# taz.de -- Forscherin über Krieg im Jemen: „Meine Mutter hat jeden Tag Angs… | |
> Die Kriegsparteien im Jemen wollen Friedensgespräche führen. Zumindest | |
> ein guter Schritt, sagt die aus Jemen stammende Analystin Ghaida | |
> Al-Rashidy. | |
Bild: Folge des Krieges in Jemen: Hungersnot bei der zivilen Bevölkerung | |
Frau Al-Rashidy, die UNO bezeichnet die [1][Situation im Jemen] als | |
schlimmste humanitäre Katastrophe der Welt. Dennoch wird wenig über den | |
Krieg berichtet. Warum? | |
Ghaida Al-Rashidy: Wir haben keine Grenze mit Israel und wenig Öl. Und aus | |
dem Jemen kommen keine Flüchtlinge nach Europa. Deswegen ist das Interesse | |
am Jemen gering. | |
Die Ermordung von Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul hat | |
die Situation im Jemen aber ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. | |
Deutschland hat vorerst Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien ausgesetzt, da | |
die Saudis im Jemen seit 2015 einen Luftkrieg gegen die schiitischen | |
Huthi-Rebellen anführen. Wird sich dadurch etwas ändern? | |
Ich bin sehr traurig darüber, was mit Khashoggi passiert ist. Doch der Fall | |
hat mehr Aufmerksamkeit generiert, als es der Krieg im Jemen je getan hat. | |
Ich wünschte mir, die Regierungen würden Waffenlieferungen nach | |
Saudi-Arabien wirklich aussetzen. Aber ich befürchte, das Schicksal der | |
Jemeniten interessiert sie nicht wirklich. | |
Als das von Saudi-Arabien geführte Militärbündnis 2015 im Jemen | |
intervenierte, rechnete es damit, die Huthis in wenigen Monaten zu | |
besiegen. Mittlerweile dauert der Krieg über drei Jahre. Warum macht | |
Saudi-Arabien weiter? | |
Erstens wegen des Irans. Den Krieg in Syrien haben die Saudis verloren – | |
den im Jemen können sie nicht auch noch verlieren. Zweitens haben sie | |
Angst, weil sie eine lange Grenze mit Jemen teilen. Das Gebiet dort ist | |
schiitisch. Und nicht zuletzt ist der Krieg das Projekt des saudischen | |
Kronprinzen Mohammed bin Salman. Für ihn und seine Karriere wäre eine | |
Niederlage im Jemen eine Katastrophe. | |
Am Montag haben sich die Kriegsparteien zu einer Waffenruhe und zu | |
Friedensverhandlungen bereit erklärt. Was bedeutet das? | |
Es ist ein guter Schritt. Die Huthis nutzen aus, dass Saudi-Arabien wegen | |
des Falls Khashoggi international in einem schlechten Licht steht. Wenn | |
jetzt auch Saudi-Arabien das Angebot für einen Waffenstillstand akzeptiert, | |
ist der Druck auf die Regierung umso größer, in den Verhandlungen auf die | |
Forderungen der Huthis einzugehen. | |
Sie haben im Zuge des Arabischen Frühlings 2011 angefangen, sich in Ihrer | |
Heimatstadt Aden zu engagieren. Was wollten Sie erreichen? | |
Als die Revolution ausbrach, hatte ich das Gefühl, etwas für meine | |
Gesellschaft tun zu müssen. Der Südjemen war seit der Wiedervereinigung | |
1990 stets ärmer als der Norden, weil das Geld und die Macht bei den Eliten | |
in der Hauptstadt Sanaa lagen. | |
2016 mussten Sie Aden verlassen, weil al-Qaida Sie auf eine Todesliste | |
setzte. | |
Ich arbeitete damals für den roten Halbmond. Mir folgte ständig ein Taxi | |
mit maskierten Männern. Als meine Mutter davon erfuhr, hat sie mich vor die | |
Wahl gestellt: Entweder du verlässt das Haus nicht mehr oder du verlässt | |
das Land. Ich bin nach Beirut gezogen. Von hier kann ich mehr machen als | |
von Aden aus. Die Bevölkerung im Jemen hat keine Stimme. | |
Wie ist die Situation im Jemen heute? | |
In Aden werden Leute gekidnappt, es gibt Anschläge. Meine kleine Schwester | |
studiert an der medizinischen Hochschule und meine Mutter hat jeden Tag | |
Angst um sie, wenn sie das Haus verlässt. Wer Geld hat, wandert aus. | |
Gleichzeitig ist die Mittelklasse in die Armut abgerutscht. Die Menschen | |
hungern, haben kaum Zugang zu medizinischer Versorgung. Achtzig Prozent der | |
Infrastruktur sind zerstört. Auf dem Markt gibt es zwar alles zu kaufen – | |
aber wegen der Inflation und dem fehlenden Lohn kann sich die Sachen kaum | |
jemand leisten. | |
19 Nov 2018 | |
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## AUTOREN | |
Meret Michel | |
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