# taz.de -- Arztmobil für Papierlose unter Druck: Die Polizei ist indiskret | |
> Das Arztmobil behandelt ehrenamtlich Geflüchtete und Obdachlose – es sei | |
> denn, die Polizei beobachtet die mobile Praxis. Dann trauen sich | |
> Patienten nicht rein. | |
Bild: Auf niedrigschwelligen Zugang angewiesen: Das Hamburger Arztmobil | |
HAMBURG taz | Einen Diskretionsabstand einzuhalten, gehört zu den | |
Grundregeln eines Arztbesuchs. Nicht nur, um Ansteckungen zu verhindern, | |
sondern auch, um die Privatsphäre von Patient*innen zu schützen. Daran | |
ändert sich nichts, wenn die Ärzte ehrenamtlich arbeiten und die Patienten | |
Papierlose oder Menschen ohne Krankenversicherung sind. Dass die Polizei | |
nicht vor solchen Arztpraxen stehen und diese beobachten sollte, erklärt | |
sich von selbst. | |
Für die Hamburger Polizei ist das offenbar aber nicht selbstverständlich. | |
Am vergangenen Sonntag parkte laut Augenzeugenberichten ein | |
Mannschaftswagen wenige Meter neben dem Arztmobil, einer ehrenamtlichen | |
Versorgungseinrichtung, in der Hafenstraße. Einige Polizist*innen | |
standen in der Nähe und beobachteten das Geschehen. | |
Das Arztmobil ist ein umgebauter Transporter, in dem ein ehrenamtliches | |
Team aus Ärzt*innen und Krankenpfleger*innen Menschen ohne | |
Krankenversicherung behandelt. Jeden Samstag fährt es Unterkünfte des | |
Winternotprogramms an und versorgt Obdachlose. | |
Sonntags steht es in der Hafenstraße und versorgt geflüchtete | |
Westafrikaner, die weder eine Arbeitserlaubnis noch eine | |
Krankenversicherung haben. Viele von ihnen sind obdachlos. Das Spektrum an | |
Krankheitssymptomen reicht von Grippe über Ekzeme und Zahnproblemen bis hin | |
zu schlecht verheilten Brüchen. | |
## Die Beamten wollten nicht weichen | |
„Wegen der Polizeipräsenz haben sich die Geflüchteten nicht getraut, sich | |
dem Arztmobil zu nähern“, sagt Claudia M.* von der Initiative Copwatch. Die | |
Initiative kritisiert die hohe Polizeipräsenz auf St. Pauli und die | |
rassistische Dimension der Polizeikontrollen, denen schwarze Menschen dort | |
täglich ausgesetzt sind. „Medizinische Versorgung ist ein Menschenrecht“, | |
sagt M. „Es darf nicht sein, dass die Polizei den Geflüchteten das | |
verwehrt.“ | |
Die Polizist*innen seien hartnäckig geblieben, obwohl | |
Mitarbeiter*innen des Arztmobils sie gebeten hätten, zu gehen. | |
Stattdessen hätten die Beamt*innen vorgeschlagen, die Ärzt*innen | |
könnten die Geflüchteten ja an der Hafentreppe abholen und zum Arztmobil | |
eskortieren. | |
Nach einigem Hin und Her hätten die Beamt*innen ihren Mannschaftswagen | |
schließlich weggefahren, seien aber zu dritt in Sichtweite stehen | |
geblieben, während M. die Geflüchteten nach und nach an ihnen vorbei zum | |
Arztmobil begleitet habe. | |
## In der Regel hält sich die Polizei zurück | |
Julia Hermann ist die Geschäftsführerin des Arztmobils und bestätigt den | |
Vorfall. „Eigentlich ist unser Verhältnis mit der Polizei kooperativ“, sagt | |
sie. Die Ehrenamtler*innen schickten der Davidwache, die für die | |
täglichen Schwerpunkteinsätze in der Hafenstraße zuständig ist, sogar ihre | |
Dienstpläne. In der Regel hielten sich die Polizist*innen zu den | |
entsprechenden Zeiten zurück. Warum das am Sonntag anders war, kann sich | |
Hermann nicht erklären. | |
Auch die Pressestelle der Polizei erklärt das nicht. Sie erkennt aber auch | |
kein Problem: „Die Polizei Hamburg gewährleistet einen freien Zugang zum | |
Arztmobil“, sagt Polizeisprecher Ulf Wundrack. „Dies ist auch am | |
vergangenen Sonntag erfolgt.“ | |
Das Arztmobil kommt seit April 2017 regelmäßig in die Hafenstraße. | |
Anwohner*innen hatten sich nach einem Todesfall dafür eingesetzt: Ein | |
junger Westafrikaner hatte mehrere Tage lang über Bauchschmerzen geklagt | |
und nach Schmerztabletten gefragt. In Hamburg konnte er nicht zum Arzt | |
gehen, weil er in einer Flüchtlingsunterkunft in Bayern gemeldet war. Als | |
er einige Wochen später zurück in seine Unterkunft fuhr, war es zu spät. | |
*Name geändert | |
24 Nov 2018 | |
## AUTOREN | |
Katharina Schipkowski | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Polizeikontrollen in Hamburg | |
Geflüchtete | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Krankenversicherung | |
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