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# taz.de -- Nach dem Anschlag in Nairobi: „Wir sind Überlebenskünstler“
> Nairobi kennt bereits schlimme Terroranschläge. Trotzdem ist nach 21
> Toten derzeit nichts mehr normal in Kenias Hauptstadt.
Bild: Einsatz kenianischer Sicherheitskräfte nach dem Anschlag in Nairobi
Die Sonne scheint, der Stau ist wie immer unendlich. Aber für die Nairobier
ist gerade nichts normal. Die Menschen sind betroffen und traurig [1][über
die 21 Toten nach dem Anschlag] auf ein Hotel in der Stadt durch die
somalische radikal-islamistische Bewegung al-Shabaab. Jeder Tote hatte
seine oder ihre Geschichte, die jetzt in den Medien erzählt wird. Die
Unbekannten werden zu Bekannten.
Zwei Freunde, die sich seit Jahren kannten, starben zusammen beim
Mittagessen. Ein Amerikaner, der vor sechs Jahren einen ebenfalls von
al-Shabaab ausgeführten Anschlag in Nairobi überlebte, ist dieses Mal
umgekommen. Die Fußballfans trauern um einen populären Sportreporter.
Gewissenhaft lesen die Nairobier die Zeitungen von vorne bis hinten. Das
Radio läuft ständig, und die Fernsehnachrichten über die Nachwirkungen des
Anschlages werden in Stille angesehen. Aber auch ein Lächeln huscht über
die Gesichter, wenn Geschichten von Überlebenden zu hören sind.
Die Nairobier haben schon einige Anschläge erlebt. 1998 war die
US-amerikanische Botschaft das Ziel, damals im Zentrum der Stadt. Bei dem
Al-Qaida-Angriff mit Autobomben kamen mehr als 200 Menschen ums Leben. Vor
sechs Jahren töteten Al-Shabaab-Milizen ungefähr 70 Menschen im
Westgate-Einkaufszentrum. Auch in anderen Landesteilen gab es eine Reihe
von Anschlägen. Und jetzt das DusitD2-Hotel.
Es gibt auch Wut. [2][Der Name al-Shabaab] wird mit Zorn ausgesprochen. Oft
werden auch somalische Kenianer verdächtig angeschaut, obwohl manche von
ihnen in den Rettungstruppen tätig waren.
## Der Polizei wird freundlicher begegnet
Auf Twitter tobt unterdessen ein heftiger Streit zwischen jungen Leuten aus
Nairobi und der New York Times. Der Grund: Die Zeitung hatte auf ihrer
Website grausame Bilder von toten Kenianern gepostet, die zusammengesunken
über Tischen im Hotelrestaurant lagen. „Kein Respekt für unsere Toten“,
schimpften Kenianer auf Twitter. Sie verlangten, dass die Bilder gelöscht
werden.
Die New York Times hingegen stellte sich auf den Standpunkt, es sei
richtig, die Grausamkeit des Geschehens zu zeigen, wenn die Gesichter nicht
zu erkennen sind. Jetzt fordert die Twitter-Gemeinschaft, der
New-York-Times-Korrespondentin die Akkreditierung zu entziehen.
Nairobier die es sich leisten können, gehen eigentlich gerne zum Essen in
die Restaurants der Luxushotels. Aber seit dem Anschlag gehen sie abends
lieber nach Hause wo sie sich sicher fühlen. Das Gleiche gilt für die sonst
gut frequentierten Fitnessstudios der großen Hotels. Die Nairobier joggen
derzeit lieber auf den Straßen der Hauptstadt. Ein Freund, der in einem der
vielen Hotels gerade ein Seminar besucht hat, erzählt, dass kaum
Diskussionen zustande kamen – jeder wollte so schnell wie möglich einfach
raus.
Nairobi ist normalerweise wie jede andere Metropole. Alle sind in Eile,
Autofahrer beschimpfen einander, auf dem Bürgersteig stoßen Fußgänger
zusammen, ohne sich zu entschuldigen. Und alle verabscheuen die Polizei.
Aber jetzt ist es anders. Die Polizei hat während des Anschlags gute Arbeit
geleistet. Ihr wird freundlicher begegnet.
## Der Anschlag hat die Menschen verbunden
In den Stunden des Anschlags brachten Frauen Wasser, heißen Tee und Krapfen
für die Polizisten, Soldaten und Journalisten an der Sperre zum
DusitD2-Hotel. Andere sorgten für dicke Massai-Decken für Menschen, die
dort eine ganze Nacht auf Familienmitglieder oder Freunde warteten, die
noch auf dem Gelände festsaßen. Der Anschlag hat die Menschen verbunden,
gerade sind sie nett zueinander.
In ein paar Monaten wird Nairobi wieder normal sein, wissen Einwohner aus
Erfahrung. Die Furcht, ein großes Hotel zu besuchen und dort zu essen wird
verdrängt sein. Der Mittelfinger geht wieder hoch gegen andere
Verkehrsteilnehmer in den unendlichen Staus. Und die gute Arbeit der
Polizei wird vergessen sein – Polizisten werden wie immer nur als
diejenigen gesehen werden, die dauernd Schmiergelder fordern.
„Wir sind erfahren im Umgang mit Anschlägen“, meint eine Bekannte in einem
kleinen Kaffeehaus in der Stadt, weit entfernt von großen öffentlichen
Gebäuden. Sie erinnert sich an ihre Angst und Vorsicht nach dem Anschlag
von 2013. „Wir Menschen sind Überlebenskünstler“, sagt sie. „Wir sorgen
dafür, dass alles wieder alltäglich wird. Jedenfalls bis zum nächsten
Anschlag.“
19 Jan 2019
## LINKS
[1] /Terrorismus-in-Kenia/!5566114
[2] /Al-Shabaab/!t5014039
## AUTOREN
Ilona Eveleens
## TAGS
Kenia
Nairobi
Al-Shabaab
Kolumne Stadtgespräch
Entführung
Nairobi
Kenia
Somalia
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