# taz.de -- Nobelpreis für Chemie: Von der Natur lernen | |
> Drei Forscher*innen teilen sich den diesjährigen Chemie-Nobelpreis. Ihre | |
> Arbeit beschäftigt sich mit der Veränderbarkeit von Molekülen. | |
Bild: Die US-amerikanische Forscherin Frances Arnold erhält eine Hälfte des P… | |
Perfekter als die diesjährigen TrägerInnen des Nobelpreises für Chemie | |
könne man den letzten Willen Alfred Nobels eigentlich kaum erfüllen, meint | |
Göran K. Hansson, ständiger Sekretär der schwedischen Königlichen | |
Wissenschaftsakademie. Der Stifter wollte, dass mit ihm die Wissenschaftler | |
geehrt werden, die „der Menschheit den größten Nutzen“ erbracht haben. Und | |
betrachte man die Forschungsergebnisse, mit deren Hilfe man nun | |
Biokraftstoffe herstellen oder Arzneimittel zur Behandlung chronischer | |
Krankheiten entwickeln könne, dann erfülle das zweifelsohne das Kriterium. | |
Eine solche chronische Krankheit ist rheumatoide Arthritis, eine der | |
häufigsten entzündlichen Erkrankungen der Gelenke. Eine | |
Autoimmunerkrankung, deren Ursache eine überaktive Reaktion des | |
Immunsystems gegen körpereigenes Gewebe ist. Und vor rund 15 Jahren wurde | |
das Antikörper-Medikament Adalimumab zu deren Behandlung, aber auch für die | |
chronisch entzündlicher Darmerkrankungen oder der Schuppenflechte | |
zugänglich. Andere solche Medikamente gibt es für die [1][Immuntherapie | |
gegen Krebs] – eine Entwicklung, für die der diesjährige Medizinnobelpreis | |
vergeben wurde. | |
Diese Medikamente gründen auf Forschungsergebnissen, für die der | |
US-Amerikaner George Smith und der Brite Gregory Winter jetzt die eine | |
Hälfte des mit insgesamt 9 Millionen Kronen (ca. 870.000 Euro) dotierten | |
Chemienobelpreises erhalten. Smith hatte Mitte der 1980er Jahre mit dem | |
„Phagen-Display“ eine biotechnologische Methode entwickelt, um zu Genen | |
gehörende Proteine zu finden und neue zu entwickeln. Der britische | |
Molekularforscher Gregory Winter bediente sich der Methode von Smith, um | |
solche Antikörper herauszufiltern und genetisch zu verändern, die sich | |
optimal an Krankheitserreger oder kranke Zellen binden. Eine Voraussetzung, | |
um dann neue Arzneimittel herstellen zu können. | |
Smith und Winter hätten sich die „Kraft der Evolution“ zunutze gemacht, | |
betonte Claes Gustafsson, Vorsitzender des Nobelkomitees für Chemie. Sie | |
hätten im Prinzip das nachgebildet, was in der Natur ständig geschieht, | |
nämlich dass Moleküle sich modifizieren. Im Labor sei es möglich, diesen | |
Evolutionsprozess „vieltausendfach schneller zu machen“: „Eine Revolution | |
der Evolution.“ Sich die Natur zum Vorbild zu nehmen habe den Vorteil einer | |
„umweltfreundlicheren Chemie“. | |
## Der Code des Lebens | |
Die „Prinzipien von Darwin im Reagenzglas“ (Gustafsson) setzte auch die | |
US-Amerikanerin Frances Arnold ein, die Empfängerin der anderen Hälfte des | |
Chemiepreises. Die 62-Jährige – erst die fünfte Chemikerin, die diesen | |
Preis erhält – gilt als Pionierin auf dem Gebiet der gerichteten Evolution | |
von Enzymen. Auch die baut auf der Erkenntnis auf, dass die natürliche | |
Variation von Eigenschaften von Lebewesen durch Mutationen entsteht. „Mir | |
war klar, dass uns dann, wenn wir fähig sind, den Code des Lebens | |
umzuschreiben, völlig neue Perspektiven eröffnet würden“, schrieb Arnold | |
selbst. | |
In unzähligen Tests setzte ihre Forschungsgruppe veränderte Gene in | |
Bakterien ein, die dann unterschiedlich veränderte Enzyme produzierten. | |
Diese wurden auf ihre Reaktionsfähigkeit getestet, aussortiert, neu | |
verändert und getestet – und so weiter. Es gebe „unendliche | |
Kombinationsmöglichkeiten“ erläuterte Gustafsson, aber mit etwas Glück | |
erhalte man Enzyme, die man dann bei bestimmten chemischen Reaktionen | |
optimal einsetzen könne. So mittlerweile beispielsweise in Waschmitteln | |
oder bei der Entwicklung von Biotreibstoffen, bei denen Zucker aus Pflanzen | |
effizient umgesetzt werde. | |
4 Oct 2018 | |
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[1] /Vergabe-des-Medizin-Nobelpreises/!5541438 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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