Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kinoempfehlung für Berlin: Wir und die Anderen
> Die Reihe „Bilder von drüben“ im Berliner Zeughauskino widmet sich
> deutsch-deutschen Filmen, die jeweils in den anderen Teil des Landes
> blickten.
Bild: Der Westen kam der DDR viel zu schick rüber: „Die Spielbankaffäre“ …
Zu vergnügter Musik gleitet der Kleinbus auf der Uferstraße den Lago
Maggiore entlang bis in die Pension, in der das Ensemble von Models für
eine Tournee mit Modenschauen untergekommen ist. Nach der Arbeit amüsieren
sich alle in der Spielbank und stolpern damit mitten hinein in „Die
Spielbankaffäre“. Artur Pohls Film von 1958 eröffnet am Freitag die Reihe
„[1][Bilder von drüben]“ im Berliner Zeughauskino, die sich
deutsch-deutschen Filmen widmet, die jeweils über die innerdeutsche Grenze
blickten.
Die Grundanlage des Films ist simpel: Zwei rivalisierende
Spielbankbesitzer, einer der beiden greift zu unlauteren Mitteln, um seinen
Konkurrenten auszustechen. Inmitten des Konkurrenzkampfes: ein Model, das
sich zwischen einem Lebemann und einem aufrechten Journalisten entscheiden
muss. Der Film war ursprünglich in Wiesbaden angesiedelt. Als Produktion
der ostdeutschen DEFA konnte er dort jedoch nicht entstehen und so wurde in
Potsdam gedreht. Für Weltläufigkeit musste die Kamerafahrt am Anfang
genügen.
Die eigentlich simple Handlung wird auf krude Weise verworren erzählt und
wirkt wie mit angezogener Handbremse inszeniert. „Der Film spielt optisch
in einem italienischen Reisekatalog“, konstatierte Andreas Goldstein, als
der Film in der Retrospektive des Filmfestivals von Locarno lief.
Interessant an ihm ist vor allem die Produktionsgeschichte: der Film ist
einer der wenigen Versuche einer ost-westdeutschen Koproduktion. Gedreht
wurde mit größtem Aufwand, um den Film nach Fertigstellung ins Ausland
vermarkten zu können.
Am Ende fand die DDR-Filmbürokratie, der Westen sähe zu schick aus. Weil
jedoch zu viel Geld in den Film versenkt wurde, um ihn in der Schublade
verschwinden zu lassen, zeigte man ihn in der DDR statt in Farbe in
Schwarz-Weiß. In der BRD lief er zwar in Farbe, aber in keinem der beiden
deutschen Staaten sahen die Zuschauer die opulenten Breitbandbilder, in
denen der Film eigentlich gedacht war. Das Zeughauskino zeigt die
Breitband-Farb-„Originalversion“, die weder in der DDR noch in der BRD
lief.
Die 14 Filme der Reihe (je 7 aus der BRD und der DDR) laufen im Wechsel und
unterstreichen so die fortwährenden Perspektivwechsel. In den Blicken über
die Grenze wird in beiden Ländern genauso viel über das Selbstverständnis
des eigenen Landes sichtbar wie über den Blick nach drüben. Eine der ersten
BRD-Produktionen, die auf die DDR schaut, ist Gerhard T. Buchholz’
„Postlagernd: Turteltaube“, in der ein Bespitzelungsversuch mit der
kollektiven Flucht aller Bewohner des Hauses endet.
Martin Hellbergs „Das verurteilte Dorf“ ist einer der verquersten Filme der
Reihe: Ausgehend von einem realen Fall erzählt Hellberg die Geschichte
eines bayerischen Dorfes, das einem US-Militärflughafen weichen soll. Im
Dorf formiert sich Widerstand. Deutschtümelnde Parolen stehen in dem Film
neben der mahnenden Beschwörung der deutschen Vergangenheit, die den Kampf
gegen die Pläne der US-Armee rechtfertigen soll.
Der schließlich erfolgreiche Widerstand wiederum belegt eher das
Funktionieren der westdeutschen Zivilgesellschaft im Umgang mit der
US-Armee, wie sie in der DDR gegenüber der sowjetischen Armee undenkbar
gewesen wäre. Der Film lief in der DDR mit erheblichem Erfolg.
Während die Reihe in den ersten Wochen Filme aus den 1950er und frühen
1960er Jahren zeigt, die in den letzten Jahren wiederholt zu sehen waren,
wartet sie im weiteren Verlauf mit einigen Wiederentdeckungen auf. Frank
Wisbars von Gerhard T. Buchholz koproduzierter „Durchbruch Lok 234“ gehört
dazu, der nach einer realen Begebenheit die Flucht zweier
Eisenbahnerfamilien mit einem Nahverkehrszug schildert, oder auch Helmut
Krätzigs „Mord im Märkischen Viertel“, der die Unzufriedenheit in dem
Berliner Neubaugebiet als Aufhänger für ein Sozialdrama nimmt.
Egon Monks Fernsehspiel „Preis der Freiheit“ über einen Tag an der
deutsch-deutschen Grenze war zwar nie vergessen, ist aufgrund der
Archivpolitik des öffentlich-rechtlichen Fernsehens aber nur selten zu
sehen. Die „Bilder von drüben“ zeigen skeptische, teils polemische
Blickwechsel über die Grenze hinweg, die Filme der Reihe bilden über die
Jahrzehnte eine Fieberkurve der deutsch-deutschen Beziehungen.
Dieser Text erscheint im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg
immer Donnerstags in der Printausgabe der taz
15 May 2019
## LINKS
[1] https://www.dhm.de/zeughauskino/filmreihen/bilder-von-drueben.html
## AUTOREN
Fabian Tietke
## TAGS
DDR
BRD-Film
Filmgeschichte
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.