Hausen. Diese Moschee ist ein prächtiges | |
| Gebäude mit einem weithin sichtbaren Minarett. Alle Wände, außen und innen, | |
| sind mit farbenfrohen Fayencen verkleidet, kunstvoll geschmiedete | |
| Messingleuchter glänzen von der Decke und in der zentralen Kuppel im | |
| großzügigen Innenraum. | |
| Einwanderer aus Marokko haben in den 60er Jahren den Verein gegründet, der | |
| diesen Prachtbau zur Jahrtausendwende realisieren konnte. Auch diese | |
| Moscheengemeinde nimmt aktiv am interreligiösen Dialog der Stadt teil, | |
| erzählt Geschäftsführer Mohamed Seddadi. | |
| Auch in der Gemeinwesenarbeit ist die Gemeinde aktiv: Es gibt | |
| Nachhilfeangebote für SchülerInnen. Die Jugendarbeit organisierten die | |
| Jugendlichen weitestgehend unabhängig vom Vorstand, sagt der | |
| Geschäftsführer. | |
| ## Das „schwächere Geschlecht“ | |
| Es gebe auch Konflikte, sagt Seddadi, zwischen der Generation der | |
| Gründerväter und den Jungen, die in Deutschland sozialisiert und hier zu | |
| Hause sind. Die beiden Imame der Gemeinde stammen aus arabischen Ländern | |
| und sprechen kaum Deutsch, gebetet und gepredigt wird auf arabisch. | |
| Seddadi gibt sich weltoffen und dialogbereit. Dann wird er von | |
| JournalistInnen auf den Internet-Auftritt der Moschee angesprochen. Auf | |
| deren Homepage ist zu lesen, dass bei Meinungsverschiedenheiten in der | |
| Familie „letztlich der Mann“ zu entscheiden habe, „da die Frau | |
| gewissermaßen als das ‚schwächere Geschlecht‘ angesehen wird“. Wie denn | |
| diese Position mit dem Grundgesetz zu vereinen sei, auf das er sich doch | |
| berufe, wird Seddadi gefragt. | |
| Der Internetauftritt sei nach seiner Kenntnis seit Jahren abgeschaltet, | |
| sagt Seddadi freundlich, und für theologische Fragen sei er sowieso nicht | |
| der richtige Ansprechpartner. Die Sätze zur Rolle der Frau findet die taz | |
| jedoch auch am Abend noch auf der Webseite der Moschee, zusammen mit den | |
| tagesaktuellen Gebetszeiten. Erst am nächsten Tag ist die Seite nicht mehr | |
| abrufbar. | |
| 8 May 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://mediendienst-integration.de/weitere-rubriken/islam-und-muslime.html | |
| [2] /Deutsche-Islamkonferenz/!5551285 | |
| [3] https://www.iisev.de/ | |
| [4] http://zentralrat.de/2597_main.php | |
| [5] /Kopftuchkonferenz-an-Uni-Frankfurt/!5590822 | |
| [6] http://www.abubakr.de/seiten/mawakit_auswahl.php | |
| ## AUTOREN | |
| Christoph Schmidt-Lunau | |
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