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# taz.de -- Repression gegen lokale Eliten in Russland: Putin lässt die Gouver…
> Seit 2015 nimmt in Russland die Zahl der Strafverfahren gegen regionale
> Politiker zu. Oft ist es jedoch willkürlich, wer unter Anklage gestellt
> wird.
Bild: Russlands Präsident Putin vor Geheimdienstlern: die Loyalität des Appar…
Moskau taz | Für Grigorij Primurow war es der dritte Schlag. Schon seit
drei Jahren sitzt Russlands ehemaliger stellvertretender Minister für
Kultur wegen Betrugs ein. Im vergangenen Jahr kam eine weitere Anklage
hinzu. Bei Renovierungen an der Eremitage in St. Petersburg sollen 450
Millionen Rubel (6 Millionen Euro) verschwunden sein. Nachforschungen über
den Verbleib des Geldes gerieten jedoch ins Stocken. Um Primurow nicht
vorzeitig aus der Haft entlassen zu müssen, wurde nun noch ein Verfahren
eröffnet. Diesmal geht es um die Gründung einer kriminellen Vereinigung.
Primurow war einer von drei Fällen, die in den vergangenen Wochen
aufhorchen ließen. Den Anfang machte die Verhaftung des früheren Ministers
Michail Abysow, der bis 2018 im Kabinett des Premiers Dmitrij Medwedjew für
die Digitalisierung der Verwaltung zuständig war. Auch er soll durch
überzogene Forderungen Milliarden Rubel herausgeschlagen und sie auf
Offshore-Konten untergebracht haben. Antikorruptionsblogger Alexej Nawalny
präsentierte auf YouTube mit einer Drohne aufgenommene Luftbilder der
italienischen Latifundien des Ex-Ministers.
Kaum ein Tag verstrich nach Primurows Festnahme, bis Viktor Ischajew, der
frühere Gouverneur von Chabarowsk, festgesetzt wurde. Er war auch Putins
Sonderbevollmächtigter für Russlands fernen Osten gewesen, danach Vizechef
des größten russischen Ölkonzerns Rosneft. Er galt als einer der
verdientesten Vertreter des postsowjetischen Systems.
Auch Ischajew wurde wegen einer finanziellen Unsauberkeit aus dem Verkehr
gezogen. 70.000 Euro soll er sich bei der Abrechnung der Miete für ein
Rosneft-Büro in die Tasche gesteckt haben. Wohlgemerkt 70.000 Euro in mehr
als fünf Jahren. Peanuts für russische Verhältnisse.
## Sein Verbrechen: Er war nicht mehr loyal
Der 70-Jährige schien irritiert, als er im üblichen Gitterkäfig vor Gericht
platziert wurde. „Fünf Millionen Rubel?“, murmelte der Inhaftierte
ungläubig. Gemunkelt wird indes, Ischajew könnte noch an illegalem
Holzhandel mit China beteiligt sein.
In Wirklichkeit hatte sich der Topbürokrat Schlimmeres erlaubt: Er war
nicht mehr loyal. Bei den Regionalwahlen im Herbst versagte er im fernen
Osten dem Kreml-Kandidaten die Unterstützung. Putins Partei Vereinigtes
Russland steckte eine krachende Niederlage ein.
Auf den ersten Blick sind alle Fälle durch Korruption verbunden. Dieser
Eindruck wird nach außen auch bewusst geschürt. In Russland gilt aber
grundsätzlich: In Führungsetagen gelangt nur, wer bereits durch korruptes
Verhalten die Unschuld verloren hat, sprich erpressbar ist. Auch bei
früheren Vorfällen wurden Gouverneure verhaftet, die sich nicht mehr
zuschulden hatten kommen lassen als Kollegen, die unbehelligt blieben.
„Ihr könnt jederzeit verhaftet werden, ohne dass ihr euch Außergewöhnliches
herausnehmt“, nennt Politikwissenschaftler Nikolai Petrow von der
Hochschule für Ökonomie das Signal, das sich an alle Gouverneure richtet.
Es soll sie loyaler und ergebener machen.
## Geheimdienst FSB wirft sein Netz aus
Repressionen gegen regionale Eliten nehmen seit 2015 zu. Zuvor richteten
sich die meisten Verfahren gegen Bürgermeister. Inzwischen sind auch
Gouverneure nicht mehr sicher. Mindestens 20 werden jährlich ausgewechselt.
Allein 2018 wurden 35 Strafverfahren gegen Führungskräfte in der Provinz
eingeleitet. 25 endeten mit Freiheitsentzug, 18 erhielten mehr als
fünfjährige Haftstrafen. Meistens steht der Geheimdienst FSB dahinter. „In
den Kreislauf werden neue Gruppen hineingezogen, die früher noch als
unantastbar galten“, meint Petrow. Noch 2015 wurden Details bei
Hausdurchsuchungen nicht öffentlich gezeigt. Jetzt folge das Vorgehen dem
Muster der politischen Repression.
Die eigentliche Adressaten der Strafmaßnahmen sind die Gruppen und
gesellschaftlichen Schichten, denen die Beschuldigten angehören. Man nennt
das „repressiven Populismus“: Bei unzufriedenen Bürgern käme „Durchgrei…
gut an. Meldungen darüber verbreiten sich über das Fernsehen und soziale
Medien. Ex-Energieminister Wladimir Milow sagt, die Lage im Land
verschlechtere sich, und der Kreml fürchte um die Loyalität der Elite.
„Schafft mehr ins Gefängnis, macht Druck und locht sie nacheinander ein“,
seien Signale an den Geheimdienst, meint Milow.
16 Apr 2019
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
## TAGS
Russland
Wladimir Putin
russische Justiz
Repression
Internet
Russland
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