# taz.de -- Nachruf auf Dieter Thomas Heck: Der Nachkriegsdeutsche | |
> Dieter Thomas Heck personifizierte die „ZDF-Hitparade“ und war der | |
> Showmann der Wohlstandsjahre. Mit 80 Jahren ist er nun gestorben. | |
Bild: Dieter Thomas Heck moderiert die Sendung „Melodien für Millionen“, A… | |
BERLIN taz | Wie würdigt man einen Mann, der wie kein anderer in der | |
deutschen Unterhaltungsindustrie, wie niemand sonst in der bundesdeutschen | |
Nachkriegskultur für das Spießige, das Kleinbürgerliche, das Peinliche und | |
das Viel-zu-laute stand? Der gegen alle damalige Hipness deutschen Schlager | |
beförderte, ja, ihn überhaupt erst machte, mit der „ZDF-Hitparade“ und | |
Shows wie „Musik liegt in der Luft“, „Melodien für Millionen“? Der nie… | |
Allianzen mit der Bild-Zeitung scheute, für die Welthungerhilfe warb und | |
für Unicef? | |
Der schon visuell einen Typ Deutschen darstellte, mit dem unsereins, | |
angehörig den Kräften des Guten, des Wahren und des Schönen, nie etwas zu | |
tun haben wollte, weder als Nachbar noch sonstwo im Leben? Und der, welch | |
Horror, äußerlich alles war, was man auf gar keinen Fall sein wollte: ein | |
Mann mit fetter Armbanduhr, als sei er ein Angeber; Anzüge von | |
stilistischer Übertriebenheit, ohne als grell zu missfallen; eine Brille | |
von Indezenz, die seinen anstarrenden Blick, der nur hin und wieder ins | |
Sentimentale rutschte, die fern der Niedlichkeit von in den Siebzigern | |
modischen Nickelbrillen ausgesucht wurden. | |
Jedenfalls auch mit dem Befund: Er war ein Nachkriegsdeutscher, er war ein | |
Mann, der sehr vermutlich stärker zu inkludieren – um ein Wort aus der | |
modischen Sprache aus unseren Kreisen – wusste als die allermeisten der | |
Geschmacks- und Bildungsbürger. Dieter Thomas Heck, dessen Leben nach | |
vielen Jahren des gesundheitlichen Tributs an Kettenraucherei und | |
Biertrinkerei, am Freitag im Alter von 80 Jahren endete. | |
Mit ihm konnte man sich im Guten wie im Bösen identifizieren: Dieter Thomas | |
Heck wurde 1937 in Flensburg geboren und wuchs als Kleinkind in Hamburg | |
auf. Dort überlebte einen Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg, verschüttet | |
von Trümmern und kam mit einer Sprachstörung wieder ans Licht: Heck, das | |
war ein Stotterer, einer, der in der Tat traumatisiert nicht mehr zur | |
Sprache fand und es in ihr später schnell- und stakkatohaftsprechend zur | |
Meisterschaft brachte: Er war der Radiomoderator bei Radio Luxemburg, beim | |
Südwestfunk, bei der Europawelle Saar – ein amerikanisch aufgeladener, | |
gutgelaunter Typ, wirklich frei von deutscher Melancholie und | |
Radiotranigkeit. | |
## CDU-Mann Heck | |
Und er tat dies auf Deutsch. Dieter Thomas Heck, schon als gelernter | |
Autoverkäufer eine Megabegabung, pries deutsche Unterhaltungsmusik, „German | |
Pop“, er verzichtete, durchaus mit dem Selbstbewusstsein des knapp im Krieg | |
Überlebenden, des kämpfenden Schisshasen, der jeder Schlägerei, jeder | |
Gewalt aus dem Weg ging, weil er durch sie schon genug Gepäck auf den | |
Schultern hatte, auf Anbiederei an den anglophonen Zeitgeist. Und das hieß | |
nicht, dass er antimodern war. | |
Heck präsentierte in seiner „ZDF-Hitparade“ alles, was heute als | |
multikulturell gelten kann, den Libanesen Ricky Shayne, den Griechen Costa | |
Cordalis, den Jugoslawen Bata Illic, die Französin Mireille Mathieu, die | |
niederländischen Hippies Mouth & McNeal, den Tschechoslowaken Karel Gott, | |
den schnulzenden Beatnik Michael Holm und die Discoprinzessin Marianne | |
Rosenberg. Nur mussten sie ihr Tun auf deutsch präsentieren – Englisch, das | |
waren der „Beatclub“, der „Musikladen“ und Ilja Richters „Disco“. | |
Und was ihn noch anticooler in unseren Zirkeln machte: Heck war, | |
unmittelbar nach der Niederlage des Unionskanzlerkandidaten Rainer Barzel | |
gegen die sozialliberale Koalition Willy Brandts 1972, Mitglied der CDU | |
geworden, nicht einmal heimlich, sondern später für seine Partei | |
wahlkämpfend: Dieter Thomas Heck focht wider den Zeitgeist, wobei man dies | |
nicht als deutschnational, als militärkonservativ oder illiberal verstehen | |
darf. | |
## Erfolg im Mainstream | |
Dieser Mann hielt auf das, was man als deutsch phantasiert, | |
Zuverlässigkeit, Loyalität und Pünktlichkeit – aber das in jeder Hinsicht | |
liberal. Im Übrigen war er ein Geselliger, der seine Künstler*innen | |
durchaus zum Exzess nach den Shows anregte, es mal tüchtig krachen zu | |
lassen: ein Freundlicher, der neben Rainer Barzel Willy Brandt, für den er | |
1969 stimmte, zu seinen liebsten Politikern zählte. | |
Mit anderen Worten: Heck war, wie es meisten Deutschen gern sein würden – | |
deutsch und doch weltoffen, ohne durch die Zumutungen der Weltläufigkeit | |
sich unentwegt bedrängt zu fühlen oder gar überfordert. Dieter Thomas Heck | |
hat seine beste Leistung in einigen Folgen der TV-Serie „Praxis Bülowbogen“ | |
mit Günter Pfitzmann in der Hauptrolle. Er gab einen Verwandten des | |
Doktors, geschäftlich gescheitert, von Scheidung bedroht, ratlos und | |
verzweifelt. | |
Sein Spiel hatte die Qualität US-amerikanischer Mimen, die ihre Rolle nicht | |
darstellen, sondern sind: Heck war ganz bei sich, ein Mann tosenden | |
Optimismus', der einmal einen Verlierer, dem das Leben zum Verhängnis wird, | |
spielen durfte. Er hat alles dafür getan, im wahren Leben dies nicht | |
erleiden zu müssen. | |
Er lebte zuletzt in Berlin und Spanien, er war preisgekrönt, er wurde | |
geehrt – und er freute sich über die Auszeichnungen, zurecht. Er war der | |
populärste TV-Mann seiner Zeit, 15 Jahre lang 183 Mal die „ZDF-Hitparade“ | |
und so viele andere Shows mehr. Millionen missgönnten ihm seinen Erfolg im | |
Mainstream nicht. Er war schließlich einer von ihnen. | |
25 Aug 2018 | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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