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# taz.de -- Reaktionäre Rede: Wenn der Prinz von Preußen spricht
> Bei einem Konzert des Jüdischen Kammerorchesters hielt Prinz Kiril von
> Preußen eine Gastrede. Besucher*innen sind vom Inhalt empört und fordern
> Aufklärung.
Bild: Findet, ein König sei ein „identitätsstiftender Faktor“: Pfarrer vo…
Hamburg taz | Die Gastrede bei einem Konzert des Jüdischen Kammerorchesters
Hamburg im schleswig-holsteinischen Neustadt hat bei Zuhörer*innen für
Empörung gesorgt. Sie wandten sich in einem Brief an die Veranstalter des
Konzerts – die evangelische Kirchengemeinde Neustadt und, in Vertretung für
die Stadt, den Bürgermeister – und verlangen Aufklärung. Der Gastredner
Philip Kiril Prinz von Preußen habe seine Rede genutzt, um „für seine
christlich-fundamentalistischen sowie rechtsnationalistischen Ideologien“
zu werben, so der Vorwurf.
Das Konzert fand am 5. Mai unter dem Titel „Musikalische Stolpersteine“
statt. Zwei Tage zuvor wurde auf dem Neustädter Ehrenfriedhof der 7.000
Häftlinge des Konzentrationslagers Neuengamme gedacht, die 1945 bei der
Bombardierung des Schiffs [1][Cap Arcona] starben. Preußen habe die Aufgabe
gehabt, der Opfer zu gedenken und dabei mahnend in die Zukunft zu weisen,
sagt Neustadts Bürgermeister Mirko Spiekermann (parteilos). In den
Hinweisen auf die Veranstaltung war keine Rede angekündigt.
Preußen ist der Ururenkel des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II. und
evangelischer Pfarrer in Brandenburg. Er schrieb für die neurechte Zeitung
Junge Freiheit und rief 2016 in einer Predigt dazu auf, sich in der AfD zu
engagieren. In einem Interview sprach er sich für die Rückkehr zur
Monarchie in Deutschland aus. Ein König sei „ein identitätsstiftender
Faktor“, sagte Preußen damals.
Seine Rede in Neustadt enthielt offenbar ähnliche Inhalte. Der taz liegt
ein Manuskript vor, ob Preußen exakt so gesprochen hat, ist nicht
nachvollziehbar. Laut Manuskript erinnerte Preußen zunächst an die Opfer
der Cap Arcona und legte eine Schweigeminute ein. Dann sprach er unter
anderem vom Bösen und Aggressiven, das jeder Mensch qua Natur mehr oder
weniger in sich trage – und sagte, die meisten Menschen hätten „den
verständlichen Wunsch nach starken und tatkräftigen
Führungspersönlichkeiten“.
## „Exzesse“ beim G20-Gipfel
Preußen äußerte seine „Sorgen“ mit Blick auf die „Exzesse“ beim G20-…
in Hamburg. Außerdem müsse die Polizei die Demonstrant*innen beim
„[2][Marsch für das Leben]“ vor Linksfanatiker*innen schützen. Er sprach
dabei von „wir“, offenbar nimmt er an diesen Märschen von
Abtreibungsgegner*innen teil.
„Diese Rede war unsäglich und hatte mit dem Anlass nichts zu tun“, sagt
Sylvia Blankenburg. Sie besuchte das Konzert und ist eine der
Unterzeichner*innen des Briefes an die Kirche und den Bürgermeister. Wer
Preußen als Redner vorgeschlagen oder dem zugestimmt habe, hätte wissen
müssen, welche Ideologie er vertritt, schrieben sie.
Preußen sieht sich als Opfer von übler Nachrede. Er habe sich nicht
vorstellen können, dass es keinen Konsens darüber gibt, dass man heute zu
allen Seiten hin wachsam sein müsse und „dass Stolpersteine nicht
automatisch auch als aufrüttelnde Mahnung für die Gegenwart verstanden
werden, sondern manche sich ausschließlich der historischen Trauer widmen
wollten“, sagte er zur taz.
Organisiert hatte das Konzert der Neustädter Kirchenkantor Andreas Brunion.
Dieser wollte den Abend gegenüber der taz nicht kommentieren. Dem
Anzeigenblatt Der Reporter sagte er kurz nach dem Konzert, die Kritik an
Preußen entbehre jeglicher Grundlage. „Wahrheiten, die unbequem sind, muss
man auch mal aushalten können und nicht gleich in einer Unart rummaulen“,
sagte Brunion da.
## Bürgermeister räumt Fehler ein
Der Propst des ostholsteinischen Kirchenkreises, Dirk Süssenbach, bedauert,
dass das Gedenken an die Opfer durch die stattfindende Auseinandersetzung
in den Hintergrund gerate, wie er zur taz sagte. Er kenne Preußen nicht und
habe auch von dem Gastbeitrag nichts gewusst. „Nach dem, was ich jetzt
weiß, hätte ich dem Veranstalter zu einem anderen Redner geraten.“ Den
Kirchengemeinderat habe er um Stellungnahme gebeten, anschließend werde der
Kirchenkreisrat den Fall beraten, sagt Süssenbach.
Bürgermeister Spiekermann sprach angesichts der Kritik in den Lübecker
Nachrichten zunächst von einer nicht erfüllten Erwartungshaltung einiger
Besucher*innen. Jetzt findet auch er, Preußen habe seine
christlich-fundamentalistischen und rechtsnationalistischen Ideologien
verbreitet. „Wir hätten bei der Auswahl des Redners größere Sorgfalt walten
lassen müssen“, sagte er zur taz. Gemeinsam mit dem Propst werde eine
Pressemitteilung erarbeitet und den Zuschauer*innen ein Gesprächsangebot
unterbreitet.
Auch das Jüdische Kammerorchester will noch eine Stellungnahme abgeben. Der
künstlerischer Leiter Pjotr Meshvinksi sagte der taz, er könne die Kritik
an dem Redner nicht teilen. Er habe auf der Veranstaltung nichts gehört,
was nicht den Tatsachen entspreche.
13 May 2019
## LINKS
[1] /Archiv-Suche/!5217220&s=Cap+Arcona/
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## AUTOREN
Marthe Ruddat
## TAGS
Evangelische Kirche
Kirche
Preußen
Abtreibungsgegner
Neue Rechte
Stolpersteine
Schwerpunkt Rassismus
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