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# taz.de -- Anklage nach 477 Tagen in U-Haft: Rache für Gezi-Proteste
> Die Istanbuler Staatsanwaltschaft fordert lebenslange Haft für den
> Kulturmäzen Osman Kavala und 15 weitere Personen. Sie sollen die
> Gezi-Proteste organisiert haben.
Bild: Osman Kavala saß fast 500 Tage ohne Anklageschrift in Untersuchungshaft
Lebenslange erschwerte Haft fordert der Istanbuler Generalstaatsanwalt in
einer gestern vorgelegten Anklage für 16 prominente VertreterInnen der
türkischen Zivilgesellschaft, die allesamt führend an den
regierungskritischen Gezi-Protesten im Sommer 2013 beteiligt gewesen sein
sollen. Der auch international bekannteste Angeklagte ist der Istanbuler
Kulturmäzen Osman Kavala, der schon seit fast 500 Tagen in
Untersuchungshaft sitzt.
Neben Osman Kavala werden die ehemalige Sprecherin der Bürgerinitiative für
den Erhalt des Gezi-Parkes, Mücella Yapıcı, und der Schauspieler Mehmet Ali
Alabora sowie dessen Ehefrau angeklagt. Außerdem unter den Angeklagten: der
Journalist und frühere Cumhuriyet-Chefredakteur Can Dündar, gegen den nach
Angaben seines Anwalts noch weitere fünf Strafverfahren laufen.
Can Dündar ist bereits vor mehr als zwei Jahren nach Deutschland geflohen,
auch Ali Alabora und seine Frau leben längst in London. Osman Kavala, der
ebenfalls international gut vernetzt ist, wurde dagegen im Herbst 2017
verhaftet und sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Kavala ist der Erbe eines
großen Industrieunternehmens und hat sich bei dem türkischen
Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan verhasst gemacht, weil er viele
zivilgesellschaftliche Initiativen finanziell unterstützt hat. Erdoğan
nennt ihn deshalb „den Soros“ der Türkei, der angeblich im Auftrag des
Auslandes das Land zerstören will.
In der 657 Seiten umfassenden Anklage wirft die Staatsanwaltschaft Osman
Kavala und den anderen Angeklagten vor, sie hätten seit 2012 konspirativ
die Gezi-Proteste vorbereitet, die sich dann im Sommer 2013 daran
entzündeten, dass Erdoğan im letzten Park in der Istanbuler Innenstadt die
Bäume abholzen lassen wollte, um dort ein Einkaufszentrum zu bauen.
## Stellvertretend für die gesamte Protestbewegung
Als die Polizei hart gegen die Bürgerinitiative und die sie unterstützenden
UmweltschützerInnen vorging, entwickelte sich in wenigen Wochen aus der
lokalen Protestaktion eine landesweite Widerstandsbewegung gegen Erdoğans
autoritären und autokratischen Regierungsstil, der die Türkei mehrere
Monate in Atem hielt. Die Proteste wurden schließlich blutig
niedergeschlagen. Die Angeklagten sollen nun stellvertretend für die
gesamte Protestbewegung lebenslänglich ins Gefängnis.
Die lange U-Haft von Osman Kavala hatte schon vor der Anklage auch
international für Proteste gesorgt. Das von Kavala gegründete
Anadolu-Kulturinstitut war mehrfach Projektpartner des Goethe-Instituts und
der Mercator-Stiftung, auch mit französischen Institutionen hat Kavala
vielfach zusammen gearbeitet.
Die Anklageschrift löste deshalb auch weit über die Türkei hinaus Proteste
aus. Die Menschenrechtskommissarin des Europarates, Dunja Mijatovic, sagte,
die Anklage zeige, wie weit sich die Türkei von europäischen
Menschenrechtsstandards entfernt habe. Auch in Deutschland, Frankreich und
England kritisierten einzelne Institutionen und Abgeordnete die Anklage
scharf. Der grüne Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir sagte, die Anklage
zeige, dass der Rechtsstaat in der Türkei „nur noch ein Trümmerhaufen“ se…
Heute entscheidet das zuständige Gericht in Istanbul formal, ob es die
Anklage zulässt. Danach kann der Prozess beginnen.
21 Feb 2019
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
## TAGS
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Türkei
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