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# taz.de -- Kommentar Proteste in Russland: Die Angst der Autokraten
> Die Verquickung von Jugend- und Sozialprotesten hat einen neuen Höhepunkt
> erreicht. Das Regime reagiert nervös und fackelt nicht lange.
Bild: Offenbar gelten selbst kleine demonstrierende Mädchen als gefährlich
Der russlandweite „gemeinsame Wahltag“ am Sonntag war für die
Polittechnokraten im Dienste des Kreml durchaus ein Erfolg. [1][Moskaus
Bürgermeister und Putin-Vertraute Sergei Sobjanin wurde problemlos
wiedergewählt]. Auch zweifelte landauf, landab kaum jemand an der
Rechtmäßigkeit der verschiedenen Wahlgänge. Dass einige mit Schlappen für
das Kreml-Aufgebot in der Provinz endeten, werten manche Beobachter sogar
als Beleg dafür, dass dieses Mal zurückhaltender als sonst manipuliert
wurde.
Doch autoritäre Systeme sind schnell verunsichert. Autokraten fehlt eine
echte Bindung an die Wähler. Wie weit die Verunsicherung im Kreml gediehen
ist, zeigte schon die überstürzte Übernahme eines TV-Programms, das einmal
wöchentlich zur besten Sendezeit den Kreml-Chef in leuchtenden Farben
zeigt.
Denn seit Putin das Renteneintrittsalter herauf setzte, gerät auch er in
den Abwärtssog. Plötzlich kann sich der „Teflonmann“ nicht mehr davon
stehlen. Die sozialen Proteste gegen die Erhöhung des Rentenalters stellen
für das System eine größere Gefahr dar als jegliche Kritik demokratischer
Defizite aus den Reihen der überschaubaren Opposition. Zumal der
Herausforderer Putins, Alexei Nawalny, diese Proteste koordiniert.
Die Verquickung von Jugend- und Sozialprotest hat eine neue Qualität
erreicht. Mit rund tausend Festnahmen fackelte der Staat deshalb auch nicht
lange. „Zahlt Renten, statt Schlösser zu bauen“, stand auf einem
Transparent. Da ist vom Eingemachten die Rede, nicht von Teilhabe.
Die Proteste sind seit Beginn des Sommers nicht mehr einzudämmen. Mehr als
50 Prozent der BürgerInnen unterstützen die Forderungen. Fraglich ist
allerdings, ob sie auch bereit wären, im Ernstfall auf die Straße zu gehen.
Eine revolutionäre Situation liegt noch lange nicht vor. Klar ist, der
Kreml müsste langfristig eine Antwort finden. Doch mit welchem Geld? Selbst
militärische Ablenkungsmanöver kosten. Die Hilflosigkeit des als Rettung
gedachten TV-Programms hatte etwas von Selbstentzauberung.
10 Sep 2018
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[1] /Regionalwahlen-in-Russland/!5531486
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
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Russland
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