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# taz.de -- Streit um Wildtiereinsatz: Leben für den Zirkus
> Das Gastspiel des Zirkus Krone in Hamburg mit Nashorn und Großkatzen hat
> eine Debatte ausgelöst: Dürfen, sollen Tiere im Zirkus auftreten?
Bild: Schon vor der Ankunft bereit: Löwengehege des Zirkus Krone auf St. Pauli
Wildtiere gehören nicht in den Zirkus. Für diese Feststellung braucht es
keine heimlichen Aufnahmen von Tierschützern, die monoton hin und her
schwingende Elefanten an Ketten zeigen: ein Schritt vor, einer zurück. Es
reicht ein Blick in die Manege: Scheinwerferlicht. Laute Musik. Donnernder
Applaus. Ein Elefant sitzt mit dem Hinterteil auf einem Podest und macht
Männchen. Zwei Artistinnen stehen auf seinen Vorderbeinen, ein Artist auf
seinem Kopf. Pferde laufen meterweit auf den Hinterbeinen. Sechs Kinder aus
dem Publikum reiten auf einem Elefantenrücken. Das sind Elemente aus den
Shows deutscher Zirkusse.
In Zoos – zuletzt im Zoo Hannover – wird es zurecht kritisiert, wenn
Elefanten Kunststückchen lernen sollen, weil es nicht ihrem natürlichen
Verhalten entspricht. Viele Gehege werden nun auf die Hands-off-Methode
umgestellt. Dann trennt Pfleger und Tiere immer ein Gitter. Zirkusse aber
sind darauf angewiesen, dass ihre Tiere neue Tricks zeigen.
In Hamburg protestieren Tierschützer derzeit gegen den Circus Krone. Er
gastiert noch bis zum 22. Oktober mit seinen Löwen, Tigern, einem Nashorn,
Papageien, Pferden und Seelöwen in der Stadt. Besucher können die Tiere
auch tagsüber im Krone-Zoo sehen. Sie sind nicht in vergitterten
Zirkuswagen unter gebracht, sondern in kargen, aber dafür größeren
Freigehegen. Die meisten Tiere liegen auf Stroh und dösen. Ein Seelöwe
dreht in einem Wasserbecken seine Runde.
Aus der Branche ist über den Zirkus zu hören, dass es den Tieren hier gut
gehe. Schlechter seien die Bedingungen in den kleineren Zirkussen ohne
Winterlager. Martin Lacey jr., der Löwentrainer des Zirkus Krone,
bezeichnet sich selbst als Tierschützer. Ein Beispiel: Die Zeiten in den
Transportern würden für die Tiere so kurz wie möglich gehalten. „Die
Stallungen stehen schon in der neuen Stadt, wenn die Tiere ankommen, damit
sie nicht warten müssen“, sagt Lacey.
## Stress durch stundenlange Transportwege
Standard ist das in der Zirkusbranche nicht. Denn die Unternehmen müssen
sich dafür zwei Sätze Käfige leisten können. So oder so bleiben aber
stundenlange Transportwege, die für viele sensible Tierarten wie etwa
Pferde Stress bedeuten. Und für Zirkusse wird es immer schwieriger,
überhaupt geeignete Plätze zu finden, auf denen sie ihre Zelte aufschlagen
können. Am Ende leiden darunter die Tiere, denn ein bisschen Streu auf
Beton macht daraus noch keinen tiergerechten Auslauf.
Drei Anläufe hat der Bundesrat schon gemacht, um Wildtiere im Zirkus zu
verbieten und scheiterte an den Zirkusfans in der Bundesregierung. Das
Landwirtschaftsministerium setzt auf eine freiwillige Selbsteinschränkung
der Zirkusse. Der Vorschlag des Bundesrates von 2016 sah hingegen vor,
bestimmte Tierarten wie Affen, Elefanten, Bären, Giraffen, Nashörner und
Flusspferde im Zirkus zu verbieten.
Den Betreibern gegenüber ist das fair. Denn es sollte eine Übergangsfrist
für die Tiere geben, die bereits im Zirkus leben – sofern sie keine
offensichtlichen Verhaltensstörungen zeigen. Die Zirkusse bekämen so Zeit,
ihre Nummern umzustellen. Ihnen entgegen kam auch, dass nicht alle
Wildtierarten verboten werden sollten. Raubkatzen etwa sind nicht dabei.
Aus Tierschutzsicht wäre das ein bitterer Kompromiss – aber immer noch ein
Fortschritt. Auch Schleswig-Holstein hat den Bund kürzlich zu einem
Wildtierverbot aufgefordert.
Den Menschen, die im Zirkus arbeiten, sind ihre Tiere wichtig. Daran
besteht kein Zweifel. „Sie sind unsere Partner, unsere Freunde und gehören
mit zur großen Circus Krone-Familie“, heißt es [1][in einer
Tierschutzbroschüre], die der Zirkus auf seiner Webseite veröffentlicht
hat. Das schließt jedoch nicht aus, dass die Tiere trotzdem unter den
Darbietungen und den Haltungsbedingungen in einem reisenden Zirkus leiden.
Ein Elefant, der einen Kopfstand oder Männchen macht? „All unsere Dressuren
basieren auf natürlichen Verhaltensweisen und Bewegungsabläufen der Tiere“,
schreibt Krone in der Broschüre und stellt daneben Bilder von Elefanten,
die ähnliche Bewegungen in freier Wildbahn zeigen. So regelmäßig wie in den
täglichen Trainings und Shows führt ein Elefant diese Bewegungen aber nicht
aus und Menschen sitzen ihm in der Natur auch nicht auf den Gliedern. Die
Dressur belastet die Gelenke der schweren Tiere.
## Verhaltensstörungen als Anzeichen der Vorfreude?
Selbst im Zirkus Krone gibt es Anzeichen dafür, dass es den Tieren aufgrund
der äußeren Umstände nicht gut geht. Gefragt, warum die Krone-Elefanten
weben, also immer wieder mit dem Kopf von links nach rechts wippen,
antwortete Marketingleiter Andreas Kielbassa der taz, dass sie das nur
machten, weil sie sich so auf ihren Auftritt freuten. Wenn ein
Krone-Vertreter eine Verhaltensstörung, die Elefanten in Gefangenschaft
zeigen, relativiert, fördert das nicht das Vertrauen in den Tierschutz.
Tiertrainer Lacey, der mit der Direktorin des Zirkus verheiratet ist, hat
eine andere Erklärung für das Verhalten der Elefanten: Es seien ältere
Tiere, die früher keine großen Außengehege und weniger Beschäftigung gehabt
hätten. Dies habe sich in den vergangenen 15 Jahren deutlich verbessert.
„Seitdem ist das viel weniger geworden.“
Martin Lacey ist offenkundig um das Wohl seiner Tiere bemüht. Aber was
spricht eigentlich dagegen, auf Elefanten und Löwen zu verzichten? Der
Circus Roncalli macht es vor und hat ganz ohne Tiere mehr Zuschauer denn je
– und die sind in dem großen Zirkuszelt zudem sicher. Denn ein Verbot ist
auch deshalb richtig, weil Elefanten und Nashörner ein Risiko darstellen.
Immer wieder kommt es zu Unfällen, weil Tiere aus der Manege oder ihren
Gehegen ausbrechen. Erst im Juli [2][fiel in Osnabrück eine Elefantenkuh]
des Zirkus Krone ins Publikum, nachdem zwei Artgenossinnen sie geschubst
hatten. Vor einigen Jahren rannte auch Nashornbulle Tsavo plötzlich los,
verletzte aber niemanden. Für einen schweren Unfall reicht es, wenn sich
ein so sensibler Koloss erschreckt.
Sicher müssen aber auch die Tiere sein, sollte es tatsächlich zu einem
Wildtierverbot im Zirkus kommen. Der Gesetzgeber muss gewährleisten, dass
sie nicht eingeschläfert werden. Nach so harter, jahrelanger Arbeit für
unser Amüsement haben sie sich einen Platz auf einem Gnadenhof verdient.
Den ganzen Schwerpunkt der taz nord zu Wildtieren im Zirkus lesen Sie in
der taz am Wochenende am Kiosk oder [3][hier].
19 Oct 2018
## LINKS
[1] https://blaetterdochmal.de/epaper/2018_Krone_Tierschutz/
[2] /!5515966/
[3] /e-kiosk/!114771/
## AUTOREN
Andrea Maestro
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