# taz.de -- Flüchtlingspolititk in Australien: Ärzte statt Bürokraten am Kra… | |
> Australien lässt künftig kranke Flüchtlinge, die auf Inseln interniert | |
> sind, zur Behandlung auf den Kontinent. Und ein umstrittenes Lager macht | |
> wieder auf. | |
Bild: Geflüchtete in einem Internierungslager auf der Pazifik-Insel Nauru im S… | |
Canberra taz | Hunderte von kranken Flüchtlingen, die in australischen | |
Internierungslagern im Pazifik ausharren, können endlich hoffen. Die | |
Oberkammer des australischen Parlaments hat am Mittwoch ein zuvor vom | |
Unterhaus verabschiedetes Gesetz bestätigt, wonach es den Asylsuchenden | |
leichter gemacht werden soll, auf dem Kontinent medizinisch behandelt | |
werden zu können. | |
Rund 1000 Flüchtlinge leben auf den Pazifikinseln Nauru und Manus – einige | |
seit über fünf Jahren -, ohne Hoffnung, in Australien je Schutz zu finden. | |
Sie sind Opfer der Abschreckungspolitik Australiens, wonach keine | |
Bootsflüchtlinge je einen Fuß auf den Kontinent setzen sollten. | |
Die oppositionelle Labor Party und eine Gruppe von unabhängigen Senatoren | |
bestätigten am Mittwoch den Entscheid des australischen | |
Repräsentantenhauses vom Vortag. Der Labor-Vorsitzende und damit | |
Oppositionsführer Bill Shorten sagte, ein Land könne starke Grenzen haben | |
und gleichzeitig die medizinische Versorgung von Kranken garantieren. | |
Laut dem neuen Gesetz, das von 7000 Ärzten und humanitären Organisationen | |
unterstützt worden war, werden in Zukunft zwei Mediziner entscheiden, ob | |
ein Patient zur Behandlung nach Australien evakuiert werden soll. Bisher | |
lag die Verantwortung bei Bürokraten. Selbst Patienten mit potenziell | |
tödlichen Krankheiten und starken Schmerzen warteten oftmals Jahre auf | |
einen Entscheid. | |
## „Menschenunwürdige Zustände“ | |
Internationale Organisationen verurteilten die Praxis und die Zustände in | |
den Lagern als „menschenunwürdig“ und rechtswidrig. Gewalt, | |
Selbstverstümmelungen und Suizidversuche seien an der Tagesordnung. Die | |
Mehrheit der Internierten sind anerkannte Flüchtlinge. | |
Der konservative Premierminister Scott Morrison hatte im Vorfeld des | |
Entscheides davor gewarnt, unter den Asylsuchenden würden sich „Pädophile | |
und Mörder“ befinden. Der Regierung nahestehende Medien sahen gar die | |
Wahrscheinlichkeit von Vergewaltigungen australischer Frauen durch | |
kriminelle muslimische Flüchtlinge, wenn diese als Patienten nach | |
Australien kämen. Die rassistisch gefärbte Polemik hat keine Basis: Der | |
Immigrationsminister wird bei Flüchtlingen, denen eine kriminelle Tat | |
vorgeworfen wird, weiterhin das Veto-Recht haben über den Entscheid der | |
Ärzte. | |
Minuten nach dem Entscheid gab Morrison die Wiedereröffnung des | |
berüchtigten Internierungslagers auf der zu Australien gehörenden | |
Weihnachtsinsel bekannt. Damit reagiere Canberra auf den „zu erwartenden | |
Anstieg der Ankunft von Bootsflüchtlingen“. Morrison und Heimatminister | |
Peter Dutton warfen Oppositionsführer Bill Shorten vor, „die Schleusen zu | |
öffnen“ und „das Geschäft der Menschenschlepper“ neu anzukurbeln, da | |
potenzielle Bootsflüchtlinge nun eine Möglichkeit sähen, auf dem „Umweg als | |
Patient“ doch noch nach Australien zu kommen. Auch dieses Argument hinkt: | |
Die neue Regelung gilt nur für die bisherigen Asylsuchenden. | |
## Internierungen seit 2013 | |
Seit 2013 interniert Australien auf unbestimmte Zeit Menschen, die meist | |
von Indonesien auf Booten nach Australien kommen wollen. Die Regierung | |
behauptet, danke der Internierungen und dank einer starken militärischen | |
Präsenz vor der Nordküste des Kontinents erreicht zu haben, dass es kaum | |
noch Boote nach Australien schafften. Konservative Kräfte in Europa sehen | |
das „australische Modell“ gerne als Lösung für die eigenen Asylprobleme. | |
Für Premierminister Scott Morrison ist der Parlamentsentscheid eine massive | |
Niederlage. Einige Kommentatoren verlautbarten, die Regierungskoalition | |
habe die Kontrolle über das Parlament verloren. Einen Misstrauensantrag | |
stellten aber weder die oppositionelle Labor-Partei noch die unabhängigen | |
Abgeordneten. | |
Beobachter glauben nicht, dass der Entscheid ein erster Schritt auf dem Weg | |
zu einer menschlicheren Flüchtlingspolitik ist. Stattdessen droht | |
Australien ein von Xenophobie und Polemik dominierter Wahlkampf. Umfragen | |
zufolge dürfte die konservative Regierungskoalition die Macht an die | |
Labor-Partei verlieren, wenn sie sich voraussichtlich im Mai den Wählern | |
stellt. | |
Rassismus und Fremdenfeindlichkeit bringen in Australien schon lange | |
Wählerstimmen. 2001 hatte es ausgesehen, als ob die damalige konservative | |
Regierung von Premierminister John Howard die Macht verlieren würde. Dann | |
erschien am nordaustralischen Horizont ein mit schiffbrüchigen, | |
mehrheitlich muslimischen Flüchtlingen beladener Frachter. | |
Howard ließ das Schiff stürmen, warnte davor, dass sich unter den | |
Asylsuchenden Terroristen befinden könnten, und deportierte die | |
geschwächten und und zum Teil kranken Flüchtlinge in Internierungslager. | |
Kurze Zeit später wurde seine Regierung mit einem soliden Ergebnis | |
wiedergewählt. | |
13 Feb 2019 | |
## AUTOREN | |
Urs Wälterlin | |
## TAGS | |
Australien | |
Flüchtlingspolitik | |
Flüchtlingslager | |
Schwerpunkt Flucht | |
Australien | |
Australien | |
Australien | |
Australien | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Umstrittene australische Asyllager: Papua-Neuguinea feuert Betreiber | |
Die Zustände in den Haftzentren, die Papua-Neuguinea für Australien | |
betreibt, sind berüchtigt. Nachdem der Betreiber in die Kritik geriet, | |
kündigte ihm nun der Pazifikstaat. | |
Australiens Politik der Abschreckung: Von einem Gefängnis ins andere | |
Flüchtlinge wollten nach Australien, wurden aber in Papua-Neuguinea | |
interniert. Jetzt wehren sie sich gegen ihre Umsiedlung. | |
Australiens Flüchtlingspolitik: Tausende fordern Lagerschließung | |
„Lasst die Flüchtlinge frei“: In Sydney und Melbourne haben am Sonntag | |
tausende Menschen gegen die repressive Flüchtlingspolitik der Regierung | |
demonstriert. | |
Flüchtlingspolitik in Australien: Im Rettungsboot zurückverschiffen | |
Australien will offenbar Flüchtlinge aus Indonesien mit Rettungsbooten | |
zurückschicken. Seit September kündigt die konservative Regierung ein | |
härteres Durchgreifen an. |