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# taz.de -- Kolumne Heult doch!: „What?! Das wird zensiert?“
> Muss alles laufen: Als Viertklässler-Mutter kann man manchen Eltern
> förmlich beim Stretching für den Run auf die Gymnasien zusehen.
Bild: Richtige Verkehrserziehung heißt doch: Kann nur eine Richtung geben für…
Aus reinem Eigennutz habe ich frühzeitig einen gewissen Ehrgeiz bei der
Verkehrserziehung meiner Kinder an den Tag gelegt. Sobald das Kind (und man
selbst hintendrein) nicht mehr länger mit dem Rad auf dem Gehweg zuckeln
muss, erhöht sich die nachmittägliche Reisegeschwindigkeit zwischen
Supermarkt und Musikschule einfach wieder ganz enorm. Ich hatte also nicht
das Gefühl, dass ich großartig tätig werden müsste, als auf dem Elternabend
zu Schuljahresbeginn mitgeteilt wurde, unsere Kinder würden in diesem
Schuljahr die Radfahrprüfung ablegen – mit Praxisprüfung und
Zeugnisvermerk, ob „teilgenommen“ (durchgefallen) oder „erfolgreich
teilgenommen“ (bestanden).
Dann brachte das Kind alsbald einen Zettel nach Hause: Die „lieben Eltern“
werden angehalten, bitte regelmäßig bis zur Radfahrprüfung im Mai mit dem
Kind in der örtlichen Jugendverkehrsschule vorbeizuschauen und sich die
Übungszeiten auch abstempeln zu lassen. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass
das Kind durch die Prüfung rassle.
Quatsch, denke ich – und schlurfe nun samstags, verärgert über das eigene
Pflichtbewusstsein, mit anderen Viertklässler-Eltern aus der Schule meines
Sohns über den Zebrastreifen auf dem Übungsgelände der Verkehrsschule.
## Warten auf Grün
Beim Warten auf Grün an der enervierend lahmarschigen Fußgängerampel
kursieren Gerüchte: „Also, mein Sohn hat gesagt, wenn der Zettel ganz
ausgefüllt ist, gibt’s ’ne 1 in Sachkunde.“ – „What?!“, ruft eine …
entsetzt und kramt in ihrer Tasche hektisch nach dem Zettel mit den bereits
bescheinigten Übungszeiten drauf. „Aber da stand doch drauf …“, sie fumm…
mit einem Anflug von Panik diesen genau genommen völlig unwichtigen Zettel
aus einer schützenden Klarsichthülle. „Aber da steht doch drauf …“, sie
findet die Stelle: „Ah, hier steht’s: ‚… wird nicht zensiert‘.“
Mein großer Sohn geht jetzt in die vierte Klasse, und man kann manchen
Eltern förmlich beim Stretching für den Run auf die Gymnasien zusehen. Seit
Freitag laufen die diesjährigen Aufnahmetests für die Handvoll
Schnelllernergymnasien, die Kinder schon nach der vierten Klasse nehmen,
wie ich morgens in der Kita-Garderobe meines kleinen Sohns erfahre. Es sehe
so aus, sagt die ehrlich verzweifelte Mutter, als ob die Tochter die Tests
doch nicht bestehe. Das Ganze sei traumatisch.
Die meisten, auch in der Klasse meines Sohns, wechseln zwar erst nach der
sechsten Klasse. Aber die Eltern sind bereits gut untereinander informiert,
für welches Gymnasium der aktuelle Notenschnitt ihrer Kinder im letzten
Jahr angeblich gereicht hätte.
Einen Tag nach der Samstagssession in der Verkehrsschule bricht in Berlin
der Vorfrühling aus, und ich schleppe meine widerstrebenden Kinder in den
Volkspark Blankenfelde: Fettes Damwild zu füttern reißt sie nicht mehr
wirklich vom Hocker. Vor dem Tiergehege versucht bereits eine Kinderschar
das desinteressierte Wild mit welken Grashalmen zu ködern – der
Futterautomat ist um halb elf am Vormittag bereits leer.
## Wieder mal gestresste Eltern
Die Eltern sind natürlich auch wieder da. Er sei gestresst!, klagt ein
Vater am Zaun. Neulich erst wieder, die freiwillige Kunsthausaufgabe für
die 1 auf dem Halbjahreszeugnis des Sohns: Da habe er sich selbst abends
noch drangesetzt an den geforderten Kurzvortrag, das habe das Kind zeitlich
gar nicht mehr geschafft. „Gut recherchiert!“, habe dann drunter gestanden.
„Na, immerhin!“, sagt der Vater, offenbar nicht ganz zufrieden – ob mit
sich, dem Kind oder der Lehrerin bleibt unklar.
Bestimmt machen das nicht alle so, bestimmt ist der Vater aber auch nicht
allein. Ich bin ja nicht besser: Der Parcours der Verkehrsschule ist keine
Herausforderung fürs Kind. Nun könnte er lernen, das selbst einzuschätzen.
Stattdessen arbeiten wir den Zettel ab.
Die Schule schwänzenden, Klima schützenden Fridays-for-Future-SchülerInnen
halten uns Erwachsenen da gerade den schönsten Spiegel vor: Zu wissen, was
die eigene Agenda ist und wofür man kämpft – darum geht’s doch, oder?
Alle, die sich da engagieren, dürften eigentlich schon mal nicht durchs Abi
fallen.
3 Mar 2019
## AUTOREN
Anna Klöpper
## TAGS
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