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# taz.de -- Britische EU-Anhänger machen mobil: Labour wachrütteln
> Zum Auftakt des Labour-Parteitags fordert „People's Vote“ ein neues
> Brexit-Referendum. Die Kampagne will die Opposition auf ihre Seite holen.
Bild: Pro-EU-Demonstranten appellieren in Liverpool an den Labour-Parteitag
Liverpool taz | Rund 5.000 Menschen sind am Sonntag in Liverpool für ein
zweites Brexit-Referendum auf die Straße gegangen. Die parteiübergreifende
Kampagne People's Vote hatte zu der Demonstration mobilisiert, um Druck auf
die oppositionelle Labour Party auszuüben, die in der Hafenstadt zeitgleich
ihren jährlichen Parteitag eröffnete. Schon im Vorfeld war klar geworden,
dass sich die Führungsspitze um Jeremy Corbyn diesmal nicht, wie etwa noch
letztes Jahr, um das Thema Brexit würde herumdrücken können.
Die Teilnehmer der Demonstration kamen aus allen Teilen des Landes,
darunter überraschend viele ältere Menschen. Zahlreiche Marschierer hatten
sich in große EU-Fahnen eingewickelt, favorisierte Kopfbedeckung war ein
blaues Stoffbarett mit einem Kreis gelber Sterne. Damit machten sie klar,
wofür sie bei einem neuen Referendum stimmen würden.
„Vor zwei Jahren wusste keiner, was es heißt, für den Brexit zu stimmen“,
sagt der Endzwanziger Robert Smith aus Manchester, der zum ersten Mal
überhaupt an einer Demo teilnimmt. Eine zweite Abstimmung sei für ihn
unabdingbar, denn erst jetzt sei man besser im Bilde. „Kommt dann erneut
eine Mehrheit für den Austritt zustande, wäre das okay für mich, denn nun
wissen wir ja, was wir tun.“ Paul Jackson ist eindeutiger: „Die Politiker
sollen endlich zugeben, dass der Brexit einfach verrückt ist“, meint der
Mittfünfziger, auch er ein Demo-Neuling, der extra mit seiner Familie aus
Shrewsbury gekommen ist. „Aber bisher hatten sie nicht den Mut dazu“, fügt
er auch mit Blick auf die Labour-Parteispitze hinzu.
Vermutlich nicht so sehr die Demonstration, wohl aber der Druck von der
Parteibasis könnte die Labour-Spitze zu einer Revision ihrer bisherigen
Haltung in der Brexit-Frage bewegen. Ortsverbände und Gewerkschaften haben
insgesamt 140 Anträge in Sachen Brexit zur Behandlung auf dem Parteitag
vorgelegt, und die meisten davon machen sich stark für eine zweite
Abstimmung über den EU-Austritt Großbritanniens. Der Antragsflut folgte am
Samstag die Veröffentlichung einer von People's Vote in Auftrag gegebenen
Umfrage von YouGov, wonach 86 Prozent aller Labour-Mitglieder mittlerweile
ein zweites Referendum bejahen würden.
Auch die Labour-Basis in Liverpool spricht sich offensiv für ein zweites
Referendum aus. Zahlreiche Mitglieder versammelten sich hinter einem großen
Pro-EU-Transparent auf den Stufen der St. George's Hall, dem Startpunkt der
Demo. „Liverpool war vor zehn Jahren EU-Kulturhauptstadt, es hat viele
Fördergelder erhalten. Wir besitzen eine besonders starke Verbindung zur
EU, die wir nicht abreißen lassen wollen“, sagt Labour-Gemeinderätin Sharon
Connor.
## Tauziehen hinter den Labour-Kulissen
Erwartet wird, dass Labours Haltung zum Brexit spätestens am Dienstag Thema
auf dem Parteitag wird. Schon am Sonntagmorgen machte Labour-Chef Corbyn in
einem Interview mit dem Sunday Mirror deutlich, dass er ein wie auch immer
geartetes Votum des Parteitags zum Referendum respektieren werde.
Vorrangiges Ziel sei eine vorzeitige Parlamentswahl, um die Regierung von
Theresa May abzulösen.
Kommentatoren warnten davor, die Äußerungen Corbyns überzubewerten.
Entscheidend ist der genaue Wortlaut des Antrags zum Referendum, über den
auf dem Parteitag entschieden wird. Er sollte noch am Sonntagabend
Gegenstand von Verhandlungen hinter den Kulissen werden. Es könnte darauf
hinauslaufen, dass eine zweite EU-Abstimmung nur erwogen wird, sollte es
keinerlei Aussicht auf Neuwahlen geben.
Eine solche Haltung nimmt beispielsweise der innerhalb der Partei sehr
einflussreiche Gewerkschaftsdachverband TUC ein. Dies würde der
Labour-Führung noch am ehesten passen. Sie muss jedoch auch damit rechnen,
dass die Parteitagsdelegierten mehrheitlich fordern, Labour solle auf jeden
Fall das Versprechen eines neuerlichen EU-Referendums in ihr Wahlprogramm
aufnehmen.
Der Londoner Labour-Abgeordente Chuka Umunna ist kein Freund von Jeremy
Corbyn. Im Gegenteil: Ihm wird nachgesagt, er sei könnte den Brexit zum
Anlass nehmen, eine Abspaltung der „Remainer“ von der Partei
herbeizuführen. Er ist einer der Initiatoren von People's Vote und
ebenfalls unter den Demonstranten in Liverpool. Gegenüber der taz begrüßte
er, dass sich zumindest der Ton der Parteiführung geändert habe. Er fordert
aber von ihr, das Anliegen von People's Vote klar zu unterstützen. „Je
unmissverständlicher der Wortlaut des Antrags sein wird, desto besser.“
23 Sep 2018
## AUTOREN
Oliver Pohlisch
## TAGS
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Jeremy Corbyn
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